VwGH vom 20.12.1996, 93/02/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-220423/4/Schi/Shn, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als gemäß S 9 VStG zur Vertretung einer näher bezeichneten Gesellschaft nach außen Berufener zu verantworten, daß auf einer von dieser Firma betriebenen Baustelle am zwei Arbeitnehmer auf einem in vier Meter Höhe befindlichen Gerüstbelag eines fahrbaren Gerüstes mit dem Verschweißen der Rohrleitungen der Medienversorgungsanlage beschäftigt gewesen seien, ohne daß der Gerüstbelag Absturzsicherungen besessen habe, dh. daß keine Brustund Fußwehren und keine Mittelwehr vorhanden gewesen seien. Es wurden über ihn wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 19 Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BV), BGBl. Nr. 267/1954, und § 46 Abs. 6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl. Nr. 218/1983, in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p (bzw. auch § 33 Abs. 7) Arbeitnehmerschutzgesetz Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht zunächst als Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend, daß die spruchmäßige Kennzeichnung als Veranwortlicher zweifelsfrei erforderlich sei, wobei unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0152, nicht nur die Bezeichnung "Verantwortlicher nach § 9 VStG" erforderlich sei, sondern auch, daß die Stellung des Bestraften zur Gesellschaft, aus der sich auch die Verantwortlichkeit ergebe, ausdrücklich angeführt werde. Die belangte Behörde habe entgegen der Bestimmung des § 44a VStG den Spruch in unzulässiger Weise durch die Wendung "als handelsrechtlicher Geschäftsführer" nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG ergänzt.
Dem ist zu erwidern, daß der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung (hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0152) ein anderer Sachverhalt zugrundelag, bei dem die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit allein auf den Umstand gestützt wurde, daß der Beschuldigte als "Verantwortlicher" einer näher bezeichneten GesmbH bezeichnet wurde. Der Beschwerdeführer übersieht mit seinem Vorbringen, daß der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 86/18/0073, Slg. Nr. 12.375iA die Auffassung vertritt, daß zwar in der Tatumschreibung nach S 44a Z. 1 VStG zum Ausdruck kommen müsse, ob ein bestimmter Beschuldigter die Tat in eigener Verantwortung oder als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich Verantwortliche begangen habe, daß sich die Verfolgungshandlungen zwar auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten beziehen müssen, es für die Tauglichkeit von Verfolgungshandlungen aber nicht darauf ankomme, dem Beschuldigten vorzuwerfen, die Tat als zur Vertretung nach
außen Berufener im Sinne des S 9 VStG verantworten zu müssen:
Diesen Anforderungen wurden die (rechtzeitigen) Verfolgungshandlungen der Erstbehörde gerecht, indem sie dem Beschwerdeführer die inkriminierten Handlungen als einem "gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen" einer näher bezeichneten Firma zur Last gelegt haben. Es ist daher keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, daß die belangte Behörde nach Ablauf der "Verjährungsfrist" den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt hat, der Beschwerdeführer habe die angelasteten Verwaltungsstraftatbestände "als handelsrechtlicher Geschäftsführer" begangen.
Ferner vermeint der Beschwerdeführer, er habe ausdrücklich behauptet, daß er ein im Prinzip lückenloses Kontrollsystem aufgebaut und alle möglichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Arbeitnehmerschutzvorschriften getroffen habe. Das Kontrollsystem schließe sowohl die Baustellenleiter, den Leiter der Abteilung Montage, den Sicherheitstechniker, die Sicherheitsbeauftragten und auch die beiden Geschäftsführer mit ein. Es würden auch ständig Schulungen abgehalten, Weisungen erteilt und die Baustellen von den hiefür Verantwortlichen besucht.
Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer zwar allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im einzelnen auf der beschwerdegegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen. Hiezu wäre es - wie der Verwaltungsgerichtshof zu ähnlichen Fällen hierarchisch aufgebauter Kontrollsysteme ausgeführt hat - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet sei, um durchzusetzen, daß jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolge und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der. Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh. sicherzustellen, daß die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort auch tatsächlich befolgt würden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/19/0109, vom , Zl. 91/19/0095 und vom , Zl. 92/18/0045). Da bereits das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, ein funktionierendes Kontrollsystem bezogen auf die konkrete Baustelle darzulegen, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, die zum Beweis für dieses (zur Entlastung des Beschwerdeführers untaugliche) Vorbringen namhaft gemachten Zeugen zu vernehmen. Auch besteht keine Pflicht der Behörde, den Beschuldigten in einer mündlichen Berufungsverhandlung "entsprechend anzuleiten", sodaß auf den in diesem Zusammenhang behaupteten Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht näher einzugehen ist.
Schließlich wird behauptet, durch die Bestrafung nach § 19 Abs. 4 BV einerseits und § 46 Abs. 6 AAV andererseits sei das Gesetz verletzt worden, weil eine parallele Bestrafung nach den einschlägigen Bestimmungen unzulässig erscheine. Im übrigen sei erstmals im erstinstanzlichen Erkenntnis (nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG) auch der Vorwurf nach der BV erhoben worden, während in der Ladung zur mündlichen Verhandlung erster Instanz nur auf die AAV hingewiesen worden sei. Damit übersieht der Beschwerdeführer, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0184, zum Ausdruck gebracht hat, daß bei den unter den Geltungsbereich der BV fallenden Arbeiten grundsätzlich die einschlägigen Vorschriften der AAV zusätzlich zu denen der BV anzuwenden seien; dieser Grundsatz stehe unter dem Vorbehalt, daß im nachstehenden, d.h. in den weiteren, dem § 2 BV folgenden Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes bestimmt, also die Anwendung "auch" der AAV ausgeschlossen werde; Gerüstlagen (Gerüstbeläge), bei denen eine Absturzgefahr aus mehr als zwei Metern bestehe, müßten insgesamt mit einer Brustwehr und einer Fußwehr, dies nach § 19 Abs. 4 BV, sowie mit einer Mittelwehr, dies nach § 46 Abs. 6 AAV, versehen sein. Die belangte Behörde hat daher den inkriminierten Sachverhalt ohne Rechtsirrtum beiden genannten Bestimmungen unterstellt, den Beschwerdeführer zweier Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und hiefür auch zwei Strafen verhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0136). An der Richtigkeit dieses Vorgehens vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß erst im erstinstanzlichen Straferkenntnis die Subsumtion der angelasteten Tat auch unter die Strafbestimmung des § 19 Abs. 4 BV erfolgt ist, weil für das Vorliegen einer Verfolgungshandlung der Vorwurf eines Tuns oder Unterlassens, nicht aber die rechtliche Qualifikation maßgebend ist und es daher auch nicht schadet, wenn die verletzte Verwaltungsvorschrift unrichtig, unvollständig oder überhaupt nicht zitiert wird (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/10/0040).
Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, indem sie zwar zulässigerweise eine Schätzung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers vorgenommen, aber nicht angegeben habe, welche Schätzung sie vorgenommen habe, weil durch die bloße Behauptung der Vornahme einer Schätzung nicht nachvollziehbar sei, ob die verhängte Strafe zu den geschätzten Einkommensverhältnissen in irgendeiner dem Gesetz entsprechenden Relation stehe. Entgegen der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die belangte Behörde sei von den Einkommensverhältnissen eines Vertreters der Geschäftsführer ausgegangen, konnte die Strafbemessung auf die gegenüber der Erstbehörde handschriftlich bekanntgegebenen Angaben des Beschwerdeführers vom gestützt werden, sodaß das Vorbringen in diesem Beschwerdepunkt als geradezu mutwillig angesehen werden muß.
Da die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am