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VwGH vom 23.11.2001, 98/02/0435

VwGH vom 23.11.2001, 98/02/0435

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/S/05/00029/97, betreffend Übertretung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften (mitbeteiligte Partei: HS in Wien, vertreten durch Dr. Martin Prunbauer, Dr. Wolfram Themmer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien I, Biberstraße 15) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG einer als Arbeitgeberin fungierenden und näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, dass in einer näher genannten Betriebsanlage im

10. Bezirk, wie anlässlich einer Überprüfung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk am festgestellt worden sei, § 34 Abs. 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983, in Verbindung mit § 109 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 459/1994 (ASchG), wonach Quetsch- und Scherstellen an Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen und Betriebsmitteln durch Schutzvorrichtungen oder Schutzmaßnahmen anderer Art wie Sicherungen mit Annäherungsreaktion oder Begrenzung der wirksamen Energie, gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert sein müssen, insofern nicht eingehalten worden sei, als am bei einem Kettenförderband bei einer Verpackungsmaschine in der Konditoreiabteilung eine Scherstelle zwischen dem Kettenförderband und einem Übergangsblech im Bereich der Umlenkung nicht gegen Gefahr bringende Berührung gesichert gewesen sei. Das Kettenförderband, Breite ca. 72 cm, mit einer Öffnungsweite eines Kettengliedes von ca. 30 x 22 mm habe im Bereich der Umlenkung ein ca. 1 mm starkes und starres Übergabeblech besessen, womit zwischen dem Kettenband und der Kante des Übergabebleches eine Scherstelle vorhanden gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 34 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung in Verbindung mit § 109 Abs. 2 ASchG und § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Es wurde daher über ihn gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis vom behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt. In der Begründung dieses Bescheides wird u. a. ausgeführt, es sei auf Grund des Vorbringens des Mitbeteiligten und des Arbeitsinspektorates davon auszugehen, dass sich im gegenständlichen Betrieb mehrere Verpackungsmaschinen befänden, wobei lediglich bei einer - nämlich der beanstandeten - Maschine die Sicherung gegen Gefahr bringende Berührung nicht vorhanden gewesen sei. Es wäre nach Ansicht der belangten Behörde notwendig gewesen, das Kettenförderband, bei dem die entsprechende Sicherung gefehlt habe, so genau zu umschreiben, dass der Mitbeteiligte davor bewahrt werde, wegen derselben Übertretung erneut bestraft zu werden. Die Erklärung des Arbeitsinspektorates, dass das gegenständliche Kettenförderband auf Grund des Unfalls leicht zuordenbar sei, möge zwar zutreffen, ein Konnex zwischen dem Unfall und dem im Straferkenntnis angeführten Kettenförderband oder eine sonstige nähere Bezeichnung des gegenständlichen Kettenförderbandes sei jedoch in keiner Verfolgungshandlung erfolgt, sodass eine ausreichende Konkretisierung des Spruches durch die belangte Behörde nicht mehr erfolgen habe können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Bundesminister verweist unter Bezugnahme auf die mit Schreiben des Strafbehörde erster Instanz vom erfolgte Aufforderung zur Rechtfertigung darauf, dass in dieser Aufforderung insbesondere auf einen konkreten Arbeitsunfall eines Mitarbeiters des vom Mitbeteiligten geleiteten Unternehmens am verwiesen werde, weshalb die Feststellung der belangten Behörde, in der Verfolgungshandlung sei kein Konnex zwischen dem Unfall und dem im Straferkenntnis angeführten Kettenförderband hergestellt worden, aktenwidrig sei. Es sei dieser Aufforderung eindeutig zu entnehmen, auf welches von mehreren Kettenförderbändern - nämlich jenes, an dem sich am ein Arbeitsunfall ereignet habe - sich der Tatvorwurf beziehe, sodass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des konkreten Falles individualisiert worden sei und dadurch die Identität der Tat nach Ort und Zeit unverwechselbar feststehe. Somit sei in dieser Verfolgungshandlung dem Beschuldigten (= Mitbeteiligten) die Tat in hinreichend konkretisierter, ihn in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigender Umschreibung zur Last gelegt worden, sodass er in die Lage versetzt worden sei, auf den Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Dementsprechend würden auch die Vorbringen des Beschuldigten im Verfahren erster Instanz sowie in den Berufungsausführungen erkennen lassen, dass ihm völlig klar gewesen sei, welches konkrete Verhalten ihm angelastet werde. Die Auffassung der belangten Behörde, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, sei daher unzutreffend, weil die Aufforderung zur Rechtfertigung allen Erfordernissen einer die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung gerecht werde. Die Verfügung der Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG sei daher zu Recht erfolgt.

Mit diesem Vorbringen zeigt der beschwerdeführende Bundesminister zutreffend die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ungeachtet der Frage, ob die Beschreibung der in Rede stehenden Maschine unter dem Blickwinkel des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers in dieser Form überhaupt erforderlich war, wurde durch Aufnahme eines entsprechenden Hinweises auf den am erfolgten Arbeitsunfall in die Aufforderung zur Rechtfertigung vom durch die Strafbehörde erster Instanz - entgegen der vom Mitbeteiligten in der Gegenschrift vertretenen Rechtsauffassung - das verfahrensgegenständliche Kettenförderband hinreichend konkret umschrieben, sodass jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Verfolgungsverjährung eine entsprechende Verfolgungshandlung gegenüber dem Mitbeteiligten erfolgt ist. Wenngleich der Mitbeteiligte in seiner Berufung eine mangelnde Konkretisierung des Tatvorwurfes durch den Spruch der erstinstanzlichen Straferkenntnisses unter Hinweis auf mehrere in der von ihm genannten Betriebseinheit aufgestellten Verpackungsmaschinen rügte, wird damit - entgegen den Ausführungen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift - keine mangelnde Konkretisierung der Tat durch die zuvor erfolgte Aufforderung zur Rechtfertigung aufgezeigt, zumal der Mitbeteiligte selbst in seiner Rechtfertigung vom auf die gegenständliche Maschine, an der sich der vorgenannte Arbeitsunfall ereignete, unter Hinweis auf ein konkretes Anbot eines näher genannten Unternehmens detailliert eingegangen ist. Es trifft daher auch nicht zu - wie der Mitbeteiligte nunmehr in der erstatteten Gegenschrift behauptet -, es könne bei ihm (als Beschuldigten) "überhaupt nicht vorausgesetzt werden", dass er wisse, an welchem Ort der Unfall geschehen sei.

Die gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG verfügte Einstellung des Strafverfahrens erfolgte daher zu Unrecht, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am