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VwGH vom 20.05.1994, 93/02/0110

VwGH vom 20.05.1994, 93/02/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-220270/13/Kon/Rd, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: H in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe es als Vorstandsdirektor und somit gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der W-GesmbH in X zu vertreten, daß am der Arbeitnehmer A.D. in einer Höhe von ca. 14,50 m an einem näher beschriebenen Ort mit Stahlbaudemontagearbeiten unangeseilt beschäftigt worden sei, obwohl sich Dienstnehmer bei Montage und Demontage von Metall- und Holzbauwerken, wenn keine sicheren Arbeitsplätze, Schutzgerüste oder Fangnetze vorhanden sind, gemäß § 62 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung (im folgenden: BauVO) durch Anseilen unter Benützung eines Sicherheitsgürtels gegen Absturz zu sichern hätten. Der Mitbeteiligte habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs. 2 lit. p in Verbindung mit § 33 Abs. 1 lit. a Z. 12 und Abs. 7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (im folgenden: ANSchG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge, behob das erwähnte Straferkenntnis und stellte das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

In der Begründung verwies die belangte Behörde unter anderem auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 405, 407/79, und vom , Zl. 90/19/0036, und vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß bei Annahme eines zeitlichen Zusammenhanges zwischen der dem Mitbeteiligten angelasteten Verwaltungsübertretung und dem tödlichen Arbeitsunfall des Arbeitnehmers A.D. das Tatbild des § 80 StGB (fahrlässige Tötung) und sohin die Zuständigkeit des Gerichtes zur Tatahndung gegeben sei. Auf Grund dieses Unfalles sei auch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden. Das diesbezügliches Verfahren sei jedoch gemäß § 90 StPO eingestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0036, die Rechtsansicht vertreten, aus den §§ 22 und 30 VStG 1950 ergebe sich, daß eine von einer Verwaltungsbehörde zu ahndende strafbare Handlung auch dann von dieser Behörde zu verfolgen sei, wenn die Tat gleichzeitig unter einen gerichtlich strafbaren Tatbestand falle, es sei denn, das Gesetz normiere ausdrücklich eine Ausnahme von diesem Grundsatz; eine solche Ausnahme sei in § 31 Abs. 2 lit. p ANSchG enthalten, in der es heiße, die dort genannten Verwaltungsübertretungen seien, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen sei, mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen (vgl. zur diesbezüglichen "Subsidiarität" auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 405, 407/79). Weiters hat der Gerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis vom unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung dargelegt, daß nur im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde in der Frage bestehe, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliege, der die Ahndung als Verwaltungsübertretung ausschließe; bei Freispruch und Einstellung des Verfahrens habe eine selbständige Prüfung durch die Verwaltungsstrafbehörde zu erfolgen, ob sie zur Ahndung zuständig sei.

Der Beschwerdeführer stellt die Annahme der belangten Behörde, die dem Mitbeteiligten mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis angelastete Tat werde von der gerichtlich nach § 80 StGB strafbaren (und mit Freiheitsstrafe bedrohten) Tat umfaßt, nicht in Abrede. Er beruft sich - so wie die belangte Behörde - auf das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0036, doch verkennt er den rechtlichen Gehalt desselben. Aus diesem hg. Erkenntnis vom ergibt sich nämlich keineswegs, daß dann, wenn das strafgerichtliche Verfahren durch Einstellung geendet hat, die Prüfung, ob eine gerichtlich zu ahndende Tat vorliege, nicht erforderlich ist; vielmehr läßt sich aus diesem hg. Erkenntnis das Gegenteil entnehmen.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten zur Recht schon im Hinblick auf die oben dargestellte "Subsidiarität" gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt hat ohne daß zu prüfen war, ob die Einstellung auch aus einem anderen Grund erfolgen durfte. Damit aber erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.