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VwGH vom 23.10.1990, 89/14/0145

VwGH vom 23.10.1990, 89/14/0145

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 241;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Gemeinde Fohnsdorf gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 278-4/87, betreffend Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1982 bis 1988 und Vorauszahlungen 1989 (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Judenburg, Hauptplatz 1, 2. N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Strittig ist im Beschwerdefall, ob bei der mitbeteiligten N, die Betriebsstätten in mehreren Gemeinden besitzt, die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages nach anteiligen Betriebseinnahmen (§ 31 Abs. 1 Z. 1 GewStG in der vor der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 anzuwendenden Fassung) oder nach anteiligen Arbeitslöhnen (§ 31 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.) zu erfolgen hat.

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid gelangte die belangte Behörde zur Zerlegung nach anteiligen Arbeitslöhnen. Sie führte im wesentlichen aus, es sei der Finanzbehörde trotz mehrmaliger Vorhalte nicht möglich gewesen, für die Zerlegung nach § 31 Abs. 1 Z. 1 GewStG benötigte Angaben über die Betriebseinnahmen der einzelnen Betriebsstätten der mitbeteiligten N zu erhalten. Das Finanzamt sei daher gezwungen gewesen, einen vertretbaren und nachvollziehbaren Zerlegungsmaßstab im Schätzungsweg zu finden. Mangels anderer geeigneter Grundlagen habe das Finanzamt das Verhältnis der Lohnsummen herangezogen, also eine Zerlegung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG vorgenommen. Ein offenbar unbilliges Ergebnis, das zu einer Zerlegung nach § 34 GewStG hätte führen können, liege nicht vor. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen, da das Finanzamt bei der Schätzung des Zerlegungsmaßstabes im Rahmen der objektiven Möglichkeiten vorgegangen sei und amtswegige Erhebungen das Maß des Zumutbaren nicht überschreiten sollten.

Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Zerlegung gemäß § 81 Abs. 1 Z. 2 (richtig wohl: § 31 Abs. 1 Z. 1) GewStG verletzt. Sie beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde J. beantragen in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist auf den Einwand der mitbeteiligten Gemeinde J. einzugehen, die Beschwerdelegitimation sei nicht gegeben, weil ein Beschluß des zuständigen Kollegialorganes der beschwerdeführenden Gemeinde über die Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters nicht vorliege.

Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen: Die Vollmacht des Beschwerdevertreters wurde vom Bürgermeister unterschrieben. Gemäß § 45 Abs. 1 der steiermärkischen Gemeindeordnung vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Erhebt daher der Bürgermeister im Namen der Gemeinde eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde und betraut er mit der Vertretung einen Rechtsanwalt, so kann dies, selbst wenn dem keine Beschlußfassung des im Innenverhältnis zuständigen Gemeindeorganes zugrunde gelegen ist, nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10.479/A). Im übrigen hat die Beschwerdeführerin eine Niederschrift über die Sitzung des (vom Gemeinderat zur Beschlußfassung über das Einschreiten bei Gericht und die Bestellung von Rechtsvertretern ermächtigten) Gemeindevorstandes, in der die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde durch den Beschwerdevertreter beschlossen wurde, nachgereicht.

Die Beschwerde ist daher meritorisch zu behandeln.

Gemäß § 30 GewStG ist, wenn Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten werden, der einheitliche Steuermeßbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Gemäß § 31 Abs. 1 GewStG (in der vor der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 anzuwendenden Fassung) ist Zerlegungsmaßstab

1. bei Versicherungs-, Bank- und Kreditunternehmen: Das Verhältnis, in dem die Summe der in allen inländischen Betriebsstätten erzielten Betriebseinnahmen zu den in den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden erzielten Betriebseinnahmen steht;

2. in den übrigen Fällen vorbehaltlich der Ziffer 3: das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen inländischen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind.

Unstrittig ist, daß die mitbeteiligte N als Kreditunternehmen im Sinne des § 31 Abs. 1 Z. 1 GewStG anzusehen ist, weshalb nach der Anordnung des Gesetzgebers auf die anteiligen Betriebseinnahmen abzustellen wäre. Die mitbeteiligte N hat sich aber nicht in der Lage gesehen, dem Finanzamt die hiefür erforderlichen Daten zu übermitteln; sie hat lediglich die Summen der an den einzelnen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne erklärt.

Konnte die Abgabenbehörde die Grundlagen für die gesetzmäßige Zerlegung nicht ermitteln oder berechnen, so hatte sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen, wie dies im Beschwerdefall auch geschehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde aber nicht beipflichten, als Grundlage für die Schätzung wäre sogleich das Verhältnis der Lohnsummen heranzuziehen, also eine Zerlegung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG vorzunehmen.

Wenn das Gesetz in der heranzuziehenden Fassung einen eigenen Zerlegungsmaßstab für Kreditunternehmen vorgesehen hat, so kann - wenn sich Schwierigkeiten bei dessen Anwendung ergeben - nicht ohne weiteres auf einen für andere Unternehmen vorgesehenen Maßstab übergegangen werden. Der Grundgedanke der Zerlegungsvorschriften geht dahin, den zerlegungsberechtigten Gemeinden einen solchen Anteil zuzuweisen, der ungefähr der Bedeutung der vorhandenen Betriebsstätte und der Belastung entspricht, die die Betriebsstätte in dem in Betracht kommenden Rechnungsjahr verursacht (vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Gewerbesteuergesetz, 7. Auflage, § 29 - deutsches - GewStG Anm. 1 Abs. 2). Der Gesetzgeber hat (bis zur Novelle BGBl. Nr. 403/1988) offenbar angenommen, daß der Maßstab "Arbeitslohn" bei Versicherungs-, Bank- und Kreditunternehmen für eine gerechte Verteilung der Gewerbesteuer nicht ausreicht, weshalb hier die "Betriebseinnahmen" als Maßstab zu gelten haben (vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum - deutschen - GewStG § 29 Anm. 1 ).

Dieser Intention - gegenteilige Erlässe des Bundesministers für Finanzen stellen keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle dar - haben die Abgabenbehörden nicht entsprochen.

Im Beschwerdefall war die Behörde zwar nicht verpflichtet, die Betriebseinnahmen der jeweiligen Betriebsstätten im einzelnen vollständig zu ermitteln, wenn die mitbeteiligte N diese Daten nicht zur Verfügung stellte, wohl aber zu versuchen, anhand ausgewählter Daten bzw. Zeiträume Anhaltspunkte für die Schätzung der anteiligen Betriebseinnahmen zu gewinnen und - wenn nötig - hiefür (Amts)Sachverständige beizuziehen.

Auszugehen ist hiebei vom Betriebseinnahmenbegriff des Einkommensteuerrechtes (vgl. hiezu Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 15 EStG 1972 Tz. 2), wobei die Besonderheiten der Gewerbesteuer zu berücksichtigen sind (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofes vom ,

BStBl. II 1974 S 341). In Betracht kommen etwa Erträge aus Veranlagungen, nicht aber Spargelder oder Darlehensrückflüsse (vgl. zu den beiden letztgenannten Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz Tz 31-3, Blümich-Boyens-Steinbring-Klein a. a.O. Anm. 2 Abs. 3, das eben zitierte Urteil des Bundesfinanzhofes vom , anders noch das Urteil des Bundesfinanzhofes vom , BStBl. II 1968 S 313). Bei der Ermittlung des Schwerpunktes der von Zentrale und Außenstelle entfalteten Tätigkeiten ist auf das Gesamtbild abzustellen; nicht entscheidend wäre eine zentrale Kontenführung (vgl. wiederum das Urteil des Bundesfinanzhofes vom ) oder eine Betragsgrenze, ab der von Außenstellen initiierte Geschäfte, die einen Kapitalertrag bringen, einer Genehmigung der Hauptanstalt bedürfen.

Der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Auffassung, die Auskunft der "neutralen" mitbeteiligten N habe den Charakter eines Sachverständigengutachtens, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht beipflichten. Erst wenn sich durch weitergehende Bemühungen der Behörde keine aussagekräftigeren Grundlagen für eine Schätzung der anteiligen Betriebseinnahmen ermitteln lassen sollten, könnte eine Schätzung anhand der anteiligen Arbeitslöhne in Erwägung gezogen werden. Eine Zerlegung gemäß § 34 GewStG käme erst in Betracht, wenn sich die Zerlegung nach geschätzten Betriebseinnahmen als unbillig erweisen sollte (vgl. hiezu Philipp a.a.O. Tz. 34-1).

Die belangte Behörde hat sohin durch unzureichende Ermittlung von Schätzungsgrundlagen Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.