VwGH vom 26.07.2006, 2001/14/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der MS in S, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in 4690 Schwanenstadt, Stadtplatz 29, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV897/1-6/2000, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, welche eine Gastwirtschaft betreibt, war im Streitzeitraum 1994 bis 1998 Kunde der B-AG, einem Brauereiunternehmen, bei welcher im Jahr 1999 eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Anschließend wurden vom Finanzamt die dabei sichergestellten EDV-Bestände ausgewertet. Diese Auswertungen wurden als Kontrollmitteilung den für die jeweiligen Kunden der B-AG zuständigen Finanzämtern übermittelt.
Im Gefolge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung über die Streitjahre kam der Prüfer unter Berücksichtigung der erwähnten Kontrollmitteilung zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin so genannte "Letztverbraucherlieferungen" in näher angeführter Höhe erhalten habe. Diese seien nicht in die Bücher aufgenommen worden. Es seien daher nicht der gesamte Wareneinkauf und somit auch nicht alle erzielten Erlöse vollständig erfasst worden. Die Bücher seien daher materiell unrichtig.
Zu den Angaben der Beschwerdeführerin, wonach Partybierfässer nie eingekauft worden seien, hielt der Prüfer fest, dass an Tagen mit Schwarzeinkäufen von Partybierfässern auf den offiziellen Rechnungen die dazugehörige "Pipe für Partyfass" als Leihinventar ausgewiesen worden sei.
Vom Prüfer wurde die Ansicht vertreten, dass die entsprechenden, nicht erklärten Einkäufe mit den jeweils gültigen Verkaufspreisen hochzurechnen und den erklärten Umsätzen hinzuzurechnen seien. Überdies sei ein Sicherheitszuschlag zu verhängen.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ (nach Wiederaufnahme der Verfahren) für die Jahre 1994 bis 1998 entsprechende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass den "im Ermittlungsverfahren (u.a. - Niederschrift) sowie den im Zuge der Schlussbesprechung getroffenen Aussagen nichts hinzuzufügen" sei. Es seien keine "Graugeschäfte" getätigt worden. Es würden noch einmal die bereits im Zuge der Schlussbesprechung gestellten Anträge auf Einvernahme eines namentlich genannten Depotleiters und "des damaligen Bierführers" gestellt. Weiters wurde vorgebracht, dass der "Einkauf der CO2 Mengen" nur für den offiziellen Biereinkauf gereicht habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Strittig sei, ob die bei der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegten Auszüge aus den Originaldatenbeständen der B-AG, die von der Systemprüfungsabteilung der Großbetriebsprüfung ausgewertet und dem Finanzamt übermittelt worden seien, als Grundlage für die "Wiederaufnahmebescheide und die Annahme von Schwarzlieferungen" ausreichend seien oder nicht. Durch Einvernahme von Bediensteten und der Auswertung der EDV-Daten habe festgestellt werden können, dass Kunden neben Lieferungen, bei denen auf den Lieferscheinen bzw. Rechnungen ihre Namen aufschienen, auf Wunsch auch Lieferungen erhalten hätten, bei denen weder auf den Lieferscheinen noch in den sonstigen Aufzeichnungen der B-AG die Namen der Kunden aufgeschienen seien. Der Finanzverwaltung sei es aber in Zusammenarbeit mit zwei gerichtlich bestellten Sachverständigen durch Auswertung der EDV-Daten gelungen, eine Verknüpfung zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Lieferungen an die Kunden herzustellen.
Das von der B-AG verwendete EDV-System habe schon bei der Warenbestellung bzw. bei der Bestellannahme durch die Telefonverkäufer ein Splitting in der Form ermöglicht, dass nach Eingabe der gewünschten Getränkemenge, worüber eine Rechnung erstellt werden sollte, "und nach der Punkteingabe" die Erfassung einer weiteren Liefermenge an den gleichen Kunden möglich sei. Die B-AG habe diese EDV-mäßige Vorgabe dazu genützt, um den Wirten zu ermöglichen, einerseits eine offizielle Lieferung auf Rechnung zu erhalten und andererseits im Zuge der gleichen Bestellung weitere Waren zu beziehen, worüber keine Faktura erstellt worden sei. Durch "diese Punkteingabe" würden in der EDV zwei elektronische (nicht körperlich vorhandene) Belege mit identen Verkaufsbelegnummern generiert, welche untrennbar miteinander verbunden seien. Der "Letztverbraucherbeleg" trage allerdings den Zusatz "LV". Damit seien sowohl die offizielle Lieferung als auch die "Graulieferung" eindeutig zuordenbar. Während für die offizielle Lieferung eine Rechnung mit Angabe des Lieferempfängers ausgedruckt worden sei, sei die Graulieferung nur in einer "Hilfsliste" für den Bierführer ersichtlich gewesen. Die offizielle Lieferung sei nach der vereinbarten Rechnungsmodalität verrechnet worden, die "Letztverbraucherlieferung" sei vom Bierführer sofort bar kassiert worden. Der Wirt habe über diese Letztverbraucherlieferung weder eine Faktura noch einen Zahlungsbeleg erhalten. Die "Hilfsliste" sei laut Zeugenaussagen nach der Tagesabrechnung des Bierführers im jeweiligen Depot vernichtet worden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass die aus dem Datenbestand der B-AG herausgefilterten Listen mit Letztverbraucherlieferungen an die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Auffassung ein taugliches Beweismittel darstellten.
Dafür spreche auch der Umstand, dass weit über 90 % der über 2200 Prüfungsfälle, die auf Grund der Hausdurchsuchungen bei der B-AG durchgeführt worden seien, ohne Rechtsmittel abgeschlossen worden seien. In diesen Fällen sei die Richtigkeit der in gleicher Weise zugeordneten Schwarzlieferungen von den Abgabepflichtigen nicht in Zweifel gezogen worden. Der Finanzverwaltung seien keine Fälle unrichtiger Zuordnung bekannt geworden.
Die niederschriftliche Aussage des Ehemannes der Beschwerdeführerin, dass er keine in der Buchhaltung nicht erfasste Getränkeeinkäufe getätigt habe, sei als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren. Es seien keine Einwendungen vorgebracht worden, welche die Glaubwürdigkeit der Kontrollmitteilungen in Zweifel gezogen hätten. Daran könnten auch die über Antrag der Beschwerdeführerin durchgeführten Zeugenvernehmungen nichts ändern, weil ein Zeuge über die "Letztverbraucherlieferungen" keine Auskunft habe geben können und ein weiterer Zeuge die Aussage verweigert habe.
Auch die Behauptung, dass der Einkauf von Kohlensäure nur für den offiziellen Biereinkauf gereicht hätte, wirke nicht überzeugend, weil einerseits auf Grund unterschiedlicher Vergleichswerte kein aussagekräftiges Verhältnis zwischen CO2 Einkauf und Biereinkauf hergestellt werden könne und andererseits nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, ob in der Buchhaltung der gesamte CO2 Einkauf enthalten sei, zumal nach den Erfahrungen des täglichen Lebens CO2-Flaschen problemlos auch von Privatpersonen ohne besondere Formalitäten gemietet werden könnten.
Dafür, dass im Beschwerdefall Schwarzeinkäufe erfolgt seien, spreche auch die Feststellung, dass an Tagen der Schwarzeinkäufe von Partybierfässern auf den offiziellen Rechnungen die dazugehörigen Zapfhähne als Leihinventar ausgewiesen seien. Nach der Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass mit der Lieferung eines Partyfass-Zapfhahnes auch ein dazugehöriges Partybierfass bestellt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 leg. cit. ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnung in Zweifel zu ziehen.
Gemäß § 163 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.
Die belangte Behörde gründet den angefochtenen Bescheid und die Schätzungsberechtigung auf die sachliche Unrichtigkeit der von der Beschwerdeführerin geführten Bücher und Aufzeichnungen, welche darin bestand, dass sie die von der B-AG aufgezeichneten "Graulieferungen" nicht erfasst habe.
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 97/13/0125 und vom , 98/15/0093). Hievon ausgehend hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.
Die belangte Behörde begründete die Tatsache der an die Beschwerdeführerin erfolgten und von ihr nicht verbuchten Lieferungen ("Graulieferungen") damit, dass die im EDV-Bestand der B-AG, der Lieferantin der Beschwerdeführerin, angeführten Barverkäufe (Letztverbraucherlieferungen) mit den auf Rechnung erfolgten und von der Beschwerdeführerin verbuchten Lieferungen untrennbar verknüpft seien. Die Beschwerdeführerin stellt diese Verknüpfung konkret nicht in Abrede, sie meint lediglich allgemein, die belangte Behörde habe "einen konkreten Bezug der ausgewerteten Daten zu dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall der Beschwerdeführerin" nicht vorgenommen. Welcher "konkretere Bezug" zwischen den in der Buchhaltung aufscheinenden, und den damit verknüpften, nicht in der Buchhaltung aufscheinenden "Letztverbraucherlieferungen" der Beschwerdeführerin vorschwebt, wird in der Beschwerde allerdings nicht dargetan. War aber die entsprechende Verknüpfung geeignet, die der Beschwerdeführerin zugekommenen "Graulieferungen" zu dokumentieren, begründete dies bereits die Schätzungsberechtigung der Behörde. Die konkrete Höhe der Schätzung blieb unbekämpft. Einer Darstellung auf Grund der Verknüpfung welcher Daten mit "welchen Lieferscheinen der Beschwerdeführerin" nun tatsächlich die "Graulieferungen" festgestellt worden seien, bedurfte es im angefochtenen Bescheid nicht, weswegen der diesbezügliche Beschwerdevorwurf ins Leere geht.
Eines - weiteren - "schriftlichen oder sonst sichtbaren Beweises" dafür, dass die Beschwerdeführerin "nicht versteuerte" (gemeint wohl: in der Buchhaltung nicht erfasste) Getränkelieferungen erhalten hat, bedurfte es im Hinblick auf die edv-mäßig verknüpften Daten der B-AG nicht.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, es fehle insbesondere an einem "eindeutigen und unwiderleglichen" Beweis dafür, dass sie tatsächlich "Getränkemengen" verkauft habe, ohne hiefür die entsprechenden Steuern abzuführen, so durfte die Behörde dies nach der Lebenserfahrung schlüssig aus dem - wie ausgeführt - nicht als unzutreffend zu erkennenden Umstand ableiten, dass die Beschwerdeführerin Getränke eingekauft hat, ohne diese in der Buchhaltung zu erfassen.
Der Versuch, eine unzureichende Beweiswürdigung allein mit dem Hinweis darauf aufzuzeigen, dass sich die Entscheidung der belangten Behörde ausschließlich auf Indizienbeweise gründe, muss schon deswegen scheitern, weil auch der Indizienbeweis Vollbeweis ist, indem er, aufbauend auf erwiesenen Hilfstatsachen, mit Hilfe von Erfahrungssätzen und logischen Operationen den Schluss auf die beweisbedürftige rechtserhebliche Haupttatsache ermöglicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0155).
Ebenfalls unberechtigt ist die Beschwerderüge, die belangte Behörde habe das Vorbringen, die eingekauften CO2-Mengen reichten ausschließlich für den offiziellen Biereinkauf aus, nicht ausreichend gewürdigt, weil die Beschwerdeführerin den im angefochtenen Bescheid dargestellten Umstand nicht in Abrede stellt, dass auf Grund unterschiedlicher Vergleichswerte kein aussagekräftiges Verhältnis zwischen CO2 Einkauf und Biereinkauf hergestellt werden könne. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, die eingekauften CO2-Mengen reichten ausschließlich für den offiziellen Biereinkauf aus, nicht geeignet, einen Fehler in den Daten der B-AG aufzuzeigen.
Die Beschwerdeführerin trägt weiters vor, auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin " zeitweise" Zapfhähne für Partybierfässer bei der B-AG ausgeliehen habe, sei kein Beweis dafür, dass es zu entsprechenden "Graulieferungen gekommen wäre, weil es durchaus "im Rahmen des Üblichen" und vorstellbar sei, dass die Zapfhähne im privaten Bereich gebraucht worden seien.
Mit diesem Vorbringen vernachlässigt die Beschwerdeführerin den Umstand, dass im Beschwerdefall nicht nur festgestellt wurde, dass "zeitweise" entsprechende Zapfhähne ausgeliehen wurden, es wurde vielmehr festgestellt, dass gerade anlässlich derartiger (auf Rechnungen festgehaltener) Ausleihungen, gleichzeitig im Rahmen von nicht verbuchten Lieferungen die dazugehörigen Partybierfässer geliefert wurden. Daraus wird unabhängig davon, ob man nun davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Hinweis auf den Gebrauch der Zapfhähne im privaten Bereich auch zum Ausdruck bringen wollte, dass auch die entsprechenden Partybierfässer für den privaten Bereich eingekauft wurden oder nicht, jedenfalls deutlich, dass die von der Behörde festgestellten Verknüpfungen entsprechende Zuordnungen der Lieferungen an den jeweiligen Empfänger erlaubten. Ob die entsprechenden Lieferungen in der Folge "im privaten Bereich" oder betrieblich für den Weiterverkauf verwendet wurden, wäre allenfalls eine weitere Frage, wobei die Beschwerdeführerin allerdings nie behauptet hat, dass die entsprechenden "Graulieferungen" im privaten Bereich Verwendung gefunden hätten.
Insgesamt kann die Beschwerdeführerin mit dem Beschwerdevorbringen die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in dem Grad erschüttern, dass Unschlüssigkeit gegeben wäre.
Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides somit nicht aufzuzeigen vermochte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am