VwGH vom 03.10.1990, 89/13/0129
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 183;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der E-GmbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ 6/2 -2087/85, betreffend Gewerbesteuer 1982, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. An ihrem Stammkapital von S 100.000,-- waren Siegfried A mit einer Stammeinlage von S 51.000,-- und Anton S mit einer solchen von S 49.000,-- beteiligt. Mit Notariatsakt vom verkauften die Genannten ihre Anteile an Peter V um einen Abtretungspreis von S 40.000,--.
In der Gewerbesteuererklärung 1982 machte die Beschwerdeführerin einen Sanierungsgewinn in Höhe von S 1,524.861,-- gemäß § 11 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz geltend.
Über Vorhalt des Finanzamtes teilte sie mit Schriftsatz vom hiezu mit, daß dieser Sanierungsgewinn "auf dem Schulderlaß der Firma I Schweiz" beruhe. Dieses Unternehmen, an dessen Spitze Jean N stehe, sei der einzige Warenlieferant der Beschwerdeführerin gewesen. Diese habe nur "I-Waren ... vertreten und verkauft". Um auf dem österreichischen Markt konkurrenzfähig zu sein, seien 1977 und 1978 große Warenmengen eingekauft und auf Lager gelegt worden. Die Bezahlung dieser Lieferungen seien wegen geringer Kapitalausstattung der Beschwerdeführerin "nicht möglich" gewesen und hätten "sich erheblich verzögert". Wegen andauernden Zahlungsverzuges habe das Schweizer Unternehmer im Februar 1980 die Retournierung der vorhandenen Lagerbestände verlangt, welchem Begehren die Beschwerdeführerin auch entsprochen habe. Offen sei letztlich eine Verbindlichkeit von S 1,524.820,65 geblieben, die "nach schwierigen, langwierigen Verhandlungen mit der Firma I zur Sanierung des Betriebes erlassen wurde, da sonst die Anmeldung des Konkurses unausweichlich gewesen wäre".
In dem vom Finanzamt in der Folge erlassenen Gewerbesteuerbescheid 1982 wurde der geltend gemachte Sanierungsgewinn mit der Begründung nicht anerkannt, daß ein solcher "im Sinne des § 22 Abs. 5 Körperschaftsteuergesetz" nicht vorliege. Innerhalb offener Frist erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher die Auffassung vertreten wurde, daß es sich sehr wohl um einen steuerlich zu berücksichtigenden Sanierungsgewinn handle. Der Betrieb der Beschwerdeführerin würde weitergeführt. Voraussetzung für seinen Weiterbestand sei jedoch der Schuldennachlaß der Firma I. gewesen.
Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte die Beschwerdeführerin die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Im Zuge weiterer Erhebungen teilte die Beschwerdeführerin mit, daß es über "die Rückbeordnung des restlichen Warenbestandes von Seiten der Firma I.", aber auch über den in Rede stehenden Schulderlaß nur sehr wenig Korrespondenz gebe, weil die wesentlichen Vereinbarungen in persönlichen Gesprächen und Telefonaten getroffen worden seien.
Als Nachweis für den Verzicht des Schweizer Unternehmens auf seine in Rede stehenden Forderungen gegenüber der Beschwerdeführerin liegt lediglich ein Schreiben der genannten Firma vom vor, in welchem ausgeführt wird, im Jahre 1982 sei vereinbart worden, diese werde auf die restliche Warenforderung von S 1,524.681,-- verzichten und vermeine, damit ihren "Beitrag für die Sanierung und den Weiterbestand" der Beschwerdeführerin geleistet zu haben.
Mit Schreiben vom gab der seinerzeitige Gesellschafter der Beschwerdeführerin, Siegfried A, der belangten Behörde bekannt, daß das Verkaufsprogramm der Beschwerdeführerin zu 100 % auf I-Produkte ausgerichtet und ihr Lager zu 100 % mit Waren dieses Unternehmens "bestückt" gewesen sei. Bei Auflösung der Zusammenarbeit der Beschwerdeführerin mit der Schweizer Firma wäre, wenn diese auf Bezahlung bestanden hätte, "ein Konkurs unabwendbar gewesen". Dr. N habe sich im Hinblick auf die mißliche Lage der Beschwerdeführerin nach seinem Entschluß "das Österreichgeschäft fallenzulassen" moralisch verpflichtet gefühlt, die Weiterexistenz der Beschwerdeführerin durch sein Entgegenkommen abzusichern.
Gleichzeitig legte A ein neuerliches Schreiben der I vom vor, in welchem diese ausführt, sie habe, um den Weiterbestand der Beschwerdeführerin sichern zu helfen, "seinerzeit" Warenforderungen von S 1,524.681,-- nachgelassen. Sie wäre sich im klaren gewesen, daß ohne dieses Zugeständnis die Beschwerdeführerin den Konkurs hätte anordnen müssen.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wies diese mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung ab und führte begründend im wesentlichen folgendes aus:
Eine der Voraussetzungen für die Anerkennung eines Schuldennachlasses als steuerlich zu berücksichtigender Sanierungsgewinn sei die Sanierungsabsicht. Die Beweggründe für einen Schulderlaß seien daher im Einzelfall genau zu prüfen. Die Motive der I für den von ihr im Streitjahr angesprochenen Verzicht auf Forderungen gegenüber der Beschwerdeführerin sei in den - oben angeführten - Schreiben vom und vom bzw. dem Schreiben des Siegfried A vom dargelegt. Einen Hinweis darauf, daß das Schweizer Unternehmen in Zukunft mit der Beschwerdeführerin wirtschaftliche Beziehungen habe aufrechterhalten wollen, finde sich nicht. Ebenso werde in mündlichen Mitteilungen des A bzw. der steuerlichen Vertreterin betont, es sei nicht im Interesse des N gelegen, die Beschwerdeführerin in den Konkurs zu treiben. N hätte eine Konkursanmeldung der Beschwerdeführerin, die lediglich Waren seines Unternehmens vertreten habe, als einen Prestigeverlust betrachtet.
Im Hinblick auf diese Sachlage und unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Mitteilung, daß es nach dem fraglichen Schulderlaß keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr zwischen der Beschwerdeführerin und der I gegeben habe, sei davon auszugehen, daß für den in Rede stehenden Forderungsverzicht "letztlich der gute Ruf der Firma I und nicht kaufmännische Überlegungen des Gläubigers für den Weiterbestand der notleidenden" Beschwerdeführerin ausschlaggebend gewesen seien. Der Verzicht sei daher nicht überwiegend von Sanierungsabsichten getragen worden.
Damit aber mangle es an einem der für das Vorliegen eines steuerlichen Sanierungsgewinnes notwendigen Voraussetzungen.
Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Streit besteht im Beschwerdefall ausschließlich darüber, ob der unbestrittenermaßen 1982 erfolgte Schuldnachlaß der Schweizer Firma I gegenüber der Beschwerdeführerin zu einem bei dieser steuerlich beachtlichen Sanierungsgewinn geführt hat oder nicht.
Für die Anerkennung eines steuerbegünstigten Sanierungsgewinnes ist das Vorhandensein der Sanierungsabsicht des Gläubigers sowie die Eignung der gesetzten Maßnahmen zur Sanierung des Schuldners Voraussetzung.
Aus dem unbestrittenen Sachverhalt ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin seit ihrer Gründung im Jahre 1977 ausschließlich Waren von der I bezog sowie daß die letztgenannte Gesellschaft im Februar 1980 mehr oder weniger abrupt diese Geschäftsbeziehung beendete und die dringende Rückstellung des noch vorhandenen Warenlagers der Beschwerdeführerin an sie forderte. Durch diese Maßnahme des einzigen Lieferanten der Beschwerdeführerin war derselben jegliche wirtschaftliche Grundlage entzogen.
Wenn nun die I, nachdem sie der Beschwerdeführerin durch ihre Vorgangsweise im Jahre 1980 praktisch ihre wirtschaftliche Existenz entzogen hat, nach - wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt - langwierigen, schwierigen Verhandlungen und, wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, auf Grund der Drohung der Beschwerdeführerin gegenüber der I, sie werde Konkurs anmelden, auf die - vermutlich tatsächlich gar nicht mögliche - Bezahlung von offenen Forderungen verzichtete, kann im Hinblick auf den gesamten sonstigen Sachverhalt in dieser Maßnahme jedenfalls keine geeignete Sanierungsmaßnahme des Schweizer Unternehmens gegenüber der Beschwerdeführerin erblickt werden.
Die belangte Behörde hat bei diesem Sachverhalt nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie von der Annahme ausgeht, daß kein Sanierungsgewinn vorliegt.
Da sich demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.