VwGH vom 21.09.1994, 93/01/1289
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des AR in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. II/6-3590/92, (mitbeteiligte Partei: mj. CH, vertreten durch die Mutter BH in N), betreffend Änderung des Familiennamens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über Antrag der BH als Mutter und gesetzlicher Vertreterin des am geborenen CR wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wr. Neustadt vom gemäß den §§ 1 und 2 Abs. 1 Z. 6 iVm § 7 Namensänderungsgesetz - NÄG, BGBl. Nr. 195/1988, die Änderung des Familiennamens des mj. Mitbeteiligten auf H bewilligt. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers, des Vaters des Mitbeteiligten, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt sowie "der Antrag auf Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens, eingelangt am ," gemäß § 52 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 1420/93, abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Parteiengehörs geltend, die darin liege, daß er dem erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogen worden sei. Er habe durch Zufall von der durchgeführten Namensänderung erfahren, worauf ihm der erstinstanzliche Bescheid erst am , sohin fast ein Jahr nach seiner Erlassung, zugestellt worden sei. Dieser Vorwurf ist insofern berechtigt, als die Erstbehörde die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z. 5 NÄG, wonach den Eltern eines minderjährigen Kindes, soweit sie nicht als dessen gesetzliche Vertreter den Antrag eingebracht haben, die Stellung einer Partei in einem Verfahren auf Änderung des Familiennamens zukommt, nicht beachtet hat und dem Beschwerdeführer auf diese Weise das Recht, sich zu der beabsichtigten Maßnahme der Namensänderung seines Sohnes zu äußern, in erster Instanz genommen wurde. Dabei handelte es sich aber um einen Verfahrensfehler, der nicht der belangten Behörde anzulasten ist, weshalb vom Verwaltungsgerichtshof darauf nicht Bedacht genommen werden kann, obliegt ihm doch nur die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit. Der Beschwerdeführer hatte im Berufungsverfahren, wenn auch erst längere Zeit nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, hinreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen. Wenn es im angefochtenen Bescheid unter anderem heißt, der Name R würde, da die Namensänderung (schon) am (im Alter des Minderjährigen von 3 Jahren) praktisch vollzogen worden sei, im Erleben des Kindes einer Änderung entsprechen, die ihn in einem wesentlichen Merkmal von den übrigen wichtigen Bezugspersonen deutlich unterscheide und aufgrund der Spannungen zwischen der Kindesmutter und dem Beschwerdeführer im emotionalen Erleben zusätzlich mit Unruhe und Angst besetzt sei, wogegen der Beschwerdeführer ins Treffen führt, daß dieser Zustand durch die Behörde selbst rechtswidrig herbeigeführt worden sei, so ist ihm - abgesehen davon, daß diesem Begründungsteil keine ausschlaggebende Bedeutung zukam - entgegenzuhalten, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausschließlich vom Wohl des minderjährigen Mitbeteiligten leiten zu lassen hatte und hiebei (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11237/A) die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgebend war.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, reichen die durch § 8 Abs. 1 Z. 5 NÄG eingeräumte Parteistellung und damit auch das daraus resultierende Berufungsrecht nicht weiter als der durch § 178 Abs. 1 ABGB eingeräumte Rechtsanspruch. Das bedeutet, daß die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren abgegebene Äußerung bei der behördlichen Entscheidung lediglich dann zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn die Beibehaltung des bisherigen Familiennamens des minderjährigen Mitbeteiligten dessen Wohl besser entsprochen hätte als die beantragte Namensänderung. Die belangte Behörde hatte sich demnach aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers nur mehr mit dieser Frage auseinanderzusetzen, nicht aber zu prüfen, ob im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 6 NÄG das Wohl des Mitbeteiligten ohne die Änderung des Familiennamens gefährdet wäre (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom , Zl. 91/01/0051, und vom , Zl. 92/01/0120, auf die des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Schon aus diesem Grunde vermögen die Beschwerdeausführungen, mit denen sich der Beschwerdeführer gegen die Auffassung der belangten Behörde wendet, das Wohl des Mitbeteiligten wäre ohne die Änderung des Familiennamens gefährdet, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Unbestritten ist, daß die Mutter des Mitbeteiligten - nachdem ihre Ehe mit dem Beschwerdeführer geschieden worden war, als der Mitbeteiligte 9 Monate alt war - seit ihrer Wiederverehelichung im September 1990 den Familiennamen (ihres nunmehrigen Gatten) H führt, der Mitbeteiligte im Haushalt seiner Mutter und seines Stiefvaters lebt und dieser Ehe ein im Jahre 1992 geborener Sohn entstammt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Herstellung der Gleichheit des Familiennamens mit dem der Familie, in der das Kind aufwächst, in höherem Maße dem Wohl des Kindes entspricht als die Beibehaltung seines bisherigen (anderslautenden) Familiennamens (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/01/0121, und vom , Zl. 93/01/0876). Dies gilt grundsätzlich aufgrund der Verhältnisse, in denen das betreffende Kind lebt, weswegen nur in Ausnahmefällen eine davon abweichende Betrachtungsweise geboten sein könnte. Derartige Umstände, die eine andere rechtliche Beurteilung zuließen, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sind vom Verwaltungsgerichtshof auch sonst nach der Aktenlage nicht zu erkennen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließend unter Hinweis auf das schon zitierte Erkenntnis vom , Zl. 90/01/0121, zutreffend bemerkt, daß sie nach der Gesetzeslage nicht verpflichtet gewesen wäre, fachkundige Institutionen zuvor zu befragen, sondern die von ihr zu beurteilende Frage vielmehr selbst zu prüfen hatte, wobei es ihr allerdings freistand, im Einzelfall von fachkundigen Stellen oder Sachverständigen Stellungnahmen und Gutachten einzuholen. Letzteres hat die belangte Behörde zwar getan, doch ist das Gutachten des ihr beigegebenen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG von zum Ergebnis gelangt, daß das Wohl des minderjährigen Mitbeteiligten ohne Änderung des Familiennamens aus psychologischer Sicht gefährdet erscheine, womit nach den Denkgesetzen zwangsläufig auch zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Beibehaltung des bisherigen Familiennamens dem Wohl des Mitbeteiligten nicht besser entspreche als die Änderung dieses Namens. Diesem Gutachten käme nur dann Bedeutung zu, wenn es aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall dem genannten Grundsatz entgegenstehende Aussagen enthielte, daraus also hervorginge, daß ausnahmsweise dem Wohl des Kindes die Beibehaltung seines Namens besser entsprechen würde. Daß dies der Fall wäre, läßt sich - entgegen der offenbaren Ansicht des Beschwerdeführers - auch nicht "aus einzelnen Passagen des Gutachtens" ableiten. Wenn er in diesem Zusammenhang konkret darauf Bezug nimmt, daß das Gutachten "immerhin" auf die Notwendigkeit einer Klärung der Verhältnisse im Hinblick auf die Identitätsentwicklung des Minderjährigen hinweise, und er meint, daß eine solche Klärung durch die angestrebte Namensänderung nicht erreicht werden könne, hingegen durch die Beibehaltung des bisherigen Namens für den Mitbeteiligten klargestellt würde, daß der Beschwerdeführer sein leiblicher Vater sei und sich jener auf die tatsächlichen Gegebenheiten, nämlich daß er einen leiblichen Vater und "zudem noch eine Familie mit Mutter, Stiefvater und Stiefbruder" habe, einstelle, so übersieht er, daß es bei Beurteilung des Kindeswohles gemäß § 178a ABGB auf die gesamte Lebenssituation, in der sich sein Sohn befindet, und nicht bloß auf die von ihm völlig isoliert gesehene Frage, wen der Mitbeteiligte als seinen leiblichen Vater ansieht, ankommt. Der Umstand allein, daß dem Mitbeteiligten bei Beibehaltung seines bisherigen Familiennamens eher bewußt werde, daß der Beschwerdeführer (und nicht sein Stiefvater) sein leiblicher Vater sei, bedeutet noch nicht, daß die Beibehaltung dieses Namens dem Kindeswohl besser entspricht als die begehrte Namensänderung. Ungeachtet des Gutachtens, das heißt auch in Ansehung der die Notwendigkeit einer "Klärung der Verhältnisse" begründenden Aussage, daß die Spannungen zwischen den immer noch miteinander verstrickt erscheinenden Konfliktparteien, die für den Mitbeteiligten undurchschaubaren Absichten und Ansprüche der Erwachsenen, für ihn deutlichen Belastungscharakter hätten, wurde der Beschwerdeführer im Ergebnis in seinen Rechten dadurch nicht verletzt, daß die belangte Behörde seinen Einwendungen gegen die Änderung des Familiennamens seines Sohnes nicht Rechnung getragen hat. Mit seiner Rüge, die belangte Behörde habe dem Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht stattgegeben, zeigt daher der Beschwerdeführer auch keine Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels auf.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers lassen überhaupt insgesamt den Eindruck entstehen, daß es ihm nur oder zumindest vorwiegend um die Wahrnehmung seiner eigenen Interessen geht. Er verkennt die Rechtslage, wenn er der belangten Behörde zum Vorwurf macht, keine Interessenabwägung zwischen den Interessen seines Kindes und seinen eigenen Interessen vorgenommen zu haben. Daß der Mitbeteiligte sein einziges Kind sei, es "eher unwahrscheinlich" sei, daß er weitere Kinder haben werde, und durch die Änderung des Familiennamens sein Name, welcher der eines alten ungarischen Adelsgeschlechtes sei, aussterben werde, ist irrelevant; desgleichen, daß er als leiblicher Vater des Minderjährigen ein Interesse daran habe, "mit dem Kind auch Kontakt auf Ebene einer Vater-Sohn-Beziehung zu pflegen", auch wenn (im Sinne der von ihm angeführten zivilgerichtlichen Judikatur) "die Führung eines gemeinsamen Familiennamens der Pflege einer derartigen Beziehung jedenfalls förderlich" wäre. Daran, daß in der Situation des Mitbeteiligten die Beibehaltung des bisherigen Familiennamens seinem Wohl nicht besser entspricht, vermag auch nichts zu ändern, daß "es zahlreiche Kinder aus geschiedenen Ehen gibt, die den Namen des Vaters beibehalten, sodaß sie später allenfalls einen anderen Namen als die Kindesmutter oder Stiefgeschwister tragen", und "Scheidungen und die damit verbundenen Folgen heute allgemein gesellschaftlich akzeptiert sind, sodaß daraus kein sozialer Nachteil entstehen kann". Auch der (wieder auf zivilgerichtlicher Judikatur gestützte) Einwand des Beschwerdeführers, "eine Diskriminierung des Kindes kann jedenfalls nicht darin erblickt werden, daß das Kind einen anderen Namen führt, als seine Mutter", geht an der Sache vorbei.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.