VwGH vom 18.09.2000, 95/17/0488
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie Senatspräsident Dr. Puck und Hofrat Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des D, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. LFVA 60 0101-8208/95-3, betreffend Vorschreibung eines Tourismusinteressentenbeitrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatzbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom schrieb das Amt der Steiermärkischen Landesregierung dem Beschwerdeführer für das Jahr 1993 einen Tourismusinteressentenbeitrag in Höhe von S 480,-- vor. Auf Grund der vom Beschwerdeführer übermittelten Beitragserklärung für das Jahr 1993 ergebe sich für die Tätigkeiten des Altwarenhandels, Pressefotogewerbes und Videogeräteverleihes und die darauf entfallenden beitragspflichtigen Umsätze ein Interessentenbeitrag in genannter Höhe.
Der Beschwerdeführer ersuchte mit Schreiben vom dahingehend um Berichtigung des Bescheides, als in diesem Bescheid die Beitragsgruppe: "Rechtsanwälte: Beitragsgruppe 6" fehle. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung berichtigte den ursprünglichen Bescheid mit Berichtigungsbescheid vom und begründete diesen Bescheid wie folgt:
"Bei einem bekannt gegebenen Gesamtumsatz von
1 - < 3 Millionen ergibt sich für beitragsbegründenden Tätigkeiten Altwarenhandel, Beitragsgruppe 5; Pressefotogewerbe, Beitragsgruppe 6; Videogeräteverleih, Beitragsgruppe 7 und Rechtsanwälte, Beitragsgruppe 6; unter Zugrundelegung der ziffernmäßig niedrigsten Beitragsgruppe (Beitragsgruppe 5) ein Betrag von S 480,--."
1.2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Das Steiermärkische Tourismusgesetz sei mit in Kraft getreten, die Beschlussfassung über die Beitragsgruppenordnung sei jedoch erst am erfolgt und es sei diese Verordnung erst am kundgemacht worden. Wohl sei das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992 bereits seit in Kraft gewesen, das Gesetz sei aber wegen des Fehlens der Beitragsgruppenordnung der Landesregierung nicht vollziehbar gewesen. Die Beitragsgruppenordnung habe erst mit Kundmachung Wirksamkeit erlangt, weil die rückwirkende Geltung von Gesetzen bzw. Verordnungen "verfassungsrechtlich unzulässig" sei, könne frühestens mit eine Beitragspflicht angenommen werden. Daraus ergebe sich, dass die Vorschreibung für das Jahr 1993 jedenfalls um den Betrag von S 131,99 (S 480,-- jährlich = S 40,-- monatlich = S 1,33 täglich) auf S 348,10 zu reduzieren sei.
1.3. Die Steiermärkische Landesregierung wies die Berufung mit Bescheid vom (dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid) als unbegründet ab. Das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992 sei nach seinem § 42 Abs. 1 am in Kraft getreten, das Beitragsjahr habe aber erst mit begonnen. Nach § 42 Abs. 1 leg. cit. sei eine spätere Erlassung von Verordnungen, deren gesetzliche Grundlage das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992 sei, nicht ausgeschlossen. Nach § 42 Abs. 3 leg. cit. sei die Verpflichtung zur Abgabe einer Beitragserklärung im ersten Beitragsjahr erst nach schriftlicher Aufforderung durch die Gemeinde entstanden und diese Aufforderung erwiesenermaßen erst nach Inkrafttreten der Beitragsgruppenordnung erfolgt. Eine Unklarheit hinsichtlich der Beitragsgruppe habe somit zum Zeitpunkt der Abgabe der Beitragserklärung für das Beitragsjahr 1993 nicht bestehen können. Es habe auch die Steuerpflicht für das Beitragsjahr 1993 bereits ab bestanden, wobei in § 34 Abs. 1 leg. cit. die Beitragstabelle mit den Beitragsgruppen und den Beitragshöhen je Umsatzstufe bereits normiert gewesen und nur die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen in die Beitragsgruppen zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich durch die Beitragsgruppenordnung, erfolgt sei. Die Einreihung der Berufsgruppen in die Beitragsgruppen zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Inkrafttretens des Tourismusgesetzes werde nicht als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen. Einer Aliquotierung des Tourismusinteressentenbeitrages, wie sie der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorsehe, könne daher nicht näher getreten werden.
1.4. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. Das im vorliegenden Fall anzuwendende Gesetz vom über den Tourismus in der Steiermark (Steiermärkisches Tourismusgesetz 1992), LGBl. Nr. 55/1992 (in der Folge: Stmk TourismusG 1992), ordnet in seinem § 42 Abs. 1 an, dass dieses Landesgesetz mit in Kraft tritt und das Beitragsjahr mit beginnt. Durch § 29 Abs. 1 Stmk TourismusG 1992 werden die Berufsgruppen der Tourismusinteressenten zur Berechnung der Interessentenbeiträge in die Beitragsgruppen 1 bis 7 eingeteilt. Die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen in die Beitragsgruppen hat die Landesregierung durch Verordnung zu treffen (Beitragsgruppenordnung). Dieser Verordnungsermächtigung ist die Steiermärkische Landesregierung durch Erlassung der "Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom , mit der auf Grund des Steiermärkischen Tourismusgesetzes die Beitragsgruppen bestimmt werden (Beitragsgruppenordnung)", LGBl. Nr. 28/1993, nachgekommen.
Nach § 4 der Beitragsgruppenordnung trat diese Verordnung mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt für die Steiermark in Kraft. Das diese Verordnung kundmachende Landesgesetzblatt wurde am ausgegeben und versendet, sodass die Beitragsgruppenordnung am in Kraft trat.
2.2. Dem Beschwerdeführer wurde - wie dies auch in der Gegenschrift nicht in Abrede gestellt wird - der Interessentenbeitrag nach dem Stmk TourismusG 1992 für das gesamte Jahr 1993 vorgeschrieben. Dadurch dass die belangte Behörde, wie dies vom Beschwerdeführer zu Recht gerügt wird, den Interessentenbeitrag auch für den Zeitraum vom bis einschließlich auf Grundlage der in diesem Zeitraum noch nicht geltenden Beitragsgruppenordnung vorgeschrieben hat, ohne eine entsprechende Aliquotierung vorzunehmen, hat sie aus folgenden Gründen die Rechtslage verkannt:
2.2.1. Die Fälligkeit des Interessentenbeitrages nach § 35 Abs. 3 Stmk TourismusG 1992 (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) entsteht am 15. Juni des jeweiligen Jahres. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit einer Abgabe kommt es jedoch bei der Frage, welcher Abgabenbemessungszeitraum der Berechnung zu Grund zu legen ist und nach welcher Rechtslage sich die Berechnung der auf einen bestimmten Zeitraum abgestellten Steuerschuld zu richten hat, nicht an. Im Hinblick auf die Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften wäre der Interessentenbeitrag für das Jahr 1993 erst ab dem (dem Tag des Inkrafttretens der Beitragsgruppenordnung) - aliquot für den Rest des Beitragsjahres - vorzuschreiben gewesen, weil erst ab diesem Zeitpunkt alle für das Abgabenschuldverhältnis maßgebenden Rechtsakte vorlagen. Die gegenteilige Rechtsauffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass das Nichtvorliegen der Beitragsgruppenordnung während eines Teiles des Bemessungszeitraumes das Entstehen der Abgabenschuld auch in diesem Teilzeitraum nicht hindere, erachtet der Verwaltungsgerichtshof als unzutreffend, geht es doch bei der Einordnung der Tätigkeiten in die Berufsgruppen um ein wesentliches Merkmal der Abgabenpflicht. Das Fehlen der Beitragsgruppenordnung ist hinsichtlich der Aliquotierung den vom Verwaltungsgerichtshof bereits entschiedenen Fällen gleichzuhalten, in denen während des Beitragsjahres eine Änderung der Einstufung in die jeweiligen Beitragsgruppen erfolgt ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/17/0011, vom , Zl. 93/17/0415, und vom , Zl. 95/17/0424, betreffend Vorschreibung eines Interessentenbeitrages nach dem Oberösterreichischen Tourismusgesetz, sowie das Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0032, zum Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 1991).
2.2.2. Zu prüfen war allerdings noch, ob sich den anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht eine Rückwirkung für den Zeitraum vom 1. Jänner bis entnehmen ließe. Auch dies ist nicht der Fall: Dem § 29 Stmk TourismusG 1992 als der gesetzlichen Grundlage der Beitragsgruppenordnung kann eine gesetzliche Rückwirkungsermächtigung (als Dauerrecht) nicht entnommen werden. Ob die Übergangsbestimmung des § 42 Abs. 1 zweiter Satz Stmk TourismusG 1992, wonach das Beitragsjahr 1993 mit beginnt, eine taugliche gesetzliche Grundlage für eine auf den zurückwirkende Verordnungserlassung gebildet hätte, kann dahingestellt bleiben, weil der Verordnungsgeber davon nach dem klaren Wortlaut des § 4 der Beitragsgruppenordnung, demzufolge die Verordnung mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt für die Steiermark in Kraft tritt, nicht Gebrauch gemacht hat. Somit fehlte es in der Zeit vor Erlassung der Beitragsgruppenordnung an einer zur Vollziehung des Gesetzes bei der Bemessung des Tourismusinteressentenbeitrages erforderlichen Ausführungsverordnung.
2.3. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 1 Z. 1, § 49 Abs. 1 letzter Satz sowie § 73 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren für Schriftsatzaufwand und für Stempelgebühren in Höhe von S 180,-- war abzuweisen, ersteres weil der Beschwerdeführer nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0214) und weil mangels Erkennbarkeit von Zeitraumbezogenheit der hier relevanten Gesetzesänderung die Rechtslage zur Zeit der Entscheidung über den Aufwandersatz anzuwenden ist, letzteres weil die Beschwerde nach dem Gesetz nur in zweifacher Ausfertigung und der angefochtene Bescheid lediglich in einfacher Ausfertigung vorzulegen waren (§ 24 Abs. 1 und § 28 Abs. 5 VwGG).
2.5. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am