VwGH vom 08.09.1998, 98/03/0036
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
98/03/0212
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden des I G in H, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0702/96/K1, und vom , Zl. 1-0720/96/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom (hg. Zl. 98/02/0036) wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom
(hg. Zl. 98/03/0212) wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug folgender Tat schuldig erkannt:
"Sie haben sich am um ca. 09.25 Uhr beim Zollamt Lustenau/Au als Lenker des LKW's mit dem Kennzeichen B-12 IKE, mit welchem der Anhänger mit dem Kennzeichen B-1454 C gezogen wurde, zur Ausreise in die Schweiz gestellt, ohne ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von ÖKO-Punkten für die betreffende Fahrt mitzuführen, obwohl dies notwendig gewesen wäre, da Sie mit diesem LKW eine Transitfahrt durch Österreich vorgenommen haben. Sie sind nämlich am zwischen 18.00 Uhr und 18.30 Uhr beim Autobahnzollamt Hörbranz - aus Deutschland kommend - nach Österreich eingereist und haben die gegenständlichen Fahrzeuge über Nacht bei der Firma B-GmbH & Co in Höchst abgestellt."
Dadurch habe er (laut dem von der belangten Behörde insoweit unverändert übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnis) § 23 Abs. 1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 übertreten; gemäß § 23 Abs. 1 und 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 "+ § 5/1 d. VO ( EG) 3298/94" wurde eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.
Mit Beschluß vom , B 4966/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit Verfügung vom (abgefertigt am ) leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren über die Beschwerde ein und setzte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 VwGG eine Frist von acht Wochen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom (dem Beschwerdeführer zugestellt am ) änderte die belangte Behörde ihren Bescheid vom gemäß § 52a Abs. 1 VStG insoweit ab,
"als im Spruch zusätzlich bestimmt wird: Im erstinstanzlichen Straferkenntnis hat die Übertretungsnorm zu lauten: '§ 23 Abs. 1 Z. 7 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 in Verbindung mit Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992'. Die Strafnorm hat zu lauten: '§ 23 Abs. 1 und Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995".
Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Bescheid vom :
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 97/03/0258, 98/03/0051) wird ein letztinstanzlicher Bescheid durch einen gemäß § 52a Abs. 1 VStG erlassenen Abänderungsbescheid aus dem Rechtsbestand ausgeschieden und durch letzteren Bescheid ersetzt. Dies gilt auch dann, wenn dieser Bescheid den ursprünglichen Bescheid spruchgemäß nur zum Teil abändert und im übrigen dessen Inhalt rezipiert.
Eine derartige Konstellation liegt auch im Beschwerdefall vor. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den Bescheid vom im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid vom klaglos gestellt, weshalb das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG nach seiner Anhörung einzustellen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 56 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem zuerkannten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand der gesamte Schriftsatzaufwand einschließlich der Umsatzsteuer abgegolten wird.
2. Bescheid vom :
Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Voraussetzung des § 52a Abs. 1 VStG, wonach ein rechtskräftiger erstinstanzlicher Bescheid bzw. ein rechtskräftiges Erkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates nur aufgehoben oder abgeändert werden könne, wenn durch ihn zum Nachteil des Bestraften das Gesetz verletzt worden sei, im Beschwerdefall nicht erfüllt. Die ursprünglich unrichtige Bezeichnung der "Übertretungs- und Strafnorm" sei vielmehr in seinem Vorteil gelegen, weil er diesen Verstoß in der Beschwerde gegen den Bescheid vom geltend gemacht habe, was zur Aufhebung dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hätte führen müssen.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, daß im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/18/0030); gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z. 3 VStG. Die Anführung von unrichtigen Bestimmungen im Sinne des § 44a Z. 2 und 3 VStG stellt daher eine offenkundige Verletzung des Gesetzes zum Nachteil des Bestraften dar. Ob der Bestrafte diesen Verstoß in einer gegen den Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde geltend gemacht hat, ist unerheblich, weil der ursprüngliche Bescheid - wie oben ausgeführt - durch den gemäß § 52a Abs. 1 VStG erlassenen Abänderungsbescheid aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, was zur Einstellung des Verwaltungsverfahrens wegen Klaglosstellung führt. Ein Nachteil für den Beschwerdeführer ist damit nicht verbunden, bleibt ihm doch die Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung gegen den neuen Bescheid gewahrt. In dieser Beschwerde kann er (auch) alle Gründe, die er in seiner Beschwerde gegen den früheren Bescheid vorgebracht hatte, denen die belangte Behörde aber bei Erlassung der Entscheidung nach § 52a Abs. 1 VStG nicht Rechnung getragen hat, vorbringen (vgl. den hg. Beschluß vom , Zl. 98/03/0045).
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er einwendet, eine Änderung der "Übertretungs- und Strafnorm" sei schon aus Gründen der Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich. Diesbezüglich genügt es, auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0399) zu verweisen, wonach die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zulässig ist.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, daß die Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 durch die EG-Verordnung Nr. 3298/94 außer Kraft gesetzt worden sei. Sie finde auf den gegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung mehr, sodaß dem Beschwerdeführer auch kein Verstoß gegen Art. 3 Z. 1 Abs. 1 dieser Verwaltungsvereinbarung zur Last gelegt werden könne. Auch damit ist er nicht im Recht:
In der Präambel der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom über verfahrenstechnische Einzelheiten im Zusammenhang mit dem System von Transitrechten (Ökopunkten) für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, begründet durch
Artikel 11 des Protokolls Nr. 9 zur Akte über den Beitritt Norwegens, Österreichs, Finnlands und Schwedens, heißt es unter anderem:
"Das obengenannte Protokoll enthält eine spezielle Regelung für den Transit von Lastkraftwagen durch österreichisches Hoheitsgebiet gestützt auf ein System von Transitrechten (Ökopunkten); dieses System ersetzt ab dem Zeitpunkt des Beitritts das System zur Verteilung von Ökopunkten gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3637/92 des Rates.
Die Kommission muß detaillierte Durchführungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Verfahren des Ökopunktesystems und der Zuteilung der Ökopunkte erlassen.
Gemäß Artikel 11 Absatz 6 zweiter Unterabsatz von Protokoll Nr. 9 soll durch derartige Maßnahmen sichergestellt werden, daß die tatsächliche Situation für die derzeitigen Mitgliedstaaten beibehalten wird, die sich aus der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 3637/92 und der am unterzeichneten Verwaltungsvereinbarung ergibt, in denen der Zeitpunkt des Inkrafttretens und die Verfahren für die Einführung des im Transitabkommen genannten Ökopunktesystems festgelegt werden."
Art. 1 Z. 1 Abs. 1 und Art. 5 Z. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vor der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission vom ) lauten:
"Artikel 1
(1) Der Fahrer eines Lastkraftwagens hat für jede Transitfahrt ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitzuführen und den zuständigen Behörden auf Verlagen vorzuweisen; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten.
Artikel 5
(1) Zuwiderhandlungen eines Lastkraftwagenfahrers oder eines Unternehmens gegen das Protokoll Nr. 9 oder diese Verordnung sind nach den jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften zu ahnden. Bei wiederholten Zuwiderhandlungen gilt Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates."
Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der gemäß Art. 24 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, BGBl. Nr. 823/92, (Transitvertrag) abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 sieht vor, daß der Lenker eines Lastkraftwagens für jede Transitfahrt ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt gemäß Anhang A der gegenständlichen Vereinbarung (genannt Ökokarte) mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen hat.
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch BGBl. I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu ahnden ist, wer Ge- und Verbote aufgrund von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat die Geldstrafe bei derartigen Verwaltungsübertretungen mindestens S 20.000,-- zu betragen.
Vergleicht man Art. 1 Z. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 und Art. 3 Z. 1 erster Absatz der Verwaltungsvereinbarung, so ergibt sich, daß der normative Gehalt dieser Bestimmungen hinsichtlich des Gebotes zum Mitführen der Ökokarte ident ist. Ein Verstoß gegen Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung ist gemäß § 23 Abs. 1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz (in der Fassung vor der Novellierung durch BGBl. I Nr. 17/1998) strafbar; ein Verstoß gegen Art. 1 Z. 1 erster Absatz der angeführten Verordnung kann jedoch nicht nach der genannten Bestimmung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 geahndet werden, weil die Verordnung nicht dem Begriff eines Abkommens mit Staatengemeinschaften subsumiert werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0189). Da Art. 5 Z. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 die Ahndung von Zuwiderhandlungen eines Lastwagenfahrers oder eines Unternehmers gegen das Protokoll Nr. 9 oder diese Verordnung nach den jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften postuliert, würde es dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufen, wenn derartige Verstöße keiner Sanktion unterlägen. Es kann daher aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes nicht angenommen werden, daß die - im Sinne des Gemeinschaftsrechtes im nunmehrigen Mitgliedstaat Österreich bereits sanktionsbewehrte - Norm des Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung durch die - inhaltlich idente, jedoch sanktionslose - Bestimmung des Art. 1 Z. 1 erster Absatz der angeführten Verordnung im Anwendungsbereich des § 44a Z. 2 VStG als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift in ihrer Geltung verdrängt wird. Dazu kommt, daß die wesentlichen Regelungen des Transitvertrages mit dem den EU-Beitrittsakten beigefügten Protokoll Nr. 9 übernommen wurden, wobei nach den Übergangsbestimmungen des Art. 11 Abs. 2 die durch den Transitvertrag samt Verwaltungsvereinbarung eingeführte Ökopunkteregelung zunächst während einer Übergangsfrist von drei Jahren weitergeführt werden darf (vgl. Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht2, 234; hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/03/0385). Die angeführte Bestimmung der Verwaltungsvereinbarung wurde somit insoweit durch das Protokoll Nr. 9, welches primärrechtlichen Rang hat, jedenfalls für diesen Zeitraum rezipiert.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher zu keinem Abgehen von seiner bisherigen Rechtsprechung veranlaßt, wonach mit dem Nichtmitführen einer Ökokarte mit gültigen Ökopunkten für eine Transitfahrt - wie es dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegt wurde, für den Zeitraum bis gegen Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung verstoßen wird (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0189).
Auf dem Boden dieser Rechtslage wurde auch die Strafnorm im angefochtenen Bescheid rechtsrichtig bezeichnet.
Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gegen den Bescheid vom gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am