VwGH vom 19.12.1990, 89/13/0156

VwGH vom 19.12.1990, 89/13/0156

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 563;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der C gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 5 - 1945/2/89, betreffend Weitergewährung der Familienbeihilfe ab dem , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am geborene, erheblich behinderte (Mikrocephalie) und vollentmündigte Beschwerdeführerin ist seit 1983 in einem Wohnheim der Lebenshilfe untergebracht. Die Gesamtkosten für die Beschwerdeführerin werden vom Magistrat der Stadt Wien (MA 12) bestritten. Bis wurde auch Familienbeihilfe gewährt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Sachwalters der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zeit vom an ab. Innerhalb offener Frist wurde gegen diesen Bescheid Berufung erhoben, in welcher im wesentlichen vorgebracht wurde, daß der Beschwerdeführerin mit Verfügung der Magistratsabteilung 12 vom "gemäß § 20 Behindertengesetz, Beschäftigungstherapie mit Internatsunterbringung im Rahmen der Lebenshilfe Wien gewährt" worden sei. Die Beschwerdeführerin sei Halbwaise (Mutter verstorben), der Vater komme seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach. Da das Behindertengesetz nicht unter "Sozialhilfe" falle und der Vater der Beschwerdeführerin seine Unterhaltsverpflichtungen nicht erfülle, sei die Familienbeihilfe weiter zu gewähren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend im wesentlichen folgendes aus:

Die im § 6 Abs. 5 FLAG statuierte Gleichstellung mit den Vollwaisen hinsichtlich eines eigenen Beihilfenanspruches solle eine Härte in jenen Fällen beseitigen, in welchen für Kinder, die sich weitgehend selbst erhalten müßten, keine Familienbeihilfe gewährt werde. Eine solche Härte liege dann nicht vor, wenn ein Kind "auf Kosten öffentlicher Mittel" in einem Heim untergebracht sei. Dieser Einschränkung liege der Wille des Gesetzgebers zu Grunde, bei einer Kostenübernahme durch die öffentliche Hand nicht noch zusätzlich öffentliche Mittel in Form von Familienbeihilfe zu gewähren, weil in diesen Fällen die Familienbeihilfe nicht die Situation der Kinder verbessern, "sondern letztlich in zweckentfremdender Weise die öffentlichen Haushalte, aus denen die anderen öffentlichen Mittel stammen, entlasten würde".

Zu einer derartigen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Entlastung käme es auch im Streitfall, weil, wie die Magistratsabteilung 12 der belangten Behörde über Anfrage mitgeteilt habe, sie seit April 1983 (Aufnahme der Beschwerdeführerin in ein Heim) "die Gesamtkosten trage". Demnach bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum im Sinne des § 6 Abs. 5 FLAG auf Kosten der Sozialhilfe in einem Wohnheim der Lebenshilfe befand, wie es dem Standpunkt der belangten Behörde entspricht, oder ob dies, wie die Beschwerde meint, deshalb nicht der Fall war, weil der Magistrat der Stadt Wien im vorliegenden Fall Leistungen "aus Mitteln der Behindertenhilfe" erbringt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, wonach sich die Beschwerdeführerin auf Kosten der Sozialhilfe im Wohnheim der Lebenshilfe befindet (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/14/0036). Dies ergibt sich daraus, daß die Normen, welche einerseits die Behindertenhilfe (Wiener Behindertengesetz 1986, LGBl. für Wien Nr. 16/1986) und andererseits die Sozialhilfe (Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. für Wien Nr. 11/1973 in der Fassung der 1., 2. und 3. Sozialhilfegesetznovelle - LGBl. Nr. 38/1975, Nr. 21/1980 und Nr. 17/1986) regeln, weitgehend miteinander verflochten sind. So sieht nicht nur das Wiener Behindertengesetz, sondern auch das Wiener Sozialhilfegesetz Maßnahmen der Behindertenhilfe vor (vgl. z.B. §§ 22 und 22a des Wiener Sozialhilfegesetzes). Weiters schließen Leistungen nach dem Wiener Sozialhilfegesetz eine Behindertenhilfe nicht aus (§ 1 Abs. 2 Z. 3 des Wiener Behindertengesetzes 1986). Während ferner § 24 des Wiener Behindertengesetzes 1986 nur ganz allgemein davon spricht, daß Behinderten in bestimmten Fällen die "Unterbringung in geeigneten Anstalten oder Heimen zu gewähren" sei, sieht das Wiener Sozialhilfegesetz (§§ 22 und 22a) die Unterbringung behinderter Menschen in Wohnheimen - wie dies auch im Falle der Beschwerdeführerin gegeben ist - vor, wobei bestimmt wird, daß die Vorsorge für diesen sozialen Dienst dem Sozialhilfeträger obliegt.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist - wie dies die belangte Behörde sinngemäß getan hat - davon auszugehen, daß sich Behinderte in Wohnheimen, soweit die betreffenden Aufwendungen - wie im Beschwerdefall - zur Gänze aus öffentlichen Mitteln getragen werden, bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen dort auf Kosten der Sozialhilfe im Sinne des § 6 Abs. 5 FLAG befinden; dies auch dann, wenn, wie im Streitfall unbestrittenermaßen von der Magistratsabteilung 12 in einem Schreiben vom an die belangte Behörde ausgeführt wurde, diese Kosten formell aus Mitteln der Behindertenhilfe gedeckt werden.

Da demnach der angefochtene Bescheid im Ergebnis der Rechtslage entspricht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.