VwGH vom 23.05.1990, 89/13/0278
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1990, 421;
Betreff
S gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-1578/6/89, betreffend Lohnsteuer für 1988
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Arbeitnehmer, hatte im März 1984 einen Pkw erworben, den er auch für berufliche Fahrten verwendete. Im März 1988 trat an dem Pkw bei einem Verkehrsunfall ein Schaden in einem Ausmaß ein, daß eine Reparatur unrentabel erschien. Der Beschwerdeführer machte den Schaden als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Werbungskosten bescheidmäßig mit der Begründung ab, der Schaden wäre auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingetreten.
Dem widersprach der Beschwerdeführer mit Berufung. Dieser Berufung gab das Finanzamt mit einer Berufungsvorentscheidung teilweise statt. Es ging nunmehr davon aus, daß der Verkehrsunfall auf einer beruflich veranlaßten Fahrt eingetreten wäre und dem Schaden daher in Form von Werbungskosten Rechnung getragen werden könne. Den "Schadenswert" ermittelte das Finanzamt auf folgende Weise:
Neuwert S 145.000,--
- AfA 1984 S 20.715,--
- AfA 1985-1987 S 62.145,--
- 1/2 AfA 1988 S 10.358,--
Restbuchwert S 51.782,--
- Verkaufserlös S 34.000,--
- Versicherungsersatz S 5.741,--
Wert des eingetretenen Schadens S 12.041,--
davon dienstlich (41,82 %) S 5.036,--.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte der Beschwerdeführer die auf Grund des Verkehrsunfalles zu berücksichtigenden Werbungskosten wie folgt dar:
Eurotaxwert (Wiederbeschaffungswert) S 85.000,--
- Wrackerlös - S 34.000,--
- Versicherungsentschädigung - S 5.741,--
Werbungskosten S 45.259,--.
Der Ermittlung des "Schadenswertes" durch das Finanzamt hielt der Beschwerdeführer entgegen, daß der Schaden auf einer Dienstfahrt eingetreten und daher kein Privatanteil auszuscheiden wäre. Weiters vertrat er die Auffassung, daß der Restwert des Pkw nicht nach steuerlichen, sondern nach wirtschaftlichen Abschreibungskriterien zu ermitteln sei, was nach der Berechnungsmethode des Finanzamtes folgenden Schaden ergebe:
Anschaffungskosten S 145.000,--
Anschaffungszeitpunkt Ende März 1984
wirtschaftliche Nutzungsdauer 7 Jahre
Unfallzeitpunkt
Abschreibungsdauer vier Jahre (48 Monate)
Ermittlung der Schadenshöhe:
Anschaffungskosten S 145.000,--
Abschreibung - S 82.857,--
Restwert zum Unfallzeitpunkt S 62.143,--
- Verkaufserlös - S 34.000,--
- Versicherungsvergütung - S 5.741,--
Schaden S 22.402,--.
Dieser Betrag sei ohne Berücksichtigung eines Privatanteiles als Werbungskosten anzusetzen.
Mit Berufungsentscheidung vom , Zl. GA 5-2094/2/88, wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zwar spruchmäßig ab, brachte in der Bescheidbegründung aber zum Ausdruck, daß der Berufung nach Maßgabe der Berufungsvorentscheidung Folge zu geben wäre.
Im Hinbick auf diesen Widerspruch hob der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung vom mit seinem Erkenntnis vom , Zl. 88/13/0245, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers auch im Spruch im Sinne der Berufungsvorentscheidung Folge.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Der Beschwerdeführer hält, von der im folgenden Punkt 1 behandelten Rüge abgesehen, im wesentlichen seinen schon im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingenommenen Standpunkt aufrecht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, der angefochtene Bescheid habe über die Werbungskosten des Jahres 1988 entschieden, zugleich aber ausgesprochen, der monatliche Freibetrag für das Jahr 1987 werde mit S 4.499,-- festgesetzt.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht jedoch unmißverständlich hervor, daß es sich bei der Anführung des Jahres 1987 lediglich um einen Schreibfehler handelt. Wurde doch nach dieser Begründung die Berechnung des Freibetrages bereits in der Berufungsvorentscheidung vom dargelegt, wobei die Berufungsvorentscheidung vom ausschließlich das Jahr 1988 betraf. Abgesehen davon hat die belangte Behörde inzwischen den Schreibfehler mit Bescheid vom , Zl. GA 5-1611/7/90, gemäß § 293 BAO berichtigt.
2. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist dem Grunde nach unbestritten, daß der Schaden am gegenständlichen Pkw als beruflich veranlaßt anzusehen und ihm in Form von Werbungskosten Rechnung zu tragen ist. Streit besteht lediglich über die Höhe der Werbungskosten, und auch nur darüber,
a) ob der Berechnung der Werbungskosten der "Eurotaxwert" zugrunde zu legen ist, oder
b) ob die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach steuerlichen oder nach "wirtschaftlichen" Grundsätzen - mit 4 Jahren entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer statt mit 4,5 Jahren gemäß Steurrecht - zu ermitteln ist, wenn bei der Berechnung der Werbungskosten nicht vom "Eurotaxwert", sondern von den Anschaffungskosten des Pkw auszugehen sein sollte,
c) in beiden Fällen (a und b), ob die Werbungskosten (im Hinblick auf die frühere Privatnutzung des Pkw) um einen Privatanteil zu kürzen sind.
Aus den vorstehenden drei Fragestellungen ergeben sich auch die Beschwerdepunkte, die auszuführen der Beschwerdeführer entgegen der Anordnung des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG unterließ.
Für die Lösung der Streitfragen sind folgende gesetzliche Vorschriften maßgebend:
Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1972 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.
§ 16 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. zufolge sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (z.B. Werkzeug und Berufskleidung).
Nach dem ersten Satz des § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 sind Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§ 7).
Gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1972 ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung), wobei sich die Absetzung nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes bemißt. Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ist bei den mehr als sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgütern der gesamte auf ein Jahr entfallende Betrag abzusetzen, während bei Wirtschaftsgütern, die später angeschafft oder hergestellt werden, die Hälfte dieses Betrages abzusetzen ist. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind zulässig.
Dieser Rechtslage entspricht folgende Beurteilung des Beschwerdefalles:
Der Pkw stellt ein Arbeitsmittel dar, dessen Verwendung sich auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt. Seiner durch berufliche Verwendung bedingten "Abnutzung" war nach Maßgabe dieser beruflichen Verwendung - allenfalls im Wege des die AfA pauschal mitberücksichtigenden Kilometergeldes - gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 im Wege der AfA Rechnung zu tragen. Führte die berufliche Verwendung - infolge "Totalschadens" - zu einer vollständigen und damit außergewöhnlichen "Abnutzung" des Pkw, dann war diese Abnutzung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG 1972 durch eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung zu berücksichtigen (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 180/73, und vom , Zl. 82/14/0297, sowie Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 7 EStG 1972 Tz 14, § 16 Abs. 1 EStG 1972 allgemein Tz 7 Schlagwort "Absetzung für Abnutzung", § 16 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 Tz 2 sowie § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 Tz 1 und 8, weiters
Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Seite 210 und Seiten 352 ff, wie auch Sailer-Kranzl-Mertens-Bernold, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 1986, Seite 175).
Die Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1972 kann aber nur mit dem Betrag erfolgen, der sich auf Grund dieser Gesetzesstelle ("als Restwert") ergibt. Es ist dies (im Beschwerdefall) der aus den Anschaffungskosten nach den Grundsätzen des § 7 Abs. 1 EStG 1972 einschließlich der sogenannten "Halbjahres-AfA" ermittelte Betrag, wobei bei dieser Ermittlung die "gewöhnliche" AfA in voller Höhe (und nicht nur mit dem betrieblichen Anteil) anzusetzen ist; die private Verwendung des Pkw hatte lediglich bei der Prüfung der Frage nach der steuerlichen Absetzbarkeit der gewöhnlichen AfA Berücksichtigung zu finden, und zwar entweder durch Ausscheiden eines Privatanteiles aus dem gesamten AfA-Jahres-(Halbjahres-)betrag oder in der Weise, daß nur bei beruflicher Verwendung (allenfalls im Wege des Kilometergeldes) die aliquote (gewöhnliche) AfA zum Zug kommt. Das bedeutet, daß der Standpunkt der belangten Behörde, der gegenständliche Pkw-Schaden, der für den Beschwerdeführer zur Unbenützbarkeit des Kraftfahrzeuges führte, wäre mit dem nach § 7 Abs. 1 EStG 1972 (also auch unter Ansatz der "Halbjahres-AfA") ermittelten "Restbuchwert" als Werbungskosten zu berücksichtigen, dem Gesetz entspricht.
Hingegen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß aus der Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung (dem "Restbuchwert") ein Privatanteil auszuscheiden wäre. Vielmehr ist auf den Anlaß der Fahrt, auf der der Schaden entstand, abzustellen. Erfolgte die Fahrt aus einem "privaten" Anlaß, könnte die außergewöhnliche technische Abnutzung überhaupt nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Ereignete sich der Verkehrsunfall aber unbestrittenermaßen auf einer beruflich veranlaßten Fahrt, so ist auch die außergewöhnliche technische Abnutzung insgesamt beruflich veranlaßt und um keinen Privatanteil zu mindern (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, aaO, Seiten 210 und 353). Da dies die belangte Behörde verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.