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VwGH vom 16.11.1993, 89/14/0139

VwGH vom 16.11.1993, 89/14/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 380/6-10/F-1989, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der seinen Beruf als "Nachtclubbesitzer" bezeichnet, wurde vom Finanzamt aufgefordert, die Steuererklärungen für das Kalenderjahr 1985, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Alkoholabgabe sowie Einheitswert des Betriebsvermögens, zum bis einzureichen.

Mit Schreiben vom ersuchte der Beschwerdeführer um Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen. Sämtliche Buchhaltungsunterlagen seien von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden, sodaß keine Steuererklärungen ausgearbeitet werden könnten.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Fristverlängerung ab, räumte jedoch eine Nachfrist bis zum ein.

Am langte beim Finanzamt ein neuerliches Fristverlängerungsansuchen betreffend die Einbringung der Steuererklärungen ein. Die beschlagnahmten Buchhaltungsunterlagen seien bisher nicht vollständig retourniert worden.

Ein gleichartiges Ansuchen wurde mit Schreiben vom (eingelangt beim Finanzamt am ) gestellt.

Mit verfahrensleitender Verfügung vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Steuererklärungen bis vorzulegen. Für den Fall, daß er dieser Aufforderung nicht entsprechen sollte, wurde ihm gemäß § 111 Abs. 1 und Abs. 2 BAO eine Zwangsstrafe in Höhe von S 3.000,-- angedroht.

Mit Bescheid vom wurde die angedrohte Zwangsstrafe festgesetzt und eine weitere Zwangsstrafe von S 6.000,-- für den Fall angedroht, daß die "bisher unterlassene Handlung" nicht bis nachgeholt würde.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Festsetzung der Zwangsstrafe Berufung und brachte vor, daß ihn an der Unterlassung der Einreichung der Steuererklärungen kein Verschulden treffe, weil die für die "Fertigstellung der Steuererklärungen" benötigten "Unterlagen aus dem Rechnungswesen" nach wie vor beschlagnahmt seien.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Durch Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen hätte der Beschwerdeführer "sicherlich" die Möglichkeit gehabt, die Steuererklärungen zu erstellen und einzureichen.

Ein Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde vom Beschwerdeführer nicht gestellt, sodaß die Berufungsvorentscheidung in Rechtskraft erwuchs.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die zweite Zwangsstrafe in Höhe von S 6.000,-- fest und drohte eine weitere Zwangsstrafe von S 10.000,-- an.

Der Beschwerdeführer erhob abermals Berufung und verwies wiederum auf die Beschlagnahme der für die Erstellung der Steuererklärungen erforderlichen Unterlagen. Da diese noch bearbeitet werden müßten, könne mit einer Einsichtnahme allein nicht das Auslangen gefunden werden. Weiters enthielt die Berufung folgenden Hinweis des Steuerberaters des Beschwerdeführers:

"In meiner Kanzlei befinden sich Sicherungsdaten der Buchhaltungen 1985 und 1986 aus denen, allerdings kostenaufwendig, die gesamte Buchhaltung rekonstruiert werden kann. Mein Klient hat mich beauftragt, die Rekonstruktion zu veranlassen, damit ist die Ausarbeitung der Erklärungen möglich geworden. Mit der Abgabe der Erklärungen 1985 kann bis gerechnet werden, ..."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung gegen die Festsetzung der zweiten Zwangsstrafe mit der Begründung abgewiesen, daß die Vorlage der Steuererklärungen dem Beschwerdeführer sowohl zumutbar als auch möglich gewesen sei. Da die gesamten Aufzeichnungen auf Datenträgern gespeichert seien, könne in der Erstellung einer Überschußrechnung kein unzumutbarer Kostenaufwand erblickt werden, "denn wozu sonst, wenn nicht in erster Linie für die Gewinnermittlung, wird eine Speicherung der Buchhaltungsdaten durchgeführt".

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Feststellung, "daß Daten auf Datenträgern gesichert und somit im weiteren Sinn gespeichert waren, scheint den Eindruck hervorgerufen zu haben, daß sie in der Folge ohne besonderen Aufwand hätten reaktiviert werden können". Dies sei aber "mit besonderen Problemen" verbunden gewesen. Es habe "beträchtliche Mühe" gekostet, "das unmöglich Erscheinende" zustandezubringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.

Daß die Vorlage von Steuererklärungen durch den Abgabepflichtigen mit Hilfe von Zwangsstrafen erzwungen werden darf, ergibt sich aus der eben zitierten Bestimmung in Verbindung mit der allgemeinen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gemäß § 119 BAO sowie der Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen gemäß §§ 133 ff leg. cit. Der Beschwerdeführer bestreitet dies auch nicht, vertritt aber die Auffassung, daß ihm die Ausarbeitung der Steuererklärungen nicht zumutbar gewesen sei, weil die hiefür benötigten Unterlagen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden waren.

Es ist richtig, daß eine Zwangsstrafe nicht verhängt werden darf, wenn die zu erzwingende Leistung unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/15/0186). Dies trifft aber im Beschwerdefall nicht zu.

Unbestritten ist, daß sämtliche für die Erstellung der Steuererklärungen des Beschwerdeführers benötigten Daten auf Datenträgern seines Steuerberaters gespeichert waren. Im Verwaltungsverfahren wurde zwar behauptet, daß die Reaktivierung dieser Daten nur "zufällig und mühselig" möglich gewesen sei und einen "besonderen Aufwand" erforderlich gemacht habe; schließlich sei "das unmöglich Erscheinende zustande gebracht" worden. Aus welchen Gründen sich die gespeicherten, für die Steuererklärungen erforderlichen Daten aus den Datenträgern nicht problemlos abfragen und ausdrucken ließen, hat der Beschwerdeführer bzw. sein Steuerberater im Verwaltungsverfahren nicht dargetan. Erstmals in der Beschwerde und in weiteren ergänzenden Schriftsätzen wird hiezu vorgebracht, daß "nach der abgeschlossenen Verarbeitung ... monatlich ein Ausdruck von Journal, Kontoblättern, u.a.m."

erfolgt sei, und danach keine Verpflichtung zur (weiteren) Speicherung der bearbeiteten Daten bestanden habe. Die Daten seien daher "logisch gelöscht (cancelled - freigegeben zum Überschreiben)" worden. Nur zufällig seien die für die Erstellung der Steuererklärungen des Beschwerdeführers erforderlichen Daten noch "physikalisch" vorhanden gewesen, weil die Magnetplatten nach dem Ausdruck der Daten infolge eines Betriebssystemswechsels nicht mehr verwendet worden seien. "Mit Hilfe von nur für diesen Zweck von Technikern geschaffenen Sonderlösungen und neuerstellten Programmen" sei die Buchhaltung wieder zur Verfügung gestanden.

Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG fällt, erscheint es völlig ungewöhnlich, daß sämtliche Daten einer Buchhaltung, die mit Hilfe einer EDV-Anlage geführt wird, unmittelbar nach dem Ausdrucken der monatlichen Teilergebnisse wiederum gelöscht werden, sodaß sie für die Ermittlung des Betriebsergebnisses selbst nicht mehr gespeichert zur Verfügung stehen, sondern nur mehr den Ausdrucken entnommen werden können. Sollte der Steuerberater des Beschwerdeführers dennoch eine derart ungewöhnliche Vorgangsweise gewählt haben, so wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, diesen Umstand und die Gründe hiefür bereits im Verwaltungsverfahren glaubhaft vorzubringen und so die Unzumutbarkeit der Einreichung der Steuererklärungen für das Jahr 1985 in den Jahren 1987 und 1988 darzutun. Da er dies nicht getan hat, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne daß es erforderlich war, auf die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausführlich diskutierte Frage einzugehen, ob die im § 131 Abs. 3 BAO normierte Verpflichtung zur Wiedergabe von gespeicherten Daten nur solange besteht, als die Daten nicht vollständig ausgedruckt werden und auf diese Weise die bis dahin verwendeten Datenträger ersetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.