VwGH 18.05.1995, 95/18/0439
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | 11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2; 21964A1229(01) AssAbk Türkei ; ARB1/80 Art6; ARB1/80 Art7; AufG 1992 §5 Abs1; AufG 1992 §6 Abs2; B-VG Art129; FrG 1993 §10 Abs1 Z6; VwGG §41 Abs1; VwRallg; |
RS 1 | Im konkreten Fall macht der Fremde, ein türkischer Staatsangehöriger, geltend, daß der Bescheid, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufenthaltsG 1992 gemäß § 5 Abs 1 AufenthaltsG 1992 iVm § 10 Abs 1 Z 6 FrG 1993 iVm § 6 Abs 2 AufenthaltsG 1992 abgewiesen wurde, rechtswidrig sei, da er "nunmehr eindeutig europarechtswidrig" sei. Er begründet dies damit, daß die Versagung der Aufenthaltsbewilligung zwar vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wirksam geworden sei, sie also noch auf einer früher geltenden Rechtslage beruhe, allerdings bestehe "nicht der geringste Zweifel, daß nach EG-R (wie auch nach der Rsp des EGMR) die Tatsachenlage und Rechtslage zum Zeitpunkt der höchstgerichtlichen Entscheidung, hier also der Entscheidung des VwGH, und nicht die Tatsachenlage und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Letztbescheides maßgeblich ist". Die allenfalls andere Rechtslage zum Zeitpunkt der Abweisung des Antrages des Fremden auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung könne also für ihn nicht mehr maßgeblich sein, weil er nunmehr ein Aufenthaltsrecht nach dem für Österreich am in Kraft getretenen "Europäisch-Türkischen Assoziations-Abkommen iVm den Artikeln 6 und 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr 1/80" geltend machen könne. Diesem Vorbringen vermag der VwGH nicht beizupflichten. Vielmehr hält er an seiner Auffassung fest, daß er - seiner Kontrollfunktion entsprechend - die Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sachlage und Rechtslage zu beurteilen hat. Auch aus dem EU-Beitrittsvertrag läßt sich nichts anderes ableiten. Da demnach Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des bekämpften Bescheides vom VwGH bei seiner Entscheidung nicht zu berücksichtigen sind, haben das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom und der Beschluß Nr 1/80 des durch das Abkommen geschaffenen Assoziierungsrates vom - unbeschadet der Frage, ob diese für Österreich mit unmittelbar wirksam geworden sind - im Beschwerdefall als Prüfungsmaßstab außer Betracht zu bleiben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Z in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 102.224/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom (erlassen am ) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes
(BGBl. Nr. 466/1992) iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG iVm § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit einem von der Österreichischen Botschaft Ankara ausgestellten Touristensichtvermerk (Gültigkeitsdauer vom bis ) in das Bundesgebiet eingereist. Am habe sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Dieser Antrag sei - aus der Aktenlage ergebe sich kein Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführerin, die nach wie vor bei ihrem Gatten in H wohne, Österreich in der Zwischenzeit verlassen habe - zeitlich im Anschluß an den vorgenannten Touristensichtvermerk gestellt worden, sodaß der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht und daher der Aufenthaltsbewilligungs-Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AufG abzuweisen gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluß vom ,
B 2157/94-5, ablehnte und sie in der Folge antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abtrat (Beschluß vom , B 2157/94-8).
In ihrer dem Verwaltungsgerichtshof gegenüber erstatteten Beschwerdeergänzung vom macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Soweit die Beschwerdeführerin meint, der Verwaltungsgerichtshof habe das an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerdevorbringen zu behandeln, weil der zuletzt genannte Gerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß ausgesprochen habe, "daß das Beschwerdevorbringen (auch) in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes falle", verkennt sie die Rechtslage. Zur näheren Begründung wird hiezu im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0932, verwiesen.
2. In der Beschwerde bleiben der im angefochtenen Bescheid als maßgeblich festgestellte Sachverhalt und der daraus von der belangten Behörde gezogene Schluß auf die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 (erster Fall) FrG unbekämpft. Auf dem Boden dieser Sach- und Rechtslage stößt die Ansicht der belangten Behörde, daß die beantragte Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu versagen gewesen sei, auf keine Bedenken.
3. Zur Entkräftung der Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde wäre zur Vornahme einer "Güterabwägung nach § 19 Fremdengesetz" verpflichtet gewesen, wird auf die - in Einklang mit der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes stehende - ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, derzufolge bei Anwendung des (zwingenden) Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden nicht in Betracht kommt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 93/18/0408, vom , Zl. 93/18/0259, vom , Zl. 93/18/0231, vom , Zl. 94/18/0931, vom , Zl. 95/18/0048, und vom , Zl. 95/18/0181).
4.1. In der Beschwerde wird schließlich geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei "nunmehr auch eindeutig europarechtswidrig". Die Versagung der Aufenthaltsbewilligung sei zwar vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wirksam geworden, beruhe also noch auf einer früher geltenden Rechtslage; allerdings bestehe "nicht der geringste Zweifel, daß nach Europarecht (wie im übrigen auch nach der Straßburger Menschenrechtsprechung) die Tatsachen- und Rechtslage zum Zeitpunkt der höchstgerichtlichen Entscheidung, hier also der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, und nicht die Tatsachen- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Letztbescheides maßgeblich ist". Die allenfalls andere Rechtslage zum Zeitpunkt der Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung könne also für sie nicht mehr maßgeblich sein, weil sie nunmehr ein Aufenthaltsrecht nach dem für Österreich am in Kraft getretenen "Europäisch-Türkischen Assoziations-Abkommen in Verbindung mit den Artikeln 6 und 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80" geltend machen könne.
4.2. Diesem Vorbringen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Vielmehr hält er an der in seiner Rechtsprechung und im Schrifttum übereinstimmend vertretenen Auffassung fest, daß er - seiner Kontrollfunktion entsprechend - die Rechtmäßigkeit bzw Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 7227/A, und die weiteren einschlägigen, bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 559 f, zitierten Entscheidungen; Ringhofer, Der Verwaltungsgerichtshof, Graz-Wien-Köln 1955, S. 216; Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Linz 1983, S. 142; Dolp, a.a.O, S. 53; Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht7, Wien 1992, Rz 1020). Auch aus dem EU-Beitrittsvertrag läßt sich nichts anderes ableiten. Da demnach Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des bekämpften Bescheides vom Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung nicht zu berücksichtigen sind, haben das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom und der Beschluß Nr. 1/80 des durch das Abkommen geschaffenen Assoziierungsrates vom - unbeschadet der Frage, ob diese für Österreich mit unmittelbar wirksam geworden sind - im Beschwerdefall als Prüfungsmaßstab außer Betracht zu bleiben.
5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
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Normen | 11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2; 21964A1229(01) AssAbk Türkei ; ARB1/80 Art6; ARB1/80 Art7; AufG 1992 §5 Abs1; AufG 1992 §6 Abs2; B-VG Art129; FrG 1993 §10 Abs1 Z6; VwGG §41 Abs1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1995:1995180439.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAE-42474