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VwGH vom 14.03.1990, 89/13/0115

VwGH vom 14.03.1990, 89/13/0115

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1990, 364;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte

Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin

Mag. Wimmer, über die Beschwerde der S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. S 1010/1/2-IV/4/89, betreffend Ausnahmegenehmigung nach § 48 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die ihren Sitz in Südafrika hat und die einmal wöchentlich Wien anfliegt, weswegen sie in Wien eine Repräsentanz unterhält, stellte beim Bundesminister für Finanzen

a) den Antrag vom , anzuordnen, daß ihre inländischen Einkünfte und das inländische Vermögen zur Gänze aus der österreichischen Abgabepflicht ausgeschieden werden, und

b) weiters den Antrag vom , anzuordnen, daß sie überdies von der Verpflichtung, Lohnsummensteuer zu entrichten, befreit wird.

Der Bundesminister für Finanzen wies mit dem Bescheid vom , Zl. S 1010/1/11-IV/4/86, den Antrag vom in Ausübung des freien Ermessens ab. Die Einräumung steuerlicher Privilegien wäre mit der von Österreich gegenüber Südafrika eingeschlagenen Politik nicht vereinbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit seinem Erkenntnis vom , Zl. 87/13/0041 (Vorerkenntnis), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde lasse, wie der Gerichtshof begründend ausführte, nicht erkennen, ob sie es verneine, daß eine Ausnahmegenehmigung zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich sei; soweit sie dies jedoch bejahen sollte, sei der Hinweis auf die von Österreich gegenüber Südafrika eingeschlagene Politik zu dürftig, um zu prüfen, ob vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom in Ausübung freien Ermessens (abermals) ab. Nach Wiedergabe des § 48 BAO legte sie dar, da das Wiener Büro der Beschwerdeführerin als Betriebsstätte sowohl der österreichischen, als auch der südafrikanischen Abgabenhoheit unterliege, sei die erste Rechtsvoraussetzung dieser Bestimmung erfüllt. Nach der Aktenlage liege auch die weitere Rechtsvoraussetzung (erster Alternativtatbestand) vor, da den Antragsausführungen zufolge die Wiener Betriebsstätte nicht nur der beschränkten Steuerpflicht in Österreich unterliege, sondern die Betriebsstättengewinne auch in Südafrika besteuert würden. Es entspreche jedoch internationalen Usancen, daß bei Nichtbestand eines Doppelbesteuerungsabkommens der (Wohn-)Sitzstaat durch innerstaatliche Maßnahmen für eine entsprechende Entlastung sorge. Im Beschwerdefall sei es daher Aufgabe Südafrikas, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei seinem eigenen Luftfahrtunternehmen zu sorgen, womit eine positive Ermessensentscheidung in diesem Zusammenhang in Österreich nicht möglich sei.

Was die Herstellung von Gegenseitigkeit (zweiter Alternativtatbestand) betreffe, werde zwar das Vorliegen der Rechtsvoraussetzung bejaht. Dessenungeachtet führe die somit gebotene Ermessensentscheidung zu keiner positiven Antragserledigung. Ermessensentscheidungen seien gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen, wobei ersteres Rücksichtnahme auf die Interessen des Abgabepflichtigen und letzteres Rücksichtnahme auf das öffentliche Interesse an der Abgabeneinbringung bedeute. Die Behörde könne bei ihren Entscheidungen sowohl den Erwägungen der Zweckmäßigkeit als auch jenen der Billigkeit den Vorzug geben. Den nachstehend angeführten außenpolitischen Bedenken und den damit verbundenen Einschränkungen in den wirtschaftlichen Beziehungen werde derartiges Gewicht beigemessen, daß aus Gründen der Zweckmäßigkeit eine positive Antragsentscheidung nicht gerechtfertigt erscheine:

Österreich habe stets die Apartheitpolitik Südafrikas kategorisch abgelehnt und dies durch öffentliche Erklärungen ebenso wie seine Politik diesem Lande gegenüber zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinn habe Österreich auch die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 566/85 und 569/85, mit welchen die Staatengemeinschaft aufgefordert worden sei, Maßnahmen gegenüber Südafrika zu ergreifen, zum Anlaß genommen, Einschränkungen im Bereich der wirtschaftlichen, sportlichen und kulturellen Beziehungen zu Südafrika zu verfügen. Die Einräumung steuerlicher Privilegien für das Büro der Beschwerdeführerin in Wien wäre mit dieser österreichischen Politik nicht vereinbar.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Ermessensausübung seitens der Behörde sowie auf Gewährung einer Steuerfreistellung gemäß § 48 BAO aus Gegenseitigkeitsgründen betreffend die Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie die Lohnsummensteuer verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie schon mit dem Bescheid vom , Zl. S 1010/1/11-IV/4/86, spricht die belangte Behörde auch mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid allein über das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom ab. Dieses Ansuchen enthielt, wie bereits dargestellt, lediglich den Antrag der Beschwerdeführerin, anzuordnen, daß ihre inländischen Einkünfte und das inländische Vermögen zur Gänze aus der österreichischen Abgabepflicht ausgeschieden werden. Ebensowenig wie im Falle des mit dem Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheides vom ist daher im vorliegenden Beschwerdefall die Lohnsummensteuer Gegenstand des angefochtenen Bescheides.

In der Sache selbst ist folgendes in Rechnung zu stellen:

Gemäß § 48 BAO kann das Bundesministerium für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Diese Vorschrift stellt es, wenn die in ihr normierten Rechtsvoraussetzungen vorliegen, in das Ermessen des Bundesministers für Finanzen, die dort vorgesehene Entsteuerung anzuordnen (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2957/78, vom , Zl. 1430/78, und vom , Zl. 85/13/0014). Das Vorliegen der im § 48 BAO normierten Rechtsvoraussetzungen hat die belangte Behörde bezüglich der Herstellung von Gegenseitigkeit bejaht. Sie hat daher Maßnahmen nach § 48 BAO nicht mangels Vorliegen der Rechtsvoraussetzungen, sondern in Ausübung des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessens versagt.

Die Ermessensentscheidung muß sich nach § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beigemessen (siehe Stoll, BAO-Handbuch, Seite 46, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben kann nicht nur im Interesse an der Erlangung finanzieller Mittel bestehen. Das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben kann vielmehr auch zu bejahen sein, wenn öffentliche Rücksichten den Verzicht auf diese Einbringung nicht rechtfertigen lassen.

Dem § 48 BAO liegt erkennbar (auch) die Zielsetzung zugrunde, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und anderen Staaten dadurch zu erleichtern, daß die inländische steuerliche Belastung in Fällen von Auslandsbeziehungen gemildert (oder beseitigt) wird ("Entsteuerung", siehe Philipp-Loukota-Pollak, Internationales Steuerrecht2, Z 00-5, 6 und 20, sowie Jirousek, Unilaterale Maßnahmen zur Steuerentlastung gemäß § 48 BAO, ÖStZ 1985 Seite 44 und 47). Das "berechtigte Interesse der Partei" im Sinne des aufgezeigten Billigkeitsmomentes (§ 20 BAO) ist im Interesse des Steuerpflichten an der Entsteuerung zu sehen. Dieses berechtigte Interesse der Partei schlägt aber nicht durch, wenn das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben im Sinne des Zweckmäßigkeitsmomentes überwiegt. Dies kann durchaus dann der Fall sein, wenn es den Interessen Österreichs widerspricht, im Sinne der aufgezeigten Zielsetzung des § 48 BAO durch eine der dort vorgesehenen Maßnahmen die wirtschaftlichen Beziehungen zu einem anderen Staat zu erleichtern, ja diese Interessen sogar im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde Einschränkungen in den wirtschaftlichen Beziehungen geboten erscheinen lassen. Die Erwägungen der belangten Behörde halten sich durchaus in den Grenzen, die das Gesetz dem Ermessen zieht (§ 20 BAO) und legen ausreichend Zweckmäßigkeitsgründe dar, auf Grund derer die belangte Behörde eine positive Ermessensübung ablehnen durfte. Bei den Zweckmäßigkeitsgründen kommt es auf das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben schlechthin an, und entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht darauf, welcher Zweck in bezug auf die Beschwerdeführerin (oder andere "Sitzgesellschaften") verfolgt wird.

Mit der Bezugnahme auf den volkswirtschaftlichen Nutzen und die Verwaltungsökonomie hat die Beschwerdeführerin offenbar die Ausführungen von Jirousek, aaO, S 46, im Auge. Jirousek erwähnt den volkswirtschaftlichen Nutzen und die Verwaltungsökonomie aber nur beispielhaft ("vor allem").

Das Bestehen eines Luftverkehrsabkommens mit der Republik Südafrika seit dem Jahre 1969 und das Vorhandensein wirtschaftlicher Beziehungen zu diesem Staat konnte die belangte Behörde nicht hindern, in dem von ihr aufgezeigten öffentlichen Interesse (nunmehr) Ausweitungen dieser Beziehungen abzulehnen bzw. Einschränkungen ins Auge zu fassen.

Abschließend sei erwähnt, daß der Verwaltungsgerichtshof auch die Rechtsmeinung der belangten Behörde zum Tatbestandsmerkmal des § 48 BAO "soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung ... erforderlich ist" teilt, es wäre Aufgabe Südafrikas, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei seinem eigenen Luftfahrtunternehmen zu sorgen, womit eine positive Ermessensentscheidung in diesem Zusammenhang in Österreich nicht möglich sei (siehe auch Philipp-Loukota-Pollak, aaO, Z 00-20, und Jirousek, aaO, Seite 46).

Die Beschwerdeführerin vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Ihre Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte dieser gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.