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VwGH vom 25.01.2006, 2001/14/0170

VwGH vom 25.01.2006, 2001/14/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des O L in A, vertreten durch Dr. Gerhard Holzinger, Rechtsanwalt in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 36, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV 860/1-7/2001, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Anlässlich einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Nachschau wurde im November 2000 festgestellt, dass das Kraftfahrzeug Toyota Corolla Baujahr 1999 mit einem Kilometerstand von 11.000 mit einem näher angeführten deutschen Kennzeichen auf den Beschwerdeführer zugelassen ist. Der Beschwerdeführer habe erklärt, dass er das gegenständliche Fahrzeug für die Bewältigung der Strecke Wohnort-Arbeitsstätte benutze. Weiters sei angegeben worden, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft sowie eine deutsche Lenkerberechtigung besitze und sein Arbeitgeber das Krankenhaus Burghausen (Deutschland) sei. Seine Ehegattin, die einen weiteren auf ihn in Deutschland zugelassenen Pkw in Gebrauch habe, sei ebenfalls deutsche Staatsbürgerin und verfüge nur über eine deutsche Lenkerberechtigung. Sie arbeite ebenfalls in Burghausen (Deutschland) und habe ihren Familienwohnsitz in Ach, Österreich. Sie werde als Grenzgängerin beim Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beschwerdeführer sei ebenfalls an dieser Adresse wohnhaft, sei aber auch in der Stadt Burghausen, in der Krankenhausstraße gemeldet und werde in Deutschland zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass gemäß § 1 Z. 3 des geltenden Normverbrauchsabgabegesetzes (NoVAG) die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland der Normverbrauchsabgabe unterliege, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht werde. Diese Bestimmung gelte ab . Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und hier verwendet würden, seien bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland (Standortvermutung) anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge sei gemäß § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967 nur während der drei unmittelbar auf ihre Einbringung in das Bundesgebiet folgenden Tage zulässig. Bei überwiegender Verwendung des Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen im Inland, sei dieses nach Auffassung der Behörde jedenfalls in Österreich zum Verkehr anzumelden. Werde dieser Verpflichtung nicht entsprochen, so erfolge die Verwendung nach Ablauf des Dreitageszeitraumes entgegen den kraftfahrrechtlichen Vorschriften (ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung im Inland) und damit widerrechtlich im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 3 KfzStG 1992 in Verbindung mit § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967. Bei widerrechtlicher Verwendung würde die Kraftfahrzeugsteuerpflicht vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetze, bis zum Ablauf des Kalendermonates, in dem die Verwendung ende, dauern. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, einen Hauptwohnsitz namhaft zu machen bzw. weitere Wohnsitze bekannt zu geben und die diesbezüglichen Meldebestätigungen vorzulegen.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom führte der Beschwerdeführer aus, dass er neben seinem Wohnsitz in Österreich auch noch einen Wohnsitz in Deutschland habe. Ferner wurde von ihm darauf hingewiesen, dass es nach "neuem EU-Recht" keine Unterscheidung mehr nach Hauptwohnsitz und Wohnsitz gebe. Er sei in Deutschland steuerlich veranlagt, da er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Die rechtliche Ausführung des Finanzamtes, dass bei überwiegender Verwendung des Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen im Inland dieses jedenfalls in Österreich zum Verkehr anzumelden sei, werde massiv zurückgewiesen. Auf Grund des deutschen Arbeitgebers sei er gezwungen, sich überwiegend in Deutschland aufzuhalten bzw. sein Fahrzeug überwiegend in Deutschland zu verwenden. Ebenso wenig lasse sich sein überwiegender Lebensmittelpunkt definieren. Zusammenfassend sei festzustellen, dass er keineswegs der Auffassung sei, dass die auf ihn zugelassenen Fahrzeuge einer Normverbrauchsabgabe in Österreich unterlägen.

In der Folge wurde für den angeführten Pkw vom Finanzamt Braunau Normverbrauchsabgabe in Höhe von S 10.637,-- (8 % von 110.800,-- zuzüglich 20 % gemäß § 6 Abs. 6 NoVAG) festgesetzt.

In einer dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe seinen Wohnsitz in Österreich, er habe aber auch noch einen Wohnsitz in Deutschland "(ab Geburt ohne Unterbrechung)". Er sei in Deutschland steuerlich veranlagt, da er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Beruflich sei er dazu gezwungen (der Arbeitgeber befinde sich in Deutschland), sich überwiegend und primär in Deutschland aufzuhalten bzw. das Fahrzeug überwiegend und primär in Deutschland zu verwenden. Sein Lebensmittelpunkt sei Deutschland, da er beruflich wegen Bereitschaftsdiensten, Hintergrunddiensten, akuten Notfällen in der Nacht usw. gezwungen sei, seinen Wohnsitz in Deutschland zu nutzen. Nach neuerem EU-Recht gebe es keine Unterscheidung mehr nach Hauptwohnsitz und Wohnsitz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Bei Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz im Inland benutzt würden, sei bis zum Gegenbeweis davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge einen dauernden Standort im Inland hätten. Grundsätzlich sei festzustellen, dass der Hauptwohnsitz eine Unterkunft darstelle, an der man sich mit der Absicht niedergelassen habe, diesen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Eine Person könne mehrere Wohnsitze haben, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse. Bei mehreren Wohnsitzen sei nach geltender Rechtslage derjenige als Hauptwohnsitz anzusehen, zu dem man ein überwiegendes Naheverhältnis habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe hiezu in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass im Regelfall nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort bestünden, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebe, dass also der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes der Familie zu finden sein werde. Diesbezüglich habe der Gerichtshof festgestellt, dass es der Lebenserfahrung widerspreche, wenn eine Person ohne Vorliegen besonderer Umstände zu einem Wohnsitz, der etwa eine Wohnung am Arbeitsplatz darstelle und nur während der Arbeitswoche benutzt werde, engere persönliche Bindungen habe als zu einer mit der Ehefrau gemeinsam benutzten Wohnung. Wenn daher unbestrittenermaßen feststehe, dass der Beschwerdeführer, der zwar in Deutschland berufstätig sei, regelmäßig zumindest an den Wochenenden von seiner Arbeitsstätte in das gemeinsame Einfamilienhaus zurückkehre und hier mit seiner Ehefrau zumindest die Wochenenden und sonstigen freien Tage verbringe, so stelle der Wohnsitz im Inland den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse dar. Es gehöre nämlich zum allgemeinen Erfahrungsgut des Lebens, dass Eheleute, die zusammen wohnen, einen gemeinsamen Haushalt führen. Diese rechtliche Ansicht decke sich mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, dass sich der Familienwohnsitz der Ehefrau in Österreich (im Einfamilienhaus) befinde und dass der Wohnsitz in Deutschland aus rein beruflichen Gründen existiere. Auf Grund der aufrechten Ehe sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Frau seinen Hauptwohnsitz in Österreich inne habe. Diese Ansicht werde durch die Hauptwohnsitzmeldebestätigung einer näher angeführten Gemeinde in Österreich bestätigt. Die Hinweise auf die aufrechte deutsche Staatsbürgerschaft, den Arbeitgeber in Deutschland bzw. auf die deutsche Zulassung für den gegenständlichen Pkw stünden der rechtlichen Beurteilung der Abgabenbehörde nicht entgegen. Der allgemein gehaltene Einwand, dass europarechtlich keine Unterscheidung mehr zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz existiere, sei auf Grund mangelnder näherer Ausführungen des Beschwerdeführers bzw. der im Berufungszeitraum geltenden und somit anzuwendenden Bestimmungen des Hauptwohnsitzgesetzes bzw. Meldegesetzes nicht geeignet, die Rechtsansicht der belangten Behörde zu ändern. Vielmehr sei darauf hinzuweisen, dass in den Begriffsbestimmungen des geltenden internationalen OECD-Abkommens bezüglich Personen, die in zwei Vertragsstaaten über einen Wohnsitz verfügten, die Regelung dahingehend getroffen werde, dass (wie in den oben angeführten österreichischen Normen) auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abzustellen sei. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bezüglich des Beschwerdeführers im Unterschied zu seiner Ehefrau Österreich nur deshalb nicht auch das Besteuerungsrecht zukomme, weil auf Grund des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Deutschland festgelegt werde, dass für einen in Österreich ansässigen Grenzgänger, der bei einem öffentlichen Arbeitgeber in Deutschland beschäftigt sei, das Besteuerungsrecht an den Bezügen Deutschland zugeteilt werde. Der Ansässigkeitsstaat bleibe demnach trotz Besteuerungsrecht von Deutschland auch für den Beschwerdeführer Österreich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 1 Z. 3 NoVAG unterliegt der Normverbrauchsabgabe - abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland. Als erstmalige Zulassung gilt unter anderem die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG in der vor seiner Änderung durch BGBl I Nr. 132/2002 geltenden Fassung sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während der drei unmittelbar auf ihre Einbringung in das Bundesgebiet folgenden Tage zulässig.

Im Beschwerdefall nahm die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer nicht nur seinen Hauptwohnsitz, sondern auch den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in Österreich hat. Sie leitete daraus ab, dass damit der Gegenbeweis dafür, dass das auf den Beschwerdeführer zugelassene Fahrzeug seinen dauernden Standort nicht in Österreich habe, nicht erbracht worden sei.

Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Mit der Beschwerderüge, die belangte Behörde habe keine "ausreichenden" Ermittlungen angestellt, um die Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensverhältnisse abschließend beurteilen zu können, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, welche Sachverhaltsfeststellungen er konkret vermisst, zumal er einräumt, dass es nach der Lebenserfahrung im Regelfall zutreffen möge, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes einer Familie zu finden sein und daher die engere persönliche Bindung typischerweise zu einer mit der Ehefrau gemeinsam genutzten Wohnung und nicht zu einer Wohnung am Arbeitsplatz bestehen werde.

Die Behörde hat aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch darauf hingewiesen hat, dass er seinen überwiegenden Lebensmittelpunkt selbst nicht definieren könne, keine für ihn nachteiligen Schlussfolgerungen gezogen. Sie hat entgegen dem Beschwerdevorbringen auch keine rechtlich exakte Definition hinsichtlich des überwiegenden Lebensmittelpunktes vom Beschwerdeführer verlangt, sondern nur sein diesbezügliches Vorbringen wiedergegeben.

Nach der dargestellten Rechtslage und dem sich aus dem aktenkundigen Meldezettel ergebenden Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich selbst als Hauptwohnsitz bezeichnet hat, lag es im Fall seiner Ansicht, dass der dauernde Standort des in Rede stehenden Fahrzeuges nicht in Österreich liege, an ihm, den Beweis dafür zu erbringen. Vor diesem Hintergrund hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit und Veranlassung, schon im Verwaltungsverfahren und nicht erst erstmalig in der Beschwerde darauf hinzuweisen, dass er und auch seine Frau alle Verwandten und nahezu alle Freunde und Bekannten in Deutschland hätten und dieser Umstand allenfalls in Verbindung mit weiteren Argumenten geeignet sei, den Beweis dafür zu erbringen, dass der ständige Standort des Fahrzeuges nicht in Österreich sei.

Unberechtigt ist die Beschwerderüge, die Normverbrauchsabgabe als solche sei gemeinschaftsrechtswidrig, berechtigt ist hingegen das Vorbringen, der in der dem Beschwerdeführer vorgeschriebenen Abgabe enthaltene 20 %ige Zuschlag gemäß § 6 Abs. 6 NoVAG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Zu beiden Fragen hat sich der EuGH in seinem Urteil vom , C - 387/01, Weigel, geäußert und unter anderem zu Recht erkannt:

"Eine Verbrauchsabgabe wie die ... Normverbrauchs-Grundabgabe

ist eine inländische Abgabe, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht anhand der Artikel 23 EG und 25 EG, sondern anhand des Artikels 90 EG zu prüfen ist.

Artikel 90 EG ist dahin auszulegen, dass er einer

Verbrauchsabgabe wie der ... Normverbrauchs-Grundabgabe nicht

entgegensteht, soweit deren Beträge den tatsächlichen Wertverlust der von einer Privatperson eingeführten gebrauchten Kraftfahrzeuge genau widerspiegeln und die Erreichung des Zieles ermöglichen, derartige Fahrzeuge so zu besteuern, dass auf keinen Fall der Betrag der Restabgabe überschritten wird, der im Wert gleichartiger, im Inland bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist.

Artikel 90 EG ist dahin auszulegen, dass er im Fall der Einfuhr eines Gebrauchtfahrzeuges aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine Privatperson der Erhebung eines Zuschlags von 20 % auf

eine Abgabe mit den Merkmalen der ... Normverbrauchs-Grundabgabe

entgegensteht."

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0061). Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am