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VwGH vom 25.11.2002, 2001/14/0175

VwGH vom 25.11.2002, 2001/14/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des G P in G, vertreten durch Mag. Helmut Mörth, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IA) vom , Zl. RV/130-15/08/97, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1992 bis 1994 sowie Verspätungszuschlag zur Umsatz- und Einkommensteuer 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb vor seiner Verhaftung im Jahr 1992 und der darauf folgenden Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe eine Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungskanzlei.

Mit Schreiben vom fragte das Finanzamt beim Beschwerdeführer an, wer seine "Gebarungsdaten abwickle", da auf seinem Steuerkonto laufende Bewegungen ersichtlich seien.

Der Beschwerdeführer beantragte hinsichtlich der Vorhaltsbeantwortung eine Fristverlängerung bis "einen Monat nach seiner Entlassung aus dem Gefangenenhaus", da er keinen Zugang zu den zur Beantwortung der Frage notwendigen Daten habe.

Das Finanzamt wies das Fristverlängerungsansuchen im Hinblick auf die lebenslange Haftstrafe ab und überdies darauf hin, dass die "Jahre ab 1992 auf Grund der Eingänge auf dem Steuerkonto vorläufig" geschätzt werden würden. In der Folge erließ das Finanzamt für die Jahre 1992 und 1993 auf § 184 BAO gestützte (endgültige) Umsatz- und Einkommensteuerbescheide, wobei es sich an den durchschnittlichen Umsätzen und Einkünften der Jahre 1988 bis 1991 orientierte. Für das Jahr 1994 schätzte das Finanzamt den Gesamtbetrag der Entgelte mit S 1 Mio (davon seien S 800.000,-- mit 20 % und S 200.000,-- mit 10 % zu versteuern) woraus sich eine Zahllast von S 100.000,-- ergab, sowie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von S 80.000,-- (resultierend aus einem Aufgabegewinn), woraus sich nach Abzug des allgemeinen Steuerabsetzbetrages eine Einkommensteuer nicht ergab.

In den dagegen erhobenen Berufungen wandte sich der Beschwerdeführer gegen den Ansatz von umsatzsteuerpflichtigen Entgelten und Einkünften aus selbstständiger Arbeit im Wesentlichen mit der Begründung, dass ihm in der Justizanstalt keine Einkünfte zugeflossen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide der Jahre 1992 und 1993 dahin ab, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer entsprechend den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen geschätzt und eine Einkommensteuer (jeweils) nicht vorgeschrieben wurde. Hinsichtlich des Jahres 1994 wurde die Berufung abgewiesen.

Begründend verwies die belangte Behörde zunächst auf die infolge unterbliebener Einreichung der Steuererklärungen gegebene Schätzungsberechtigung. Ertragsteuerlich sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1992 nur drei Monate berufstätig gewesen sei und in weiterer Folge wegen seiner Inhaftierung keinerlei Erwerbstätigkeit mehr hätte ausüben können. Umsatzsteuerlich ließen die in der (noch eingereichten) Bilanz 1991 ausgewiesenen Forderungen und die in den Jahren 1992 bis 1994 geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen den Schluss zu, dass Forderungseingänge erfolgt seien. Daran habe auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, er habe seine Verwandten ersucht, "etwas einzuzahlen, was sie erübrigen können, weil das so und so bei der Erklärung zurückkomme, man verliere nur die Zinsen" nichts zu ändern vermocht, weil dieses Vorbringen jeder Lebenserfahrung widerspreche. Soweit der Beschwerdeführer die Beiziehung eines ungarischen Dolmetschers mit der Begründung beantragt habe, dass er zur ungarischen Minderheit gehöre und der deutschen Sprache nicht so mächtig sei wie der ungarischen, sei festzuhalten, dass dieses Vorbringen sowohl im Widerspruch zu dem Eindruck stehe, den die belangte Behörde vom Beschwerdeführer infolge seines persönlichen Erscheinens in der mündlichen Berufungsverhandlung gewonnen habe, als auch zu seiner bisherigen schriftlichen Artikulierung bzw. der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich promoviert habe und jahrelang als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig gewesen sei. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde sei eine inhaltliche Begründung für die erfolgte Schätzung nach § 184 BAO schuldig geblieben.

Dazu ist zu sagen, dass eine Schätzung nach § 184 Abs. 1 BAO zu erfolgen hat, soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag, oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind. Zu schätzen ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Angabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass es der belangten Behörde im Beschwerdefall möglich gewesen wäre, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen. Er stellt auch nicht in Abrede, dass er ausreichende Auskünfte hinsichtlich der - ungeachtet der Inhaftierung - im Rahmen von Umsatzsteuervoranmeldungen erklärten und entrichteten Umsatzsteuern erteilt hätte. Die Abgabenbehörde war daher zur Schätzung der Abgaben nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass ihm in Hinblick auf seine Haft der Zugang zu seinen Unterlagen "verwehrt sei", wurde weder im Verwaltungsverfahren noch wird in der Beschwerde dargetan, welche zweckentsprechenden Maßnahmen er gesetzt hat, um Zugang zu "seinen Unterlagen" zu erhalten und inwiefern seine diesbezüglichen Bemühungen durch den Umstand seiner Haft verhindert wurden. Inwiefern der Umstand der Haft als solcher geeigneten Maßnahmen zur Erteilung zweckdienlicher Auskünfte entgegen steht, ist nicht zu erkennen.

Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung der Schätzung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen in Höhe der erklärten und geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen durch die belangte Behörde meint, diese gehe mit ihrer Annahme, den erklärten und geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen lägen Forderungseingänge zu Grunde, von einer Prämisse aus, die "im Akt keine Deckung findet", weil es unglaubwürdig sei, dass Klienten eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters nach Ablauf der Verjährung freiwillig eine Honorarnote bezahlten, zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, weil im Verwaltungsverfahren nicht aufgezeigt worden war, dass eine Verjährung der entsprechenden Forderungen tatsächlich erfolgt ist. Der Beschwerdeführer, welcher im Jahr 1992 noch als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig gewesen war, weshalb eine Verjährung seiner Forderungen in den Streitjahren 1992 bis 1994 aus der vor seiner Verhaftung ausgeübten Tätigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist, hat zu den erklärten und geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen im Verwaltungsverfahren lediglich ausgeführt, dass ihm "in der Justizanstalt keine Einkünfte zugeflossen" seien. Nun mag es zutreffen, dass die Verfügungsmöglichkeit einer zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten Person über Geldbeträge beschränkt ist, dies schließt aber weder einen steuerrechtlich relevanten Zufluss noch eine allfällige Steuerpflicht aus. Der - keineswegs unschlüssigen - Beweiswürdigung der belangten Behörde, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass Zahlungen von Verwandten ohne entsprechende Gegenleistung als Umsätze erklärt und der Umsatzsteuer unterzogen werden, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerde auch, die belangte Behörde habe im Hinblick auf § 13 Abs. 2 und § 15 Volksgruppengesetz eine eklatante Verletzung des Parteiengehörs zu verantworten, weil er für die mündliche Verhandlung unter Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit in Österreich einen ungarischen Dolmetscher beantragt habe, die belangte Behörde diesem Antrag aber nicht nachgekommen sei.

Die diesbezügliche Rüge ist verfehlt, weil der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, von der belangten Behörde wäre ihm der Gebrauch der ungarischen Sprache verweigert worden.

Auf Art. 6 MRK stützt sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang schon deswegen zu Unrecht, weil diese Norm - unabhängig von der Frage, welcher Volksgruppe eine Partei angehört - Rechte für den Fall regelt, dass ein "Angeklagter" der Verhandlungssprache nicht ausreichend mächtig ist, der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren gar nicht behauptet hat, der deutschen Verhandlungssprache nicht ausreichend mächtig zu sein. Die Berufung auf die Zugehörigkeit zu einer in Österreich eine Minderheit darstellenden Volksgruppe allein erfordert somit auch im Hinblick auf Art. 6 MRK keineswegs die in der Beschwerde behauptete "Notwendigkeit die gesamten Aktenstücke in die Sprache der Volksgruppe zu übersetzen".

Die - ohne nähere Begründung - "über persönlichen Wunsch des Beschwerdeführers angeprangerte" Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 1 Volksgruppengesetz ist ebenso wenig zu erkennen wie die Entscheidungswesentlichkeit der Frage im gegenständlichen Abgabenverfahren, ob näher angeführte Bestimmungen des Strafgesetzbuches verfassungs- oder gemeinschaftsrechtswidrig sind.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am