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VwGH vom 19.05.1993, 89/13/0155

VwGH vom 19.05.1993, 89/13/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom , GZ. 6/1-1284/87-13 und 6/1-1013/89-13, betreffend Einkommensteuer 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist technischer Berater und Gesellschafter verschiedener Firmen. Sein 1967 geborener Sohn besuchte in den Streitjahren die Fachrichtung "Malerei und Graphik" an der Rhode Island School of Design (USA). Die Kosten dieses Studiums machte der Beschwerdeführer in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1985 und 1986 als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt sah den Aufwand in Höhe von insgesamt S 455.294,-- hingegen nicht als zwangsläufig erwachsen an, da die gewählte Studienrichtung mit wesentlich geringeren Kosten auch an einer inländischen Hochschule absolviert werden könne, und wies die betreffenden Anträge ab.

In den dagegen erhobenen Berufungen wandte der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, in Österreich bestünde nur die theoretische Möglichkeit, dieses Studium zu betreiben, da im Durchschnitt lediglich jeder zehnte Interessent Aufnahme fände. Zudem würden die Aufnahmsprüfungen nur einmal jährlich, jeweils im September abgehalten, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem es für ein allfälliges Ausweichen auf ein Auslandsstudium zu spät sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge. Das angestrebte Studium werde an zwei Ausbildungsstätten am Wohnort des Beschwerdeführers angeboten und könne nach Erfüllung der für alle Studienanfänger gleichen Aufnahmebedingungen auch absolviert werden. Mögen die Chancen auf einen Studienplatz auch im Ausland größer gewesen sein, habe sich der Sohn in den USA gleichfalls einer Prüfung unterziehen müssen. Eine sittliche Verpflichtung des Beschwerdeführers, seinem Sohn ein Auslandsstudium zu ermöglichen, habe nicht bestanden, zumal im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer hervorgehobene Talent seines Sohnes in einer zumindest einmaligen Bewerbung an einer der Schulen in Wien keine unzumutbare Beanspruchung von Lebenszeit und Psyche des Kindes erblickt werden könne.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1972 mindern außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf entsprechenden Antrag die Einkommensteuerbemessungsgrundlage. Zwangsläufig erwächst eine Belastung nach Abs. 3 der angeführten Bestimmung dann, wenn der Abgabepflichtige sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Der Beschwerdeführer erachtet sich rechtlich wie sittlich verpflichtet, seinem Sohn das Studium in den USA zu ermöglichen.

Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, gebieten weder die gesetzliche Unterhaltspflicht gemäß § 140 ABGB noch eine sittliche Pflicht den Eltern, ihr Kind an einer ausländischen Hochschule studieren zu lassen, wenn das gewählte Studium mit wesentlich geringeren Kosten auch an einer inländischen Hochschule absolviert werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 81/14/0181 und vom , 85/14/0164).

Daß am Wohnort des Beschwerdeführers zwei geeignete Ausbildungsstätten vorhanden sind, stellt die Beschwerde nicht in Abrede. Strittig ist hingegen, ob eine Studienmöglichkeit im Inland auch dann noch als gegeben angesehen werden kann, wenn, wie im gegenständlichen Fall, der Zugang zum Studium durch begrenzte Aufnahmekapazitäten bzw. ein Auswahlverfahren beschränkt ist.

Nach Ansicht des Gerichtshofes ist die Frage, ob das gewählte Studium im Inland absolviert werden kann, nicht anhand einer Wahrscheinlichkeitsprognose, sondern aufgrund der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles zu beantworten. Eine solche Beurteilung setzt aber zwingend das ernsthafte Bemühen um einen inländischen Studienplatz voraus. Ist für die Zulassung zum gewünschten Studium (im Inland) ein bestimmtes Verfahren einschließlich Aufnahmsprüfung vorgesehen, kann dem Kind das Beschreiten dieses Weges grundsätzlich zugemutet werden. Dies selbst dann, wenn ein Professor der in Aussicht genommenen Schule anläßlich einer Vorsprache "keine interessierte oder einladende Reaktion" gezeigt und gesagt haben soll "Sie malen zu gefällig, Sie müssen erst wieder alles vergessen".

Die Eltern sind weder rechtlich noch sittlich verpflichtet, ihrem Kind von vorneherein ein leichter zugängliches Auslandsstudium zu finanzieren. Vielmehr kann die Herausforderung, sich in einer schwierigen Situation zu bewähren, dem Wohl des Kindes durchaus förderlich sein. Mag es auch zutreffen, daß viele Studienwerber nicht wegen fehlender Begabung, sondern lediglich aufgrund der zu geringen Anzahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze abgewiesen werden, mußte dies nicht zwangsläufig für den Sohn des Beschwerdeführers gelten.

Die Beschwerdeausführungen, es wäre dem Sohn nicht zuzumuten gewesen, das Anfang September in den USA begonnene Studium Ende September zu unterbrechen, um sodann in Österreich zur Aufnahmsprüfung anzutreten, lassen außer acht, daß das Auslandsstudium bei aufrechter Ausbildungschance im Inland, somit freiwillig angetreten wurde. Der Befürchtung des Beschwerdeführers, sein Sohn werde bei einem Scheitern infolge des späten Prüfungstermines ein Studienjahr verlieren, begegnete die belangte Behörde mit der von der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellung, eine Bewerbung sei auch in Österreich bereits vor Ablegung der Matura möglich gewesen, da diese Studienrichtung keine Reifeprüfung verlange. Abgesehen davon führt die Möglichkeit, eine Prüfung nicht zu bestehen und die damit verbundene Verlängerung der Dauer eines Studiums noch nicht dazu, daß das Beschreiten eines Studienweges, bei dem diese Möglichkeit weniger wahrscheinlich ist, als zwangsläufig anzusehen wäre.

Die belangte Behörde ist weiters im Recht, wenn sie zur Beantwortung der Frage, ob ein Auslandsstudium im Vergleich zur Ausbildung am Wohnort mit höheren Kosten verbunden ist, nicht auf die gesamtwirtschaftlichen Aufwendungen für einen österreichischen Studienplatz, sondern auf die Belastung abstellt, die den Abgabepflichtigen persönlich trifft. Gilt es doch zu beurteilen, inwieferne der UNTERHALTSVERPFLICHTETE zur Tragung eines bestimmten Aufwandes (rechtlich oder sittlich) verhalten ist.

Ob schließlich die Finanzierung eines Auslandsstudiums eine steuerliche Förderung verdient, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen.

Das vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom , 87/13/0249, behandelt die hier allein entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kosten eines Auslandsstudiums dem Abgabepflichtigen zwangsläufig erwachsen, in keiner Weise.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe keine Feststellungen darüber getroffen, zu welchem Termin in Österreich und wann an vergleichbaren Hochschulen im Ausland Aufnahmsprüfungen stattfinden, bzw. wie groß die Chancen auf den Erhalt eines Studienplatzes an einer der beiden Wiener Ausbildungsstätten sind. Diese Rüge ist nicht berechtigt. Dadurch, daß die belangte Behörde zu all diesen Fragen dem Vorbringen des Beschwerdeführers Glauben geschenkt und den von ihm behaupteten Sachverhalt ohne weitere Prüfung ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat, kann der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt sein.

Die Beschwerde vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.