zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 20.12.1994, 89/14/0149

VwGH vom 20.12.1994, 89/14/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Dr. K, Rechtsanwalt in G, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des H in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 4/5/26-BK/D-1989, betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für 1972, Einkommensteuer für 1972, 1973 und 1975 sowie Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt ist Masseverwalter über das Vermögen eines ehemaligen Viehhändlers. Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1972 bis 1980, in denen der Gemeinschuldner seinen Viehhandel noch betrieben hatte, stellte der Prüfer diverse Buchführungsmängel fest, die dazu führten, daß die Betriebsergebnisse im Schätzungsweg erhöht wurden. Außerdem wurden Zinsen aus bisher nicht erklärten Spareinlagen unter Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßt. Das Finanzamt erließ auf Grund der Feststellungen des Prüfers zum Teil im wiederaufgenommenen Verfahren entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob sowohl gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren als auch gegen die Sachbescheide Berufung. Da die Berufung Mängel aufwies, erließ das Finanzamt einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 275 BAO, der sich allerdings nur auf die Berufung gegen die Sachbescheide bezog.

Der Beschwerdeführer entsprach dem Mängelbehebungsauftrag. Nach einer umfangreichen Stellungnahme des Betriebsprüfers und einer Gegenstellungnahme des Steuerberaters des Gemeinschuldners, der vom beschwerdeführenden Masseverwalter bevollmächtigt worden war, "die steuerlichen Belange des Gemeinschuldners wahrzunehmen", erließ die belangte Behörde eine teilweise stattgebende Berufungsentscheidung betreffend die Sachbescheide. Die Berufung betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren blieb hingegen unerledigt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid mit Erkennntnis vom , 87/14/0173, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Begründet wurde die Aufhebung damit, daß die belangte Behörde über die Berufung gegen die Sachbescheide entschieden hatte, ohne gleichzeitig über die Berufung betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren zu entscheiden. Außerdem stellte der Gerichtshof fest, daß die belangte Behörde, die von einer zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO ausgegangen war, ihre Annahme, daß der Gemeinschuldner Abgaben hinterzogen habe, nicht begründet hatte. Im fortgesetzten Verfahren nahm der Steuerberater des Gemeinschuldners im Auftrag des beschwerdeführenden Masseverwalters die Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1972 sowie Einkommensteuer 1972 und 1973 im Sinne des § 256 BAO zurück.

Die belangte Behörde wies die Berufung hinsichtlich Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1972 sowie Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1975 ab; der Berufung hinsichtlich Einkommensteuer 1972, 1973 und 1975 wurde teilweise stattgegeben. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Begründung des vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheides verweist. Auf die Begründung eines nicht mehr existierenden Bescheides dürfe nicht verwiesen werden. Dazu komme, daß der Berufungssenat anders zusammengesetzt sei, als jener, der die aufgehobene Berufungsentscheidung erlassen habe. Daraus sei zu folgern, daß der Berufungssenat "ungeprüft ... die materielle Würdigung der ersten Senatsentscheidung übernommen hat".

Diese Rüge ist nicht berechtigt. Die Aufhebung eines Bescheides hat zur Folge, daß er seine normativen, das heißt seine rechtsgestaltenden oder rechtsfeststellenden Wirkungen verliert. Das bedeutet aber nicht, daß auf seine Begründungselemente nicht mehr Bezug genommen werden dürfte. Ebenso wie es zulässig ist, zur Begründung eines Bescheides auf Schrifttum zu verweisen, dem von vornherein kein normativer Charakter zukommt, ist es auch zulässig, den Begründungsteil von Bescheiden heranzuziehen, die nicht mehr dem Rechtsbestand angehören. Der Gerichtshof kann daher nicht finden, daß damit zum Ausdruck gebracht wird, der entscheidende Spruchkörper habe "ungeprüft" entschieden. Die Übernahme von Sachverhaltsfeststellungen Subsumtionsergebnissen oder rechtlichen Erwägungen aus anderen Erkenntnisquellen kann nämlich durchaus NACH eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage durch den entscheidenden Spruchkörper erfolgen.

Ein weiteres Beschwerdevorbringen bezieht sich auf die Frage der Verjährung. Die belangte Behörde sei von der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO und damit vom Vorliegen einer Abgabenhinterziehung des Gemeinschuldners ausgegangen. Dabei übersehe sie, daß nur für die Jahre 1977 und 1980 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden sei.

Dieses Argument kann der Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg verhelfen, weil es für die Annahme des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung im Zusammenhang mit der zehnjährigen Verjährungsfrist nicht darauf ankommt, ob ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde oder nicht (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom , 90/14/0142). Vielmehr hat die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung als Vorfrage selbst zu beurteilen. Dies hat die belangte Behörde getan, indem sie auf jenes Sparbuch hingewiesen hat, das der Gemeinschuldner vor der Abgabenbehörde nicht offengelegt hat, und auf das unbestritten ein beträchtlicher Teil der Betriebseinnahmen geflossen ist. Der Gemeinschuldner hat zu dieser Vorgangsweise in seiner Berufung sowie in der ersten mündlichen Berufungsverhandlung lediglich vorgebracht, der mit der Eintreibung betrieblicher Forderungen in Italien beauftragte Rechtsanwalt habe aus ihm (dem Gemeinschuldner) unbekannten Gründen darauf bestanden, daß die eingetriebenen Geldbeträge in der Buchhaltung des Gemeinschuldners nicht aufschienen. Die Gründe, die den beauftragten Rechtsanwalt veranlaßt haben, vom Gemeinschuldner eine Verkürzung seiner Betriebseinnahmen bzw. die Nichtverbuchung von Forderungseingängen zu verlangen, sind ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß der Beschwerdeführer in sämtlichen Streitjahren jedenfalls jene Einnahmen bewußt und damit vorsätzlich nicht erklärt hat, die sich aus der Verzinsung der tatsächlich eingegangenen und auf dem Sparbuch gutgeschriebenen Geldbeträge ergeben haben. Außerdem hat der Gemeinschuldner jene Forderungen wertberichtigt, deren später behaupteter Eingang nicht verbucht worden war. Daß die besagten Geldbeträge im Jahr 1977 dem Betrieb als "Einlage" zugeführt und zur "Begleichung von offenstehenden Forderungen" verwendet worden sein sollen, vermag auch bei Zutreffen dieser Behauptung an der bereits erfolgten vorsätzlichen Abgabenverkürzung nichts zu ändern. Gleiches gilt für den Umstand, daß der Prüfer die gesamte Zuschätzung als "Sicherheitszuschlag" bezeichnet hat. Es trifft zwar zu, daß Sicherheitszuschläge in aller Regel bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages außer Betracht bleiben; dies aber nur deshalb, weil sie auf der bloßen (wenn auch berechtigten) Annahme beruhen, der Abgabepflichtige habe zusätzlich zu festgestellten noch weitere nicht festgestellte Schwarzgeschäfte getätigt.

Sicherheitszuschläge sind daher meist nicht das Ergebnis eines den finanzstrafrechtlichen Vorschriften genügenden Beweisverfahrens, bei dem von der Unschuldsvermutung auszugehen ist; sie sind vielmehr von den Unsicherheitsmerkmalen einer notwendigerweise groben Schätzung gekennzeichnet und daher nicht geeignet, in ihrem Ausmaß eine Abgabenverkürzung als erwiesen anzunehmen. Vergreift sich jedoch die Abgabenbehörde lediglich im Ausdruck, indem sie den Begriff "Sicherheitszuschlag" verwendet, ist aber die vorsätzliche Abgabenverkürzung in Wahrheit als erwiesen anzunehmen, so steht einem solchen Ermittlungsergebnis eine unrichtige Ausdrucksweise nicht entgegen.

Da die belangte Behörde somit zu Recht von einer zehnjährigen Verjährungsfrist im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO ausgehen durfte, erübrigt es sich, auf ihr in diesem Zusammenhang UNZUTREFFENDES Vorbringen einzugehen, wonach die Finanzstrafbehörde an die Sachverhaltsannahmen der Abgabenbehörde gebunden sei und "nur zu untersuchen" habe, ob den Abgabepflichtigen an der bereits objektiv feststehenden Abgabenverkürzung ein Verschulden trifft (vgl. zu dieser Frage insbesondere das hg. Erkenntnis vom , 16/1055/79).

Der Beschwerdeführer führt auch den Eintritt der "absoluten" Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO für sich ins Treffen. Er habe die Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zurückgenommen, sodaß "die Abgabenfestsetzung nicht unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung im Sinne des § 209a BAO abhängig war.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Zurücknahme der Berufung betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren lediglich bedeutete, daß der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme nicht mehr bekämpft. Die Berufung gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide war aber nach wie vor aufrecht und verpflichtete die belangte Behörde zu einer neuerlichen Berufungsentscheidung. Daß diese Entscheidung mit dem angefochtenen Bescheid nach Aufhebung der Erstentscheidung durch den Gerichtshof, somit als zweite Berufungsentscheidung erging, ändert nichts daran, daß es sich dabei um eine Berufungsentscheidung handelt, der gemäß § 209a BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers, daß § 209a BAO auf eine zweite Berufungsentscheidung nicht anzuwenden sei, findet im Gesetz keine Deckung.

Der Beschwerdeführer bekämpft weiters den "Sicherheitszuschlag" im Jahr 1972 im Ausmaß von

S 1,2 Millionen. Der Prüfer hat den "Sicherheitszuschlag" mit zahlreichen Feststellungen begründet: "Eine Vielzahl von Beträgen" sei überhaupt nicht verbucht worden. Im Zuge einer Hausdurchsuchung sei beim Gemeinschuldner ein "Vokabelheft" aufgefunden worden, in dem zahlreiche Geschäftsvorfälle aufgezeichnet gewesen seien, die in der Buchhaltung keinen Niederschlag gefunden hätten. Auf ebenfalls aufgefundenen (nicht erklärten) Sparbüchern seien allein im Jahr 1972 Einlagen in Höhe von insgesamt S 1,074.454,50 getätigt worden.

Die Forderungen, die laut Angaben des Gemeinschuldners ohnedies von dem hiezu beauftragten Anwalt eingetrieben worden waren und zu den nicht offengelegten Sparguthaben geführt haben sollen, seien vom Gemeinschuldner dennoch zu Lasten der Betriebsergebnisse wertberichtigt worden.

Der Gemeinschuldner habe behauptet, eine Abhebung von einem Sparbuch in Höhe von S 1,3 Millionen für die Bezahlung betrieblicher Verbindlichkeiten verwendet zu haben.

Diese Zahlungen seien aber laut Kassabuch bereits einige Zeit vor der Abhebung vorgenommen worden.

Der durchschnittliche Rohaufschlag habe im Jahr 1972 9,15 % und im Jahr 1976 8,42 % betragen und weiche somit vom Durchschnitt der übrigen Jahre (14,12 %) erheblich ab.

Diesen Feststellungen des Betriebsprüfers wußte der Gemeinschuldner im wesentlichen nur zu erwidern, daß die eingetriebenen Kundenforderungen ohnedies fünf Jahre später (1977) als Einlage dem Betrieb zugeführt worden seien, daß die Verwendung des abgehobenen Betrages in Höhe von S 1,3 Millionen für betriebliche Verbindlichkeiten glaubhaft sei, weil kein "anderer Verbleib dieser Barabhebungen festgestellt werden konnte", daß die zeitliche Differenz zwischen Abhebung und vorangegangener Bezahlung mit zeitlichen Unrichtigkeiten der Buchungsvorgänge erklärbar sei, und daß die unterschiedlichen Rohaufschläge darauf zurückzuführen seien, daß bei hohen Umsätzen "empfindliche Abstriche in Kauf genommen werden müssen".

Zu den zahlreichen, nicht verbuchten Geschäftsvorfällen nahm der Gemeinschuldner ebensowenig Stellung wie zu den Forderungsabschreibungen, die trotz Einganges der Forderungen vorgenommen worden waren.

Auch in der Beschwerde wird zu den letztgenannten Feststellungen des Betriebsprüfers nichts Gegenteiliges vorgebracht. Die nicht nachvollziehbaren, zu hoch ausgewiesenen Kassastände hätten nur 20 Tage lang bestanden. Danach seien "die Eingänge mittels Eigenbelegs festgestellt (worden). Daraus würde sich aber in weiterer Folge ergeben, daß sich die Einnahmen decken". Die "mangelhafte Buchhaltung" hätte auch Auswirkungen zugunsten des Gemeinschuldners haben können. Die belangte Behörde habe sich "im Zusammenhang mit der Zuweisung eines Betrages von rund S 1,3 Millionen an den Abgabepflichtigen nicht mit der Frage auseinandergesetzt, daß im Falle der Nichtidentität der vom Sparbuch behobenen Beträge mit den Bareingängen im Kassabuch eine weitere, nicht offengelegte "Geldquelle" hätte vorhanden sein müssen, sodaß weitere Zuschätzungen hätten vorgenommen werden müssen." Dieser Begründungsmangel sei jedoch rechtswidrig.

Abgesehen davon, daß für den Gerichtshof der Großteil dieser und weiterer Beschwerdeausführungen unverständlich bleibt, werden damit jedenfalls die Feststellungen des Betriebsprüfers betreffend die zahlreichen unverbuchten Geschäftsvorfälle und die Wertberichtigungen von voll eingegangen Kundenforderungen nicht entkräftet. Da sich aber die hinzugeschätzten Beträge im wesentlichen auf diese Fakten stützen, erweist sich die Beschwerde auch hinsichtlich der vorgenommenen Schätzung bzw. Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages als unberechtigt.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer noch vor, die belangte Behörde habe in den Jahren 1973 und 1974 zu Unrecht keine Verlustvorträge berücksichtigt. Für das Jahr 1973 genügt der Hinweis, daß nach Schätzung des Betriebsergebnisses für das Jahr 1972 keine vortragsfähigen Verluste für die Folgejahre zur Verfügung standen. Was aber das Jahr 1974 betrifft, so ist der Beschwerdeführer zusätzlich darauf aufmerksam zu machen, daß die Veranlagung dieses Jahres nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides war und daher auch nicht Gegenstand der Beschwerde sein kann.

Die Beschwerde erweist sich daher ingesamt als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.