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VwGH vom 12.06.1991, 89/13/0077

VwGH vom 12.06.1991, 89/13/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des F gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-1663/4/89, betreffend Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen für das Kalenderjahr 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte für das Kalenderjahr 1982 unter anderem die Berücksichtigung eines Betrages von S 108.280,-- als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG. "Zur Abwendung eines drohenden Konkurses für das inzwischen liquidierte Unternehmen" seines Sohnes habe er sich gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehegattin veranlaßt gesehen, diverse Rechnungen seines Sohnes zu begleichen. Weiters habe er seinem Sohn S 56.000,-- als Unterhalt zugewendet. Insgesamt seien dem Beschwerdeführer dadurch Aufwendungen in der genannten Höhe erwachsen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, daß die Unterstützung des Sohnes des Beschwerdeführers nur mit S 3.000,- monatlich "anerkannt werden darf". Für die Zeit der Unterstützung (6 Monate) sei dies ein Betrag von S 18.000,--. Zusammen mit anderen anerkannten, nicht streitgegenständlichen außergewöhnlichen Belastungen ergäbe sich ein grundsätzlich berücksichtigungsfähiger Aufwand von insgesamt S 34.234,--, der jedoch unter der Grenze der sogenannten zumutbaren Mehrbelastung liege.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Bei den Zahlungen an seinen Sohn habe es sich nicht nur um die Leistung von Unterhalt gehandelt. Vielmehr habe er mit diesen Zahlungen einen unmittelbar drohenden Existenzverlust seines Sohnes und die Einleitung eines Konkurs- bzw. Kridaverfahrens verhindert. Leider sei das Streben, die wirtschaftliche Existenz seines Sohnes zu retten, nicht erfolgreich gewesen und es habe dessen Betrieb eingestellt werden müssen. Dieser Umstand sei jedoch zu dem Zeitpunkt, in dem die Zahlungen geleistet wurden, "nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar" gewesen.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sein Sohn sei bereits einmal wegen Untreue zu 5 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dem Beschwerdeführer sei dies erst nachträglich zur Kenntnis gelangt. Andernfalls hätte er bereits damals in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung versucht, die Verurteilung abzuwenden. Gleiches gelte für die Abwendung des Konkurses seines Sohnes "um einer neuerlichen Verurteilung wegen fahrlässiger oder gar betrügerischer Krida" vorzubeugen. Eine derartige Verurteilung hätte zweifellos zu einer schweren Beeinträchtigung der beruflichen Chancen seines Sohnes geführt.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe keine sittliche Verpflichtung der Eltern, ihre straffällig gewordenen Kinder durch vermögenswerte Beiträge im Interesse der Resozialisierung zu unterstützen und die Kosten einer Strafverteidigung zu übernehmen. Gleiches gelte wohl auch für die Bezahlung von Schulden eines Sohnes, um dessen Verurteilung wegen fahrlässiger oder betrügerischer Krida zu verhindern.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ist gemäß § 34 EStG unter anderem, daß die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Gemäß Abs. 3 des zitierten Paragraphen erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Der Beschwerdeführer behauptet zu Recht weder das Vorliegen tatsächlicher noch rechtlicher Gründe, die zu einer Zwangsläufigkeit der Zahlungen für seinen Sohn geführt hätten; wohl aber macht er sittliche Gründe dafür geltend.

Was die Bemühungen des Beschwerdeführers betrifft, eine neuerliche Verurteilung seines Sohnes wegen fahrlässiger oder gar betrügerischer Krida zu vermeiden so ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbar gelagerten Fällen eine sittliche Verpflichtung der Eltern zur finanziellen Unterstützung ihrer Kinder verneint hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/14/0158 und vom , Zl. 86/14/0015). Für die Übernahme der Kosten einer Verteidigung von straffällig gewordenen Kindern und/oder der Kosten für Resozialisierung und Verbesserung von Haftbedingungen besteht nach der zitierten Rechtsprechung keine sittliche Verpflichtung der Eltern. Eine derartige Hilfestellung ist zwar vom moralischen Standpunkt zu begrüßen, es besteht aber nach dem Rechtsgefühl der Gemeinschaft keine sittliche Verpflichtung dazu.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers haben die in den zitierten Erkenntnissen getroffenen Aussagen auch im Beschwerdefall Gültigkeit. Für die Frage des Bestehens einer sittlichen Verpflichtung der Eltern zur Hilfeleistung an ein straffällig gewordenes Kind ist es ohne Bedeutung, ob die Hilfesleistung dadurch erfolgt, daß die Eltern um eine Wiedergutmachung des durch ein strafbares Verhaltens ihres erwachsenen und selbsterhaltungsfähigen Kindes verursachten Schadens bemüht sind, oder ob sie die Kosten einer möglichst guten Strafverteidigung übernehmen. Beide Wege dienen dem Ziel, die mit einer allfälligen strafrechtlichen Verurteilung für das Kind verbundenen Nachteile zu vermeiden oder zu mindern.

Aber auch unter dem Aspekt einer existenzsichernden Maßnahme bestand nach der hg. Rechtsprechung keine sittliche Verpflichtung des Beschwerdeführers zur finanziellen Hilfeleistung an seinen Sohn. Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, liegt nämlich eine existenzbedrohende Notlage naher Angehöriger nicht schon dann vor, wenn die Fortführung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ernstlich gefährdet erscheint, sondern erst dann, wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0085, und die dort zitierte Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was für die Annahme einer derartigen Existenzbedrohung seines Sohnes sprechen würde. Insbesondere ist nicht erkennbar, wodurch der Sohn des Beschwerdeführers an der Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit gehindert gewesen wäre. Tatsächlich ist den Verwaltungsakten zu entnehmen, daß der Sohn bereits im Streitjahr einige Monate hindurch eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt und dabei Nettoeinkünfte von insgesamt S 32.092,-- erzielt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.