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VwGH vom 22.03.1996, 95/17/0178

VwGH vom 22.03.1996, 95/17/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , Zl. Jv 384-33/95, betreffend Sachverständigengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom wurden im Rekurswege die in einer Arbeitsrechtssache vor dem Landesgericht Ried im Innkreis (in der der Beschwerdeführer klagende Partei war) aufgelaufenen Sachverständigenkosten mit S 38.709,-- bestimmt. Gemäß § 2 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962, BGBl. Nr. 288 in der Fassung BGBl. Nr. 501/1984 (im folgenden: GEG 1962), wurde ausgesprochen, daß die beklagte Partei die Gebühren des Sachverständigen im Umfang von S 38.709,-- zu ersetzen habe. Dieser Beschluß wurde rechtskräftig.

Mit der in der Arbeitsrechtssache ergangenen Revisionsentscheidung des Obersten Gerichtshofes vom wurde die beklagte Partei gemäß Punkt 4 des Spruches verpflichtet, dem Beschwerdeführer (Kläger) die mit S 3.798,20 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (Barauslagen) und die mit S 2.177,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 362,97 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Nach der Begründung dieses Urteiles gründe sich die Kostenentscheidung auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 Abs. 1 ZPO. Im ersten Verfahrensabschnitt bis habe der Beschwerdeführer mit 71 % seiner Ansprüche obsiegt, sodaß ihm 71 % der Gerichts- und Vollmachtskosten und 42 % für das Porto zustünden. Im Revisionsverfahren habe der Beschwerdeführer mit 58 % obsiegt, sodaß er Anspruch auf 16 % der Kosten der Revisionsbeantwortung habe.

1.2. Mit Zahlungsauftrag vom schrieb der Kostenbeamte des Landesgerichtes Ried im Innkreis dem Beschwerdeführer von den aus Amtsgeldern an den Sachverständigen ausgezahlten Gebühren gemäß § 2 Abs. 1 GEG 1962 einen Betrag von S 16.258,-- und eine Einhebungsgebühr von S 50,-- nach § 6 leg. cit. zur Zahlung vor.

Der Beschwerdeführer stellte einen Berichtigungsantrag, mit dem er die gänzliche Aufhebung des Zahlungsauftrages mit der Begründung verlangte, daß im Urteil des Obersten Gerichtshofes über die Sachverständigengebühren nicht abgesprochen worden sei, daher der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz maßgeblich und das Gutachten für Teile des Urteiles erstellt worden sei, bei denen er zur Gänze durchgedrungen sei.

1.3. Mit Bescheid vom gab der Präsident des Landesgerichtes Ried im Innkreis diesem Berichtigungsantrag nicht statt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, im Urteil des Obersten Gerichtshofes vom habe dieser seine Kostenentscheidung auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 Abs. 1 ZPO gestützt und dabei ausgesprochen, daß der Kläger im ersten Verfahrensabschnitt bis mit 71 % obsiegt und daher in diesem Ausmaß Anspruch auf Ersatz von Barauslagen habe. Im zweiten Verfahrensabschnitt nach Ausdehnung des Klagebegehrens, in welchem das Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, habe der Oberste Gerichtshof offenbar Kostenaufhebung vorgenommen, wenn dies auch nicht ausdrücklich ausgesprochen worden sei.

Sodann heißt es in der Begründung weiter, zum Zeitpunkt der Beschlußfassung des OLG Linz nach § 2 Abs. 2 GEG 1962 () sei noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Kostenersatzpflicht vorgelegen, weswegen eine vorläufige Entscheidung zu fällen gewesen sei. Dieser Grundsatzbeschluß des OLG nach § 2 Abs. 2 GEG 1962 (bei Kosten über S 3.000,-- durch den Richter) sollte dem Kostenbeamten die Möglichkeit geben bzw. erleichtern, Kosten schon vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens einzuheben.

Der Grundsatzbeschluß nach § 2 Abs. 2 GEG 1962 stelle nur eine vorläufige Entscheidung dar, die durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes überholt sei. Für die Kostenersatzpflicht sei daher nunmehr die Entscheidung des OGH über die Kostentragung im Verfahren erster Instanz maßgebend, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Zahlungsauftrages bereits vorhanden gewesen sei. Nach dieser Kostenentscheidung sei der Beschwerdeführer durch die Einhebung von 42 % des Sachverständigengebührenbetrages keinesfalls beschwert. Sie entspreche der Kostenentscheidung des OGH über die Kosten des Revisionsverfahrens, die für den Beschwerdeführer sogar günstiger sei als das Ergebnis des zweiten Abschnittes des Verfahrens erster Instanz. Da weiters eine Berücksichtigung des Prozeßerfolges hinsichtlich der im Gutachten erörterten Teilbeträge für die Frage der Gebühreneinhebung im § 2 Abs. 1 GEG 1962 nicht vorgesehen sei und für den Kostenbeamten auch gar nicht möglich wäre, sei dem Berichtigungsantrag ein Erfolg zu versagen gewesen.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen und insbesondere nicht entgegen einem rechtskräftigen Beschluß im durchgeführten Gerichtsverfahren zur Zahlung von vorläufig aus Amtsgeldern getragenen Sachverständigengebühren herangezogen zu werden. Nach der Beschwerdebegründung sei in dem in der Hauptsache ergangenen über die Sachverständigengebühren nicht abgesprochen worden. Für die Frage, wer von den Streitteilen die Sachverständigengebühren zu entrichten habe, sei daher nach wie vor der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom maßgeblich. Dabei handle es sich nicht um eine vorläufige Entscheidung, die durch die Entscheidung des OGH überholt sei. Der OGH habe letztendlich auch über die Frage, wer die Sachverständigengebühren zu tragen habe, nicht mehr abgesprochen, da dies bereits rechtskräftig erledigt gewesen sei.

Im übrigen habe das gegenständliche Gutachten in der weitaus überwiegenden Hauptsache die vom Beschwerdeführer (dem Kläger) geltend gemachten Entgelt- bzw. Aufwandersatzdifferenzen betroffen, die sich aus der kollektivvertraglichen Unterentlohnung ergeben hätten. Der Prozeßaufwand an Sachverständigengebühren habe sich nur auf den im vollen Umfang mit Urteil zugesprochenen Teil des Klagebegehrens bezogen, weshalb die Sachverständigengebühren im Sinne des § 43 Abs. 1 letzter Satz ZPO zur Gänze von der beklagten Partei zu tragen seien.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des GEG 1962 in der Fassung BGBl. Nr. 501/1984, 646/1987 und 343/1989 lauten auszugsweise:

"§ 1. Das Gericht hat nachstehende Beträge von Amts wegen einzubringen:

...

5. in bürgerlichen Rechtssachen alle Kosten, die aus Amtsgeldern berichtigt wurden, sofern sie von einer Partei zu ersetzen sind. Solche Kosten sind insbesondere:

...

c) die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetsche und Beisitzer, ...

...

§ 2. (1) Die in § 1 Z 5 genannten Kosten sind, sofern hiefür kein Kostenvorschuß (§ 3) erlegt wurde oder keine andere Regelung getroffen ist, aus Amtsgeldern zu berichtigen; diese und die in § 1 Z 7 genannten Kosten sind dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Hiebei ist, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind diese Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlaßt haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde. Mehrere Personen, die zum Ersatz desselben Betrages verpflichtet sind, haften zur ungeteilten Hand.

(2) Sind in bürgerlichen Rechtssachen die Kosten einer Amtshandlung, die den Betrag von 3.000,-- S übersteigen, aus Amtsgeldern zu berichtigen oder berichtigt worden, so hat das erkennende Gericht (der Vorsitzende) mit der Auszahlungsanweisung oder, wenn die Auszahlung nicht vom Richter angeordnet wird, unverzüglich nach dieser Anweisung mit gesondertem Beschluß dem Grunde nach zu bestimmen, welche Partei in welchem Umfang diese Kosten nach Abs. 1 zu ersetzen hat. Gegen diesen Beschluß ist der Rekurs zulässig.

(3) ...

§ 7. (1) Der Zahlungspflichtige kann, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen vierzehn Tagen dessen Berichtigung verlangen. Der Berichtigungsantrag ist bei dem Gericht einzubringen, dessen Kostenbeamter den Zahlungsauftrag erlassen hat. In Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht."

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0298, zu § 2 Abs. 1 zweiter Satz GEG 1962 in der Fassung BGBl. Nr. 501/1984 - unter Hinweis auf die Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte (samt Gesetzesmaterialien) und den Zweck der Regelung - ausgeführt hat, muß das zur Entscheidung über die Pflicht, amtswegig bevorschußte Kosten dem Bund zu ersetzen, dem Grunde nach berufene Organ (bei Kosten bis S 3.000,--: der Kostenbeamte; bei Kosten über S 3.000,--: das Gericht) dieser Entscheidung eine im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der Parteien untereinander (Kostenentscheidung zwischen den Streitteilen) zugrundelegen. Andernfalls gilt § 2 Abs. 1 dritter Satz leg. cit. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis weiters aus § 7 Abs. 1 zweiter Satz GEG 1962 geschlossen, daß die Frage der Gesetzmäßigkeit der durch den Gerichtsbeschluß dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht gegenüber dem in Vorlage getretenen Bund nicht mehr auf dem Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung aufgerollt werden darf.

2.3.1. Im vorliegenden Fall betragen die in Rede stehenden Kosten (Sachverständigengebühren) mehr als S 3.000,--. Es war daher nach § 2 Abs. 2 GEG 1962 eine GERICHTLICHE Entscheidung über die Pflicht zum Ersatz der aus Amtsgeldern berichtigten Sachverständigengebühren an den Bund zu treffen. Dies ist auch geschehen. Der gerichtliche Beschluß (sogenannter "Grundsatzbeschluß") über die Ersatzpflicht der beklagten Partei gegenüber dem Bund (rechtskräftiger Beschluß des OLG Linz vom ) erging VOR Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsache und den Kostenersatz zwischen den Streitteilen im Sachurteil (); dementsprechend bildete die (spätere) Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der Streitteile untereinander keine Grundlage des sogenannten Grundsatzbeschlusses.

2.3.2. Die belangte Behörde meint nun, der zitierte sogenannte Grundsatzbeschluß des OLG Linz habe nur provisorischen Charakter gehabt. Der Grundsatzbeschluß nach § 2 Abs. 2 GEG 1962 stelle nur eine vorläufige Entscheidung dar, die durch die Entscheidung des OGH überholt sei. Die belangte Behörde vertritt damit die Auffassung, der gerichtliche Grundsatzbeschluß habe seine Bindungswirkung für die Justizverwaltungsbehörde mit Rechtskraft der Entscheidung im Sachurteil verloren, nunmehr sei für den Zahlungsauftrag die Entscheidung des OGH über die Kostentragung im Verfahren erster Instanz maßgebend. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bezieht sich § 2 Abs. 2 GEG 1962 bei Verfahren betreffend Kosten von mehr als S 3.000,--, WAS DIE KOMPETENZ der Gerichte zur Entscheidung über den Ersatz der amtswegig vorgestreckten Kosten (durch "welche Partei in welchem Umfang") ANLANGT, lege non distinguente sowohl auf Verfahren, in denen über die Kostenersatzpflicht der Streitteile untereinander noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, als auch auf solche, in denen dies der Fall ist. Lediglich der Prüfungsmaßstab für die zu treffende Entscheidung über Träger und Umfang der Ersatzverpflichtung gegenüber dem in Vorlage getretenen Bund ist ein verschiedener. Wenn also die belangte Behörde meinen sollte, die Justizverwaltungsbehörden hätten nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kostenersatzpflicht zwischen den Streitteilen (im Sachurteil) ohne Dazwischentreten eines gerichtlichen Beschlusses über die Ersatzpflicht an den Bund entscheiden dürfen, so ist darauf zu erwidern, daß diese Rechtsauffassung unzutreffend ist.

Verfehlt wäre es aber auch, allenfalls in der Kostenentscheidung des OGH eine gerichtliche ("Grundsatz"-)Entscheidung über die Ersatzpflicht gegenüber dem Bund zu erblicken, die an die Stelle der rechtskräftigen sogenannten Grundsatzentscheidung des OLG Linz getreten und an die der Kostenbeamte nunmehr gebunden gewesen wäre. Das Gesetz sieht derartiges nicht vor. Es kann aber auch keine Rede davon sein, daß die spätere Kostenentscheidung des OGH der Entscheidung des OLG Linz derogiert hätte. Die beiden Entscheidungen stehen mangels Identität der Sache in keinem derogatorischen Verhältnis zueinander. Es gehörte daher im Zeitpunkt der Entscheidung der Justizverwaltungsbehörden der Beschluß des OLG Linz aufrecht dem Rechtsbestand an und entfaltete die in § 7 Abs. 1 GEG 1962 zum Ausdruck gebrachte Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörde.

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem der Bindungswirkung des Beschlusses des OLG Linz nicht Rechnung getragen wurde, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/196, hingewiesen.