VwGH vom 16.12.1998, 98/03/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der H-Ges.m.b.H. & Co. KG in K, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Dr. Helmuth Hackl und Mag. Johannes Mühllechner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom , Zl. 242.694/3-II/C/14/97, betreffend Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie (mitbeteiligte Partei: AL in A, vertreten durch Dr. Christian Beurle, Dr. Hans Oberndorfer, Dr. Ludwig Beurle und Dr. Rudolf Mitterlehner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Der Spruch des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (im Devolutionsweg ergangenen) Bescheides lautet wie folgt:
"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr erweitert über Antrag vom gemäß §§ 1, 3 und 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 Kraftfahrliniengesetz 1952, i.d.F. BGB. Nr. 128/93, die dem Verkehrsunternehmen
AL
A
erteilte Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie Hinterweißenbach - Rohrbach (8012) um die Strecke
Hinterweißenbach - B 38 Böhmerwaldstraße - Bad Leonfelden - B 126 Leonfelder Straße - Linz - A 7 Mühlkreis Autobahn - Abfahrt A 7/OMV-Gruppe - Aignerstraße - St. Peter Straße - Chemie/Umkehrschleife - Aignerstraße - VOEST/Einfahrt.
Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. wird diese Konzessionsänderung auf die restliche Dauer der Stammkonzession, das ist bis zum , genehmigt; alle sonstigen Konzessionsbestimmungen bleiben weiterhin unberührt.
Gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. wird folgende
Auflage
vorgeschrieben:
Auf der Strecke Hinterweißenbach - B 38 Böhmerwaldstraße - Bad Leonfelden - B 126 Leonfelder Straße - Linz - A 7 Mühlkreis Autobahn - Abfahrt A 7/OMV-Gruppe - Aignerstraße - St. Peter Straße - Chemie/Umkehrschleife - Aignerstraße - VOEST/Einfahrt besteht Bedienungsverbot.
Gemäß § 7 leg. cit. wird für die Aufnahme des Betriebes auf dem neuen Streckenabschnitt nach Maßgabe der erfolgten Haltestellengenehmigung eine Frist von zwei Wochen festgesetzt.
Für die Konzessionserweiterung wurde gemäß Tarifpost 280 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl. Nr. 24, eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von S 300,-- in Form von Bundesstempelmarken bereits entrichtet."
In der Begründung dieses Bescheides heißt es (u.a.), die Beschwerdeführerin habe sich "unter Bezugnahme auf ihren Werkverkehr auf das Entschiedenste" gegen den Antrag der mitbeteiligte Partei ausgesprochen. Aus der Sicht der Beschwerdeführerin sei der Abweisungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b Kraftfahrliniengesetz 1952 - KflG 1952 erfüllt. Nach Vorlage eines modifizierten Fahrplanes durch die mitbeteiligte Partei sei von den Befragten nochmals auf die bereits vorliegenden negativen Stellungnahmen verwiesen und diese vollinhaltlich aufrechterhalten worden.
Weiters wird darauf hingewiesen, daß die mitbeteiligte Partei den Übergang der Entscheidungspflicht auf die Oberbehörde beantragt habe, nachdem die in § 73 AVG vorgesehene Entscheidungsfrist bereits fruchtlos verstrichen gewesen sei.
Die belangte Behörde vertritt in der Begründung dieses Bescheides schließlich die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin einen Linienverkehr auf der Straße St. Peter am Wbg. - Rohrbach (8025) betreibe. Obwohl der Verkehrsbereich der Kraftfahrlinie 8025 durch das Ansuchen der mitbeteiligten Partei in keiner Weise beeinträchtigt werden könne (und dies von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden sei), sei sie wegen des Berührungspunktes in Rohrbach aus dem "Formalerfordernis" des § 5 Abs. 1 lit. a KflG 1952 zu hören gewesen. Die Beschwerdeführerin gehe jedoch fehl in der Annahme, ihr käme aus dem Titel eines konkurrenzierten Gelegenheitsverkehrs (Werkverkehr) Parteistellung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG 1952 zu.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom , B 255/98-8, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde begründet in der Gegenschrift ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde damit, daß die Beschwerdeführerin aus dem Titel eines Gelegenheitsverkehrsunternehmers keine Parteistellung in einem Verfahren nach dem KflG 1952 habe. Aus dem Titel der bestehenden Kraftfahrlinie 8025 habe die Beschwerdeführerin jedoch "verständlicherweise" keine Einwände erhoben.
Nach § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG 1952 liegt ein der Erteilung der Konzession entgegenstehender Ausschlußgrund insbesondere dann vor, wenn der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmer, in deren Verkehrsbereich die neue Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden geeignet ist.
Nach § 5 Abs. 1 lit. a KflG 1952 sind vor Erteilung der Konzession bei sonstiger Nichtigkeit jene Unternehmungen des öffentlichen Eisenbahnverkehrs und die Kraftfahrlinienunternehmer, in deren Verkehrsbereich die neue Kraftfahrlinie ganz oder teilweise fällt, zu hören.
§ 13 Z. 2 KflG 1952 räumt den im § 5 Abs. 1 lit. a genannten Stellen ein Berufungsrecht ein, wenn die Entscheidung über das Konzessionsansuchen ihrer fristgerechten Stellungnahme widerspricht.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß zwischen der beantragten Konzession und der bestehenden Kraftfahrlinie 8025 der Beschwerdeführerin ein "Berührungspunkt" besteht und insofern die Beschwerdeführerin zu hören war. Aus dem im § 13 Z. 2 KflG 1952 festgelegten Recht eines Konzessionsinhabers, Berufung zu erheben, wenn die Entscheidung über ein Konzessionsansuchen seiner fristgerechten Stellungnahme widerspricht, ist zu schließen, daß der Pflicht der Behörde zur Anhörung nach § 5 Abs. 1 lit. a KflG 1952 ein Parteirecht der betreffenden Konzessionsinhaber auf Anhörung entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/03/0199). Die Rechtsstellung des betroffenen Konzessionsinhabers wird aber auch dadurch berührt, daß von der zuständigen Behörde darüber zu entscheiden ist, ob "die Entscheidung über das Konzessionsansuchen ihrer fristgerechten Stellungnahme widerspricht" (§ 13 Z. 2 KflG 1952). Wenn daher in der Beschwerde eine Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht wird, weil kein Zuständigkeitsübergang nach § 73 Abs. 2 AVG eingetreten sei, so ist schon deshalb die Beschwerdelegitimation zu bejahen. Muß doch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zumindest die Möglichkeit bestehen (aber es genügt eine solche auch), daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. etwa den hg. Beschluß vom , Zl. 96/04/0141). Eine solche Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid - unabhängig von der Frage seiner Rechtmäßigkeit - ist daher entgegen der Meinung der belangten Behörde gegeben.
Die nach dem Vorgesagten zulässige Beschwerde ist aber nicht begründet:
Die Beschwerdeführerin macht eine Unzuständigkeit der belangten Behörde damit geltend, es wäre "kein Zuständigkeitsübergang an die Oberbehörde gesetzlich möglich gewesen", weil die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Unterbehörde zurückzuführen sei. Die belangte Behörde habe sich "in keinster Weise" damit auseinandergesetzt, ob tatsächlich ein Verschulden der Unterinstanz hinsichtlich der Verzögerung über den objektiven Zeitraum von sechs Monaten hinaus vorliege.
Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Die Oberbehörde ist dann, wenn die Verzögerung der Bescheiderlassung durch die Unterbehörde nicht ausschließlich auf deren Verschulden zurückzuführen ist (§ 73 Abs. 2 dritter Satz AVG), verpflichtet, das bei ihr gestellte Verlangen auf Entscheidung abzuweisen, und zwar in jeder Lage des Verfahrens, widrigenfalls sie ihre Entscheidung in der Sache als funktionell unzuständige Behörde träfe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/07/0035).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verzögerung im Sinne des § 73 Abs. 2 dritter Satz AVG dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0078). Wenn nun die Beschwerdeführerin meint, ein ausschließliches Verschulden der Unterbehörde liege nicht vor, weil die Unterbehörde "sehr wohl Ermittlungen durchgeführt" habe, so verkennt sie, daß aus dem bloßen Umstand der Durchführung von Ermittlungsschritten nicht bereits das ausschließliche Verschulden einer Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 dritter Satz AVG ausgeschlossen ist. Selbst unter der Annahme, daß für die Entscheidung ein längerdauerndes Ermittlungsverfahren erforderlich war, zählt ein solcher Umstand zu den dem Einflußbereich der Behörde entzogenen Hindernissen nur dann, wenn die Behörde das Verfahren durchgehend zügig betreibt und nicht etwa grundlos zuwartet oder überflüssige (nicht die konkrete Verwaltungssache betreffende) Verfahrenshandlungen setzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0144). Daß die Behörde dieser Pflicht nachgekommen wäre, wird nicht einmal andeutungsweise behauptet (und ist auch nicht nach der Aktenlage evident). Damit hat es die Beschwerdeführerin aber unterlassen, die Wesentlichkeit des geltend gemachten Begründungsmangels darzutun.
Das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen geht aber dahin, daß die Beschwerdeführerin in der Führung ihrer Gelegenheitsverkehrslinie in der Weise entscheidend beeinträchtigt werde, weil die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die von ihr beantragte Kraftfahrlinienkonzession bewilligt habe, obwohl gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG 1952 ein Versagungsgrund wegen der Gefährdung der Beschwerdeführerin in der Führung ihres Verkehrsunternehmens gegeben sei. Dabei macht sie geltend, sie sei "in ihrem Recht auf Zuerkennung der Parteistellung insbesondere nach dem Kraftfahrliniengesetz 1952 in der geltenden Fassung in Verbindung mit dem geltenden Leistungsvertrag des
O.ö. Verkehrsverbundes als Vertragspartei verletzt".
Die Beschwerdeführerin ist nicht im Recht, wenn sie sich - hinsichtlich ihrer Gelegenheitsverkehrslinie - auf den Schutz des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG 1952 beruft.
Die Erläuternden Bemerkungen zur - das nachmalige KflG 1952 betreffenden - Regierungsvorlage (522 BlgNR, 6. GP) besagen zu § 4:
"§ 4 bestimmt die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung. Hiebei soll dem Inhaber einer bereits bestehenden Kraftfahrlinie ein besonderer Schutz gewährt werden (Abs. 1 Z. 5 lit. b und c, Abs. 4)."
Daraus ist unschwer zu erkennen, daß der Gesetzgeber nur den Schutz bereits bestehender Kraftfahrlinien - nach dem Kraftfahrliniengesetz - im Auge hatte. Das findet im Gesetzestext insofern seinen Niederschlag, als in § 5 Abs. 1 lit. a KflG 1952 bei der Ausgestaltung der Parteirechte bestehender Unternehmungen von "Kraftfahrlinienunternehmer(n), in deren Verkehrsbereich die neue Kraftfahrlinie ganz oder teilweise fällt," die Rede ist. Daß mit dem Begriff "Kraftfahrlinienunternehmer" nur solche nach dem KflG 1952 gemeint sein können, kommt schon darin zum Ausdruck, daß nach § 14 KflG 1952 die Aufsicht über die "Kraftfahrlinienunternehmungen" der Konzessionsbehörde (also jener Behörde, die die Konzession nach dem KflG 1952 erteilt) zukommt.
Kommt aber der Schutz des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG 1952 nur Verkehrsunternehmern nach dem KflG 1952 zu, so wird dieser gesetzlich fixierte Schutzbereich nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag erweitert. Die umfangreichen Beschwerdeausführungen zum Leistungsvertrag des
O.ö. Verkehrsverbundes gehen daher schon deshalb ins Leere.
Im Einklang mit den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Beschluß vom bestehen auch beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken, die Differenzierung zwischen den in Rede stehenden Gewerbearten wäre sachlich nicht gerechtfertigt (hinsichtlich der Zulässigkeit des besonderen Schutzes bestehender Kraftfahrlinienkonzessionen
vgl. VfSlg. 12.236/1989).
Aus den dargelegten Erwägungen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am