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VwGH vom 14.12.1995, 95/18/0786

VwGH vom 14.12.1995, 95/18/0786

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 300.215/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung bis zum habe; Anträge auf Verlängerung seien spätestens vier Wochen vor Ablauf der Geltungsdauer einer Bewilligung zu stellen; als letzter Tag der vierwöchigen Frist errechne sich der ; da der Beschwerdeführer den Verlängerungsantrag erst am eingebracht habe, sei die gesetzlich vorgeschriebene Frist versäumt. Bei der genannten Frist handle es sich um eine vom Gesetz normierte Fallfrist, die der Behörde keinen Ermessensspielraum einräume. Eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen wäre nur dann zulässig gewesen, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG gestellt hätte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da es sich bei der vierwöchigen Frist des § 6 Abs. 3 erster Satz Aufenthaltsgesetz (idF. vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) um eine materiell rechtliche Frist handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0748), kommt zwar nicht die nur für verfahrensrechtliche Fristen geltende Bestimmung des § 33 Abs. 2 AVG, wohl aber Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen samt Erklärung der Republik Österreich, BGBl. Nr. 254/1983, zur Anwendung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0850). Danach werden Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage bei der Berechnung einer Frist mitgezählt. Fällt jedoch der letzte Tag einer Frist, vor deren Ablauf eine Handlung vorzunehmen ist, auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder einen Tag, der wie ein gesetzlicher Feiertag behandelt wird, so wird die Frist dahin verlängert, daß sie den nächstfolgenden Werktag einschließt. Da die dem Beschwerdeführer erteilte Bewilligung nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid am (Samstag) abgelaufen ist, ergibt sich als letzter Tag für die rechtzeitige Stellung des Verlängerungsantrages Montag, der (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0850).

2. Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung vorgebracht, daß seine Mutter (für ihn) am den Antrag (auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung) gestellt habe, "wobei ihr gesagt wurde, ich solle selbst im Amt vorbeikommen". In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird dazu ausgeführt, daß die Sachbearbeiterin der erstinstanzlichen Behörde den Antrag des Beschwerdeführers von dessen Mutter am mit dem Hinweis entgegengenommen habe, der Beschwerdeführer müsse noch persönlich erscheinen und eine Unterschrift leisten.

Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerde unter anderem geltend, daß die belangte Behörde aufgrund des Berufungsvorbringens Erhebungen hätte durchführen müssen, ob der Antrag tatsächlich am von der Erstbehörde entgegengenommen worden sei, als Tag der Antragstellung jedoch der Tag vermerkt worden sei, an dem der Beschwerdeführer persönlich vorgesprochen und "die zweite Unterschrift" geleistet habe. Weiters hätte die belangte Behörde erheben müssen, ob der Beschwerdeführer über die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand belehrt worden sei.

3. Zwar trifft die dem Beschwerdevorbringen zugrundeliegende - auch im angefochtenen Bescheid vertretene - Ansicht, es sei bei Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages möglich, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu (vgl. auch dazu etwa das hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0748).

Die Beschwerde ist aber dennoch mit ihrem obigen Vorbringen im Ergebnis im Recht. Aus dem vom Beschwerdeführer selbst verfaßten Berufungsvorbringen ergibt sich nämlich, daß am , somit am letzten Tag der Frist, seine Mutter für ihn einen Antrag gestellt habe. Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, daß der Antrag etwa nicht entgegengenommen worden sei. Der Mutter des Beschwerdeführers sei lediglich "gesagt" worden, dieser solle (zur Unterfertigung) selbst "vorbeikommen". Aufgrund dieses Vorbringens wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, Erhebungen darüber zu pflegen, ob der Verlängerungsantrag - entgegen dem Datum der Eingangsstampiglie - tatsächlich bereits am von der Behörde entgegengenommen worden ist. Bei Befassung mit diesem Vorbringen hätte sie zu einem anderen Ergebnis gelangen können. Selbst wenn nämlich der nach dem Berufungsvorbringen am gestellte Antrag nicht die Unterschrift des Beschwerdeführers aufgewiesen hätte, wäre er - bei Entgegennahme durch die Erstbehörde - an diesem Tag gemäß § 13 Abs. 1 AVG "eingebracht" worden. Gemäß § 13 Abs. 4 AVG kann die Behörde bei einem Anbringen, das keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift aufweist, im Falle eines Zweifels darüber, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen. Von dieser Möglichkeit hätte die Erstbehörde nach dem Berufungsvorbringen auch Gebrauch gemacht, indem sie der Mutter des Beschwerdeführers mitteilte, dieser solle persönlich (zur Unterfertigung) erscheinen. Diesem Auftrag wäre der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen auch nachgekommen.

Da sich die belangte Behörde mit der Frage, ob der Antrag tatsächlich bereits am eingebracht wurde jedoch überhaupt nicht auseinandergesetzt hat und sie bei Eingehen auf diese Frage zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.