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VwGH vom 20.10.1993, 89/13/0104

VwGH vom 20.10.1993, 89/13/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des K in M, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 10-354/89, betreffend Aufhebung einer Strafverfügung im Aufsichtswege gemäß § 170 Abs 2 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer unterhält einen Kfz-Handelsbetrieb samt angeschlossener Werkstätte. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1982 bis 1984 stellte der Prüfer folgende Mängel fest:

a) unrichtige Erfassung der Neu- und Vorführwagen zu den Bilanzstichtagen infolge fehlender körperlicher Bestandsaufnahme,

b) kein Ansatz noch nicht abgerechneter Werkstattleistungen zu den Bilanzstichtagen und ,


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c)
Verbuchung privater Aufwendungen als Betriebsausgaben,
d)
nicht erklärte Mieteinnahmen.
Die unter lit. a und b angeführten Mängel waren bereits anläßlich einer im Jänner 1983 abgeschlossenen abgabenbehördlichen Prüfung der Vorjahre beanstandet worden. Das Mehrergebnis an Umsatz-, Einkommen-, Gewerbe- und Vermögensteuer für die Jahre 1982 bis 1984 betrug insgesamt S 501.391,--.

Am sprach der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers bei der zuständigen Finanzstrafbehörde erster Instanz vor und legte dar, daß der überwiegende Teil des steuerlichen Mehrergebnisses auf Bewertungs- und Rechtsfragen zurückzuführen sei. Hinsichtlich der nichterklärten Mieteinnahmen verwies er auf einen anhängigen Rechtsstreit, schloß jedoch "global" - wie der darüber aufgenommenen Niederschrift zu entnehmen ist - "ein gewisses Verschulden" seines Klienten an der eingetretenen Abgabenverkürzung nicht aus. Die Besprechung endete mit der "beiderseitigen Anerkennung" eines strafbestimmenden Wertbetrages von S 25.000,-- und einer Bestrafung wegen § 34 FinStrG in Höhe von S 5.000,--. Der Vertreter des Beschwerdeführers gab daraufhin einen Rechtsmittelverzicht zu Protokoll.

Dementsprechend wurde der Beschwerdeführer in der schriftlichen Ausfertigung der Strafverfügung vom schuldig erkannt, als Abgabepflichtiger im Bereich des Finanzamtes M, fahrlässig, unter Mißachtung der "Anzeige-, Offenbarungs- und Wahrheitspflicht" und in der Folge durch die Abgabe unrichtiger Abgabenerklärungen Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 bis 1985 (richtig wohl 1982 bis 1984) im Betrag von S 25.000,-- verkürzt zu haben. Er habe hiedurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 FinStrG begangen und werde dafür zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verurteilt.

Die Begründung lautete:

"Der umseitige Tatbestand ist auf Grund des Ergebnisses des Untersuchungsverfahrens, nach der Aktenlage und der Auskunft ihrer Steuerberatungskanzlei in objektiver und subjektiver Hinsicht erwiesen. Auf die Erklärung vom , in diesem Fall auf die Erhebung eines Einspruches zu verzichten, wird verwiesen."

Diese Strafverfügung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 170 Abs. 2 FinStrG in Verbindung mit § 299 Abs 1 lit. c BAO im Dienstaufsichtsweg aufgehoben. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz habe den Verkürzungsbetrag willkürlich angenommen und dadurch Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde am (Zustellung an den Beschwerdeführer) erlassen; im Beschwerdefall ist daher noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 375 (= ) maßgebend.

Gemäß § 170 Abs 2 FinStrG gelten für die Aufhebung von Entscheidungen in Ausübung des Aufsichtsrechtes durch die Oberbehörde die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung sinngemäß.

Die belangte Behörde stützte die Behebung der Strafverfügung auf § 299 Abs 1 lit. c BAO. Danach kann ein Bescheid von der Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Ein Verfahrensmangel läge darin, daß das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Verkürzungsbetrag nicht in nachvollziehbarer Weise ermittelt habe. Dem hält die Beschwerde entgegen, diese Annahme der Oberbehörde sei selbst willkürlich und stelle eine unbegründete Vermutung dar.

Bei dieser Argumentation übersehen beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgendes:

Verkürzungsbetrag ist jener Betrag, mit dem eine Abgabe infolge eines Finanzvergehens zu niedrig festgesetzt wurde. Er ist nach den hiefür maßgeblichen Vorschriften des Abgabenrechtes zu ermitteln und bildet - bei fahrlässiger Abgabenverkürzung - gemäß § 34 Abs. 4 FinStrG die Obergrenze des heranzuziehenden Strafrahmens. Die genaue Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages kann, insbesondere bei Abgaben mit progressivem Steuersatz, auf Schwierigkeiten stoßen, wenn ein Teil des durch eine abgabenbehördliche Prüfung festgestellten Mehrergebnisses auf nicht schuldhaft verursachte Abgabenverkürzungen (z. B. wenn bei einer reinen Rechtsfrage ein entschuldbarer Irrtum vorliegt) zurückzuführen ist. Dabei können Fehler, etwa im Bereich des Rechenvorganges oder der anzuwendenden Tarifvorschriften, auftreten. Wird eine derartige Unrichtigkeit von der Oberbehörde vermutet, hat sie - wie der Beschwerdeführer sinngemäß vorbringt - den ihrer Ansicht nach zutreffenden Verkürzungsbetrag zu ermitteln und in einem allfälligen Aufhebungsbescheid darzulegen.

Im Beschwerdefall geht die mangelnde Nachvollziehbarkeit des in der Strafverfügung angenommenen Verkürzungsbetrages jedoch auf die fehlende Konkretisierung des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen strafbaren Verhaltens zurück. Der Spruch der aufgehobenen Strafverfügung beschränkt sich auf die Feststellung, der Beschwerdeführer habe durch die "Abgabe unrichtiger Abgabenerklärungen" eine Verkürzung an Einkommen- und Gewerbesteuer bewirkt. Worin die Unrichtigkeit bestanden haben soll, wird nicht ausgeführt. Selbst unter Zuhilfenahme der Bescheidbegründung ist über die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat keine Klarheit zu gewinnen. Verweist doch auch die Begründung lediglich auf die Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens, die Aktenlage und die Auskunft des Steuerberaters. Der vom Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz erlassene Bescheid entsprach damit nicht den Anforderungen des § 138 Abs 2 lit. a in Verbindung mit § 144 FinStrG, wonach der Spruch die Bezeichnung der Tat, die als erwiesen angenommen wird, zu enthalten hat.

Dies gilt auch dann, wenn der Beschwerdeführer - wie seinem Vorbringen sinngemäß zu entnehmen ist - wissen sollte, welche der vom Betriebsprüfer festgestellten Unregelmäßigkeiten ihm als Finanzvergehen zugerechnet wurden. Auf die Umschreibung des Tatbildes kann nämlich selbst mit Einverständnis des Beschuldigten nicht verzichtet werden, da dem das öffentliche Interesse an der sachlichen Richtigkeit finanzstrafrechtlicher Entscheidungen entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/16/0092).

Die von der belangten Behörde als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügte willkürliche Annahme eines Verkürzungsbetrages stellt somit in Wahrheit eine ungenügende Tatbezeichnung dar. Mängel des Spruches belasten den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/16/0044), was die Oberbehörde primär zur Aufhebung nach § 299 Abs 2 BAO berechtigt hätte. Der belangten Behörde ist aber auch zuzustimmen, wenn sie sinngemäß die Auffassung vertritt, daß diese inhaltliche Rechtswidrigkeit notwendige Folge eines ungenügenden Ermittlungsverfahrens war; denn ohne Feststellungen darüber, durch welches konkrete Handeln oder Unterlassen der Beschwerdeführer Abgaben im Ausmaß von genau S 25.000,-- fahrlässig verkürzt haben soll, war es nicht möglich, die ihm zur Last gelegte Tat ausreichend zu bezeichnen. Das Mehrergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung von insgesamt über S 500.000,-- und die darin berücksichtigten verschiedenen Komponenten gaben darüber keinen wie immer gearteten Aufschluß. Die belangte Behörde konnte daher ihre dienstaufsichtsbehördliche Maßnahme auch unbedenklich auf § 299 Abs 1 lit. c BAO stützen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde die Ausübung des ihr in § 299 BAO eingeräumten Ermessens hinreichend begründet, indem sie auf das Interesse an einer gleichmäßigen und rechtsrichtigen Strafverfolgung hinwies.

Auch die von der Beschwerde behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt nicht vor, weil bei einer Bescheidaufhebung im Aufsichtswege eine Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs nur besteht, wenn die Oberbehörde entweder neue Beweise aufnimmt oder von einem geänderten Sachverhalt ausgeht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , 82/14/0036).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.