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VwGH vom 23.02.2005, 2001/14/0165

VwGH vom 23.02.2005, 2001/14/0165

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2000/14/0051 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des G K in G, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , GZ. RV 1016/1-8/2000, betreffend (erhöhte) Familienbeihilfe ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am geborene, geistig behinderte Beschwerdeführer stellte im Jänner 2000 durch seinen Sachwalter einen Antrag auf Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe ab .

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag im Instanzenzug abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, im Verwaltungsverfahren sei strittig gewesen, ob die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei. Im Beschwerdefall könne diese Frage indes auf sich beruhen, weil ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe schon aus einem anderen Grund nicht gegeben sei:

Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 sei das Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe. Könne das Kind seine Bedürfnisse aus eigenen Einkünften überwiegend oder zur Gänze selbst decken, vermindere sich der Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern entsprechend oder falle gänzlich weg. Müssten die Eltern den Unterhalt nicht überwiegend oder überhaupt nicht leisten, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Nach § 2 Abs. 6 FLAG 1967 sei, wenn ein Kind Einkünfte beziehe, die durch das Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt seien, bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten werde, von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen. Eine Person trage die Kosten des Unterhalts nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beitrage, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein (gegebenenfalls erheblich behindertes) Kind entspreche.

Um beurteilen zu können, wer die Unterhaltskosten überwiegend trage, seien zunächst die tatsächlichen Unterhaltskosten zu ermitteln. Diese seien im Beschwerdefall mit S 12.290,-- bekannt gegeben worden.

Die monatlichen Einkünfte des Beschwerdeführers setzten sich wie folgt zusammen:

Berufsunfähigkeitspension: S 5.370,50

Ausgleichszulage: S 2.500,--

Pflegegeld: S 2.863,--

KV-Beitrag: S 295,10

Das Pflegegeld berühre den Unterhaltsanspruch eines Kindes nicht. Somit ergäben sich abzüglich des KV-Beitrags monatliche Einkünfte in Höhe von S 7.575,40. Vermindere man die Unterhaltskosten entsprechend dem § 2 Abs. 6 FLAG 1967 um die steuerfreie Ausgleichszulage verbleibe ein Rest von S 9.790,--, weshalb der Beschwerdeführer auf Grund seiner Berufsunfähigkeitspension (ohne Ausgleichszulage) überwiegend für sich selbst aufkommen könne. Eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Eltern sei demnach ausgeschlossen, zumal auch eventuellen freiwilligen Leistungen der Eltern der Unterhaltscharakter fehle. Ein Eigenanspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe sei daher nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 bezweckt - bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967 - die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, mit Vollwaisen, für die niemand unterhaltspflichtig ist und die deshalb einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Der Gesetzgeber will mit dieser Bestimmung in jenen Fällen Härten vermeiden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0066).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 95/13/0007, ausgeführt hat, geht die Bestimmung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 auch in seiner 1992 novellierten Fassung vom aufrechten Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern aus. Dies sei im Text der Vorgängerbestimmung durch die Verwendung der Worte "deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen" zwar unmissverständlicher zum Ausdruck gekommen, doch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass in dieser Anspruchsvoraussetzung durch die 1992 erfolgte Novellierung eine Änderung eingetreten sei. Dafür spreche schon die Wortinterpretation zufolge Verwendung der Worte "Unterhalt leisten", weil dieser der Terminologie des Zivilrechtes entnommene Begriff in seiner dem Zivilrecht entsprechenden Verwendung das Bestehen einer gesetzlichen Pflicht zur Unterhaltsleistung voraussetze. Keinen anderen Befund liefere die teleologische Interpretation der anzuwendenden Vorschrift, solche Kinder den Waisen gleich zu stellen, deren Eltern als Träger der auszugleichenden Lasten aus anderen Gründen als den in § 6 Abs. 4 FLAG 1967 genannten ausfallen. Für ein unverändertes Gesetzesverständnis spreche schließlich auch die in den Gesetzesmaterialien (465 der BlgNR XVIII. GP) zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Absicht. Dass der Gesetzgeber der Novelle BGBl. Nr. 311/1992 mit der Neufassung der Bestimmung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 die aus dem gesamten Normengefüge hervorleuchtende Grundkonzeption des Systems der Anspruchsberechtigung auf Familienbeihilfe dahin hätte verlassen wollen, dass ein Eigenanspruch einer Person auf Familienbeihilfe ohne das Element des "Ausfallens" der die Last der Versorgung von Kindern sonst tragenden Eltern statuiert werden sollte, wodurch auch Personen den Waisen gleich gestellt worden wären, denen gegenüber Unterhaltspflichten ihrer Eltern nicht mehr bestehen, sei nicht zu erkennen.

Im Erkenntnis vom , 99/14/0320, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Bezug von Pflegegeld und "Sozialhilfe", sofern sie nicht zur Gänze eine Heimerziehung finanziert, bei der (beihilferechtlichen) Prüfung des Vorliegens eines aufrechten Unterhaltsanspruchs des Unterhaltsberechtigten auszuklammern ist (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom , 2000/15/0219).

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe schon deswegen keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, weil die Eltern infolge eigener Einkünfte des Beschwerdeführers jedenfalls nicht überwiegend für seine Unterhaltskosten aufzukommen hätten, findet in den den Anspruch auf Familienbeihilfe regelnden Bestimmungen des FLAG 1967 keine Stütze. Wann eigene Einkünfte des Vollwaisen dem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegenstehen, wird in § 6 Abs. 3 FLAG 1967 geregelt - eine Bestimmung, die nach Abs. 5 leg. cit. auch auf Kinder anzuwenden ist, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten. Die Bestimmung des § 2 Abs. 6 FLAG 1967 war im Beschwerdefall nicht heranzuziehen, weil sich die Frage, ob der Beschwerdeführer auf Kosten einer Person (überwiegend) unterhalten wird (und daher dieser Person ein Anspruch auf Familienbeihilfe zustehen könnte), mangels jeglicher Unterhaltsleistung der Eltern gar nicht stellte.

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde nicht geprüft, ob der Beschwerdeführer einen aufrechten Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern hat oder im Hinblick auf den eigenen Pensionsanspruch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz von Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am