VwGH vom 26.05.1995, 95/17/0144

VwGH vom 26.05.1995, 95/17/0144

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde 1.) der E-Handels GmbH in W, 2.) des P in W, und 3.) der M, ebendort, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - E 40/94, betreffend Vorschreibung von Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom schrieb die belangte Behörde den Beschwerdeführern gemäß § 6 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl. für Wien Nr. 43 (im folgenden: Wr VergnStG 1987), in der geltenden Fassung für das Halten eines Spielapparates der Type "Star Blade" (Bildschirmgerät) im Betrieb des Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin in W, für den Monat Juli 1994 Vergnügungssteuer im Betrage von S 18.000,-- vor. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern ein Säumniszuschlag in der Höhe von S 300,-- auferlegt.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe ein Revisionsorgan des Magistrates anläßlich einer Überprüfung am festgestellt:

"Der Spieler nimmt vor einem ca. 150 x 120 cm großen Bildschirm auf einem Sessel (Schalenform) platz. Zwischen dem Schirm und dem Spieler befindet sich eine Konsole, die die Funktion eines "Joysticks" innehat. Mit ihm werden Geschwindigkeit, Flugrichtung und die "Waffensysteme" gesteuert. Am Schirm erscheint die Aufschrift: "Hall of great FIGHTERS". Nach Einwurf von S 10,-- Beginn des Spiels: Auf dem Schirm erscheint ein Weltraumszenario, und der Spieler befindet sich noch an Bord des "Mutterschiffes". Mittels Computerstimme und akustischen Explosionsgeräuschen wird vor dem Angriff von "enemies - Feinden" gewarnt. Katapultartig verläßt der Spieler plötzlich das Mutterschiff und sieht sich feindlichen Raumgleitern gegenüber, die ihn beschießen.

Am Steuerhorn befinden sich Druckknöpfe, deren Betätigung die eigenen Waffensysteme auslösen. Nach einem Treffer am "Feind" explodiert dessen Schiff, welcher Vorgang einen lauten Knall auslöst.

Am unteren linken Rand des Spiels (Bildschirm) befindet sich eine Anzeige für den eigenen "Schutzschild"; der wiederum ist insofern von Bedeutung, da dieser bei jedem erhaltenen Treffer durch den "Feind" geschwächt wird. Dies ist auch für den Spieler physisch durch "Rütteln" im Sitz bemerkbar. Hat man alle Feinde in der ersten Ebene besiegt, wird man mit "Lichtgeschwindigkeit" in die nächste Ebene transportiert, um dort noch schwerer zu bekämpfende Feinde zu zerstören. Man durchfliegt Asteroidengürtel, in deren Teile feindliche Abwehrstationen eingebaut sind, und bekämpft diese sowie die danach auftauchenden Gleiter. Inferno, Explosionen, Warngeräusche, Treffer um Treffer wechseln sich schnell und laufend am Spielschirm ab.

Nach vielen Treffern und der damit verbundenen Schwächung des "Schutzschildes" ist dessen Funktion aufgebraucht und der nächste Treffer des eigenen "Schiffes" ist zugleich auch der letzte. Das Spiel ist beendet und es wird am Ende die Strecke angezeigt, welche man vom "Mutterschiff" bis zur eigenen Eliminierung zurückgelegt hat."

Die Beschwerdeführer seien diesen Angaben in der Berufung nicht konkret entgegengetreten.

In der Begründung wird sodann das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/17/0257, wiedergegeben; darin sei die Darstellung des Beschießens von Autos dem § 6 Abs. 4 leg. cit. unterstellt worden. Gleiche Erwägungen müßten im Beschwerdefall gelten, zumal die Explosion von Raumschiffen üblicherweise mit der Tötung der dort befindlichen Mannschaft verbunden sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens erübrige sich, da der Inhalt des Spieles unbestritten feststehe und die Auslegung einer Norm nicht Gegenstand eines solchen Gutachtens sein könne.

1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht "auf Steuerfreiheit bei Nichtverwirklichung von Steuertatbeständen (Wr. VGSG), Nichtvorschreibung von Zuschlägen bei Fehlen der entsprechenden Voraussetzungen sowie auf Sachentscheidung verletzt erachten".

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 idF. LGBl. Nr. 41/1992 lautet auszugsweise:

"Für das Halten von Apparaten, ..., oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat S 18.000,--."

2.2. Nach der Begründung der Beschwerde habe die Unterordnung eines Spieles unter den unbestimmten Gesetzesbegriff des "aggressiven Spieles" entweder durch den Gesetzgeber (als Ausfluß des Bestimmtheitsgebotes des Art. 18 B-VG) oder "spätestens durch die Abgabenbehörde in einem Verfahren unter rechtsstaatlichen Garantien zu erfolgen". Daher hätten die Beschwerdeführer in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Dem sei nicht entsprochen worden; da dieser Antrag auch nicht abgewiesen worden sei, sei die Berufung nicht abschließend erledigt worden. Auch sei die angewendete Gesetzesbestimmung entgegen dem Gebot des Art. 18 B-VG nicht ausreichend bestimmt.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Begriff der aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 davon ausgegangen, daß diese Bestimmung und die in ihr verwendeten unbestimmten Gesetzesbegriffe in Verbindung mit den darin angeführten beiden Beispielsfällen einer Auslegung durch den Abgabepflichtigen bei der Selbstbemessung, durch die Abgabenbehörde bei der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung und durch den Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung derselben zugänglich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/17/0269, vom , Zl. 93/17/0270, und vom , Zl. 92/17/0257). Schon im hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0375, hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß der Gesetzgeber durch die demonstrative Aufzählung jener Darstellungen, die er als aggressiv erachtet, die maßgebende Abgrenzung der steuerpflichtigen Tatbestände vorgenommen hat und aus diesem Grund in der unterbliebenen Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Psychologie kein relevanter Verfahrensmangel zu erblicken sei. Es ist daher unzutreffend, wenn die Beschwerdeführer meinen, der Gesetzgeber selbst hätte die einzelnen Spiele (gemeint wohl: einzelne Typen von Spielen) aufzählen und dem Oberbegriff des aggressiven Spieles im Sinne des § 6 Abs. 4 leg. cit. zuordnen müssen. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen eines Verstoßes gegen das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG sind beim Verwaltungsgerichtshof daher aus Anlaß des Beschwerdefalles nicht entstanden.

2.3. Soweit die Beschwerdeführer die Nichtdurchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde rügen, behaupten sie einen Verfahrensmangel. Sie übersehen dabei zum einen, daß die Abgabenberufungskommission gemäß § 217 WAO ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entscheidet. In diesem Punkt unterscheidet sich die Regelung der WAO von jener der BAO, nach deren § 284 Abs. 1 über die Berufung eine mündliche Verhandlung ua. dann stattzufinden hat, wenn es eine Partei beantragt. Zum anderen könnte auch ein solcher (behaupteter, nach der WAO jedoch von vornherein nicht in Betracht kommender) Verfahrensmangel des Abgabenverfahrens wie jeder andere Verfahrensmangel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof führen, wenn er relevant ist, das heißt, wenn die Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dieser Umstand ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Beschwerdeführer in der Beschwerde darzutun. Eine solche Darstellung haben die Beschwerdeführer allerdings zur Gänze unterlassen. Die Beschwerderüge ist daher nicht zielführend.

2.4.1. Als unzutreffend bezeichnen die Beschwerdeführer auch die Ansicht der belangten Behörde, es stehe unbestritten fest, daß Explosionen von Raumschiffen üblicherweise zur Tötung der darin befindlichen Mannschaft führten. Keine der bisher raumfahrenden Mächte hätte Geräte in Verwendung, wie sie auf der Spielplatine simuliert würden. Auch gebe es schon jetzt unbemannte Raumschiffe. Nichts spreche gegen die Annahme, daß die Simulation auf der Platine unbemannt sei.

2.4.2. Nach dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0269, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber lediglich zwei Beispiele für die optische oder akustische Darstellung einer aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 gegeben hat. Er hat damit den Maßstab für die Art und Intensität des aggressiven Verhaltens im Sinne dieser Gesetzesbestimmung festgelegt. Geht man von diesem Maßstab aus, der sich an der Tötung oder Verletzung von Menschen orientiert, dann fällt unter den gesetzlichen Tatbestand nicht nur die beispielsweise genannte Darstellung der Bekämpfung von Zielen, sondern auch die Darstellung von Handlungsweisen, mit denen üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist. Unter dem zweiten der beiden Beispielsfälle (Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist) ist die indirekte Darstellung der Verletzung oder Tötung von Menschen durch Vernichtung von Zielen, mit der dieser "Erfolg" üblicherweise verbunden ist, etwa die Versenkung von Schiffen, der Abschuß von bemannten Flugzeugen, die Kanonade von Städten, Burgen und dergleichen zu verstehen.

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0257, hat der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der zitierten Rechtsprechung das Beschießen von schematisch dargestellten Autos von Helikoptern aus dem § 6 Abs. 4 leg. cit., und zwar dem zweiten Beispielsfall, unterstellt. Zu Recht hat sich die belangte Behörde in der Begründung des im vorliegenden Beschwerdefall angefochtenen Bescheides auf diese Rechtsprechung berufen und die wesentlichen Aussagen des zuletzt zitierten Erkenntnisses wiedergegeben.

Nach der insoweit nicht bekämpften Darstellung des Ablaufes des vorliegenden Spieles sieht sich der Spieler "feindlichen Raumgleitern" gegenüber, die ihn beschießen und die er bekämpfen und zerstören soll. Nach einem Treffer am "Feind" explodiert dessen Schiff; dieser Vorgang löst einen lauten Knall aus. Hat der Spieler diese Feinde besiegt, sind in einer weiteren Ebene noch schwerer zu bekämpfende Feinde zu zerstören; er durchfliegt Asteroidengürtel, in deren Teile feindliche Abwehrstationen eingebaut sind und bekämpft diese sowie die danach auftauchenden Gleiter. Inferno, Explosionen, Warngeräusche, Treffer um Treffer wechseln sich schnell und laufend am Bildschirm ab. Bei einem solchen Spielgeschehen wird der Eindruck nicht ausgeschlossen, daß dem mit seinem "Schiff" von einem "Mutterschiff" aus startenden Spieler bemannte Kampfgeräte in Form der feindlichen Raumgleiter und feindlichen Abwehrstationen gegenübertreten. Die Kampfszene läßt sich nach dem geschilderten Sachverhalt jedenfalls (und wohl in erster Linie) so deuten, daß sich der Spieler gleichartigen, individuell reagierenden Kämpfern in Raumschiffen und nicht bloßen Maschinen, wie die Beschwerdeführer argumentieren, gegenübersieht. Wird aber solcherart nach der Lebenserfahrung die Assoziation an einen in den Weltraum verlagerten Luftkampf erweckt oder jedenfalls nicht klar ausgeschlossen, dann hat die belangte Behörde die mit Explosionen einhergehende Zerstörung der feindlichen Raumschiffe zutreffend dem Tatbestand der Darstellung der "Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist" im Sinne des § 6 Abs. 4 leg. cit. unterstellt. Utopische oder verfremdete Darstellungen hindern nicht von vornherein eine Beurteilung des Dargestellten als eine aggressive Handlung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung.

2.5. Wenn die Beschwerdeführer schließlich die Verhängung des Säumniszuschlages durch einen Hinweis auf "die ersten beiden Absätze auf S. 2 der Berufung" bekämpfen, so sind sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, derzufolge es die Bestimmungen des § 28 Abs. 1 Z. 4 und 5 VwGG nicht zulassen, daß sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Beschwerdepunkte und der Beschwerdegründe ausschließlich auf Anträge und Ausführungen im Verwaltungsverfahren beruft (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 7406/A, vom , Zl. 1017/74, und vom , Zl. 82/16/0158, 0159). Verweisungen dieser Art sind jedenfalls insoweit unbeachtlich, als der Verwaltungsgerichtshof von seiner Ermächtigung, nach § 35 VwGG ohne vorangegangenes Verfahren zu entscheiden, Gebrauch macht.

2.6. Die Beschwerdeführer machen schließlich als Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 4 leg. cit. geltend, daß "bloß das Halten, nicht aber das Zugänglichmachen oder der Verkauf der Steuerpflicht unterliegen und somit ein Verstoß gegen die Einheitlichkeit der Besteuerung vorzuliegen scheint".

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht. Wie der Gerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0270, ausgeführt hat, vermag er nicht zu erkennen, daß der Landesgesetzgeber durch das Anknüpfen der Abgabepflicht an das veranstaltete Vergnügen des Haltens von Apparaten, durch deren Betätigung eine aggressive Handlung dargestellt wird, den ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Diese Erwägung trifft auch auf den von den Beschwerdeführern in den Vordergrund gerückten Aspekt der Umschreibung des Kreises der Abgabenschuldner zu.

2.7. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.