VwGH vom 28.02.2000, 95/17/0496

VwGH vom 28.02.2000, 95/17/0496

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

95/17/0497 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. S und Mag. J, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. V/4-GV-97/192-94, betreffend Ortstaxe nach § 11 NÖ Tourismusgesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 11 NÖ Tourismusgesetz 1991, LGBl. 7400-0 idgF, und der geltenden Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Erhebung von Ortstaxen für die im gewerblichen Beherbergungsbetrieb des Beschwerdeführers erfolgten Nächtigungen im Zeitraum Juni bis Dezember 1992 Ortstaxe in der Höhe von S 39.592,-- festgesetzt und die sich aus der Differenz zwischen dem vorgeschriebenen Betrag und dem bereits entrichteten Betrag ergebende Summe von S 5.663,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

Die gegenüber der Abgabenerklärung des Beschwerdeführers sich ergebende Differenz beruhte auf der Rechtsauffassung der Abgabenbehörde erster Instanz, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Nächtigungen von Seminarteilnehmern nicht von der Ortstaxe befreit seien.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Mit Bescheid des Gemeinderats der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Gemeinderat insbesondere aus, dass gemäß § 11 Abs. 7 lit. c NÖ Tourismusgesetz 1991 Personen, die aus Anlass der Berufsausübung (z.B. Vertreter) oder Berufsausbildung nächtigten, von der Entrichtung der Ortstaxe befreit seien. Dagegen seien Seminarteilnehmer von der Entrichtung der Ortstaxe nicht befreit, da es sich dabei nicht um eine Berufsausbildung, sondern um eine Berufsfortbildung handle.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Mit dem nun angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, dass dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden sei, den Nachweis zu erbringen, dass "jeder einzelne Seminarteilnehmer, von dem er annimmt, dass er aus Anlass der Berufsausübung nächtigte, während des Seminarbesuches gegenüber seinem Arbeitgeber weisungsgebunden war." Der Beschwerdeführer hätte jedoch lediglich Bestätigungen folgenden Wortlauts beigebracht:

"Hiermit bestätigen wir, dass unsere Mitarbeiter die Seminare im D in E auf unsere Anweisung hin und im Rahmen der Ausübung ihres Berufes besucht haben."

Diese Bestätigungen hätten nur eine beschränkte Aussagekraft. Die Unternehmen bestätigten zwar, dass die jeweiligen Mitarbeiter die Seminare auf deren Anweisung hin besuchten, doch gehe aus den Bestätigungen nicht hervor, dass die Mitarbeiter "während des Seminarbesuches weisungsgebunden" gewesen seien. Es seien also nicht die von der Aufsichtsbehörde verlangten Bestätigungen vorgelegt worden. Im Hinblick auf die beschränkte Aussagekraft dieser Bestätigungen sei dem Vorstellungswerber Gelegenheit geboten worden, den Inhalt der jeweiligen Seminare bekannt zu geben, da auf Grund "der beschränkten Aussagekraft der Bestätigungen die Befreiungen vordringlich vom Inhalt der Seminare abhängig" gewesen seien.

Da der Beschwerdeführer bekanntgegeben habe, dass ihm die Inhalte der Seminare nie bekannt gewesen seien, kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass die Befreiungsbestimmung nicht eingreife. Es wird des Weiteren auf eine angeblich widersprüchliche Argumentation des Vorstellungswerbers, ob die Ausnahme sich auf Grund der Nächtigung im Rahmen der Berufsausbildung oder auf Grund der Nächtigung im Rahmen der Berufsausübung stütze, eingegangen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf gesetzesgemäße Anwendung des § 11 NÖ Tourismusgesetz verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 11 NÖ Tourismusgesetz, LGBl. 7400, in der im Beschwerdefall

anwendbaren Fassung, LGBl. 7400-1, lautete auszugsweise:

"§ 11

Ortstaxe

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 Finanz-Verfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45/1948, in der Fassung BGBl. Nr. 686/1988, ermächtigt, durch Gemeinderatsbeschluss von jenen Personen, die im Gemeindegebiet in Gästeunterkünften (Abs. 2) nächtigen, Ortstaxen zu erheben. Die Ortstaxe ist zur Weiterentwicklung und Förderung des Tourismus zu verwenden.

...

(7) Von der Entrichtung der Ortstaxe befreit sind:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Personen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr,
b)
Personen bis zum vollendeten 19. Lebensjahr, wenn sie in Jugendherbergen, Jugend- oder Erholungsheimen oder in Ferienlagern nächtigen, die von einer inländischen Wohlfahrtseinrichtung oder einer inländischen Jugendorganisation betrieben werden,
c) Personen, die aus Anlass der Berufsausübung oder Berufsausbildung, des Schulbesuches oder in Ausübung des militärischen Dienstes oder des Zivildienstes im Gemeindegebiet nächtigen,
..."
In der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom über die Erhebung von Ortstaxen wurde eine wortgleiche Ausnahmebestimmung in Abs. 4 lit. c der (nur in Absätze gegliederten) Verordnung aufgenommen.
Die belangte Behörde hat aus dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer der Inhalt der Seminare nicht bekannt gewesen sei, geschlossen, dass die Ausnahme gemäß § 11 Abs. 7 lit. c NÖ Tourismusgesetz 1991 nicht eingreife.
Die belangte Behörde hat damit die Rechtslage verkannt. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, besuchten die Teilnehmer der Seminare im Betrieb des Beschwerdeführers diese Seminare über Anweisung des jeweiligen Dienstgebers. Bei der Auslegung des Begriffes der "Berufsausübung" im Sinne des § 11 Abs. 7 lit. c NÖ Tourismusgesetz 1991 kommt es nicht darauf an, welchen Inhalt die Seminare hatten, sondern lediglich darauf, ob der Besuch der Seminare zu den Pflichten des jeweiligen Dienstnehmers aus dem Arbeitsvertrag gehörte. Die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Bestätigungen der Unternehmen, die die Seminare durchführten und deren Dienstnehmer an den Seminaren teilzunehmen hatten, belegen, dass der Besuch des Seminars jeweils vom Dienstgeber angeordnet war.
Wenngleich zuzugestehen ist, dass sich der Inhalt der Arbeitspflicht nach österreichischem Arbeitsrecht grundsätzlich nach dem Arbeitsvertrag richtet (Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4 (1998), 163), ist auch eine allfällige Einschulung oder Aus- und Fortbildung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Arbeitszeit im Sinne des § 2 Arbeitszeitgesetz ( = JBl 1979, 332) und stellt nach der Rechtsprechung des OGH die beharrliche Weigerung, sich einer durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnung des Besuches eines Fortbildungskurses zu fügen, einen Entlassungsgrund dar (, ZAS 1979, 142 mit Anmerkung von Schön). Wenngleich aus dieser Rechtslage nicht der Schluss gezogen werden kann, dass jede Anordnung eines Dienstgebers an seine Dienstnehmer zum Besuch eines vom Dienstgeber veranstalteten Seminars die Befolgungspflicht durch den Dienstnehmer auslöst, kann somit grundsätzlich mangels irgendwelcher Anhaltspunkte, dass eine Ablehnung der Befolgung der Weisung der Dienstgeber durch die Dienstnehmer arbeitsrechtlich gedeckt gewesen wäre, nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen nicht ausreichend gewesen wären.
Der Beschwerdeführer hat bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor den Gemeindebehörden darauf hingewiesen, dass die Seminarteilnehmer die Seminare während ihrer Arbeitszeit, gegen volle Bezahlung und auf ausdrückliche Weisung des jeweiligen Arbeitgebers besuchten. Der Seminarbesuch falle daher unter den Begriff der "Berufsausübung". Er hat weiters die oben wiedergegebenen Bestätigungen der die Seminare veranstaltenden Unternehmen vorgelegt.
Abgesehen davon, dass im Beschwerdefall dahingestellt bleiben kann, ob unter "Berufsausübung" im Sinne des § 11 Abs. 7 lit. c nur Handlungen zu verstehen sind, zu welchen ein Dienstnehmer nach Arbeitsrecht zwingend verpflichtet ist, oder ob auch die Befolgung von Anordnungen des Dienstgebers, die rechtens abgelehnt werden könnten, diesem Begriff zu subsumieren ist, hat die belangte Behörde keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass etwa Seminare abgehalten worden seien, deren Besuch die Teilnehmer trotz Anordnung des jeweiligen Dienstgebers auch ohne arbeitsrechtliche Folgen ablehnen hätten können. Gemäß § 148 NÖ AO, LGBl. Nr. 3400, ist die Abgabenbehörde verpflichtet, von Amts wegen Beweise aufzunehmen. Die abgabenverfahrensrechtliche Mitwirkungspflicht des Abgabenschuldners kann nicht dahingehend überspannt werden, dass der Rechtsunterworfene Nachforschungen bezüglich Umstände anstellen müsste, die auch von der Behörde erhoben werden können. Es ist nicht ersichtlich, dass die Abgabenbehörden gehindert gewesen wären, Auskünfte über den Inhalt der Seminare von jenen Unternehmen einzuholen, die die Seminare durchführten.
Auf der Grundlage des von den Verwaltungsbehörden festgestellten Sachverhalts besteht kein Anlass zu Zweifeln, dass der Besuch der Seminare für die Teilnehmer zur Berufsausübung zählte. Wenn die belangte Behörde dennoch derartige Zweifel hegte, hätte sie den bei ihr bekämpften Gemeindebescheid entweder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gehabt (weil der Sachverhalt für die Verneinung des Eingreifens der in Rede stehenden Ausnahme nicht ausreichend festgestellt war) oder aber die fehlenden Feststellungen selbst treffen können.
Da die belangte Behörde dies ausgehend von der verfehlten Rechtsansicht bezüglich der entsprechenden Nachweispflicht des Beschwerdeführers verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
.bea
Nachstehende Beschwerde(n) wurde(n) im gleichen Sinn erledigt am 95/17/0497