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VwGH vom 27.04.2005, 2001/14/0114

VwGH vom 27.04.2005, 2001/14/0114

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2001/14/0113 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des O S in L, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Dr. Roland Grilc und Mag. Rudolf Vouk, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14-III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , GZ. RV 423/1 - 5/00, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht österreichischer Staatsbürger, aber in Österreich als Dienstnehmer beschäftigt war, die rückwirkende Gewährung von Familienbeihilfe für seine beiden in Bosnien lebenden minderjährigen Enkelkinder, und zwar für das 1991 geborene Enkelkind ab April 1992 und für das im Mai 1995 geborene Enkelkind ab dessen Geburt. Begründend brachte er vor, Sohn und Schwiegertochter würden über keinerlei Einkommen verfügen, sodass er seit dem (dem Kriegsausbruch in Bosnien) mit seinem österreichischen Verdienst für den Unterhalt der gesamten Familie und insbesondere auch für den Unterhalt seiner beiden Enkelkinder aufkomme.

Mitvorgelegt wurde u.a. eine Unterhaltsbestätigung einer bosnischen Gemeinde vom , der zu entnehmen war, dass der Beschwerdeführer mit seinem Einkommen für beide Enkelkinder und deren Eltern "seit bis jetzt und weiterhin zur Gänze" aufkomme. Der Beschwerdeführer "bringt oder schickt über Kollegen monatlich in die Republik Bosnien und Herzegovina ca. S 1.500,-- bis S 2.000,-- für den Unterhalt der genannten Enkel."

Über Vorhalt des Finanzamtes gab der Beschwerdeführer bekannt, dass seine Ehefrau nicht in Österreich, sondern gleichfalls in Bosnien lebe. Der Familienwohnsitz befinde sich im bosnischen Kriegsgebiet. Sein Sohn sei in der Zeit von Mai 1992 bis April 1996 einer Militäreinheit zugeteilt gewesen. Der Beschwerdeführer verdiene in Österreich rund S 10.000,-- bis S 11.000,--. Unterstützungen seitens des UNO-Hilfswerkes habe die Familie nicht erhalten, weil derartige Hilfe nur geleistet würde, wenn keiner der Angehörigen Auslandseinkünfte beziehe.

Vom Finanzamt in einem weiteren Vorhalt aufgefordert, die gesamten Unterhaltskosten für die Enkelkinder und die anderen mitversorgten Personen bekannt zu geben, erklärte der Beschwerdeführer, dass diese nur geschätzt werden könnten. Die Familie habe über keine sonstigen Einkünfte verfügt, sondern von dem gelebt, was "zur Verfügung gestanden" sei. Der Beschwerdeführer habe monatlich etwa S 2.000,-- nach Bosnien übermittelt und zusätzlich von Zeit zu Zeit auch Kleidung und Schuhwerk. Es sei nicht das gesamte Geld für die Enkelkinder verwendet worden, sicherlich aber mehr als die Hälfte des übermittelten Betrages. Der den Militärdienst leistende Sohn habe als Soldat im Wesentlichen nur Naturalverpflegung erhalten. Insgesamt seien während des gesamten Krieges "vielleicht DM 100,-- an die Soldaten" ausbezahlt worden. Zum "Zahlungsfluss nach Bosnien" erklärte der Beschwerdeführer, dass er selbst oder einer seiner Kollegen alle zwei Monate mit dem Auto nach Bosnien gefahren sei. Soweit dies nicht möglich gewesen sei, habe er sich "professioneller Boten" bedient, welche für ihre Dienste jeweils 10% der zu überbringenden Beträge an Provision einbehalten hätten. Als Bote habe beispielsweise ein namentlich genannter Klagenfurter Pensionist fungiert. Anfangs sei auch versucht worden, das Geld über eine Bank im Wege einer Auslandsüberweisung nach Bosnien zu schicken. Da diese Beträge dort nie eingelangt seien, habe sich der Beschwerdeführer später der schon aufgezeigten Wege zur Überbringung der Gelder bedient.

Über weiteren Vorhalt des Finanzamtes erklärte der Beschwerdeführer, lediglich einmal im Jahr 1993 eine Auslandsüberweisung über DM 1.000,-- getätigt zu haben, wobei er den diesbezüglichen Überweisungsbeleg nicht mehr besitze. Die Unterhaltsbeiträge seien im Wesentlichen nur im Jahr 1993 mittels Boten nach Bosnien verbracht worden, weil sich die Fahrten während des Krieges schwierig gestaltet hätten. In diesem Zeitraum habe er dreimal das Geld über seinen Bruder zur Familie bringen lassen, weiters habe er sich des schon namentlich angeführten Boten bedient. Im Übrigen habe er die Unterhaltszahlungen jeweils persönlich anlässlich von Familienbesuchen übergeben. Der Vorhaltsbeantwortung angeschlossen war eine schriftliche Erklärung der unterstützten Angehörigen, in der sie bestätigten, monatlich "DM 300,--" erhalten zu haben. Zu dieser Erklärung fügte der Beschwerdeführer an, dass es auf Grund der Situation in Bosnien natürlich nicht möglich gewesen sei, monatlich genau diesen Betrag zu übermitteln, sondern die Erklärung so zu verstehen sei, dass "eben einmal DM 1.000,-- und dann wieder einige Zeit nichts und sodann wieder ein größerer Betrag" nach Bosnien gelangt seien. Der Beschwerdeführer könne versichern, dass er so gut wie alles Einkommen, das zu entbehren gewesen sei, seiner Familie übermittelt habe. Der Betrag von S 1.500,-- bis S 2.000,-- errechne sich bei einer Durchschnittsbetrachtung. Die verlangte Aufstellung über die Unterhaltskosten könne zufolge der Kriegswirren und der Lage am Schwarzmarkt, welche durch stark schwankende Preise gekennzeichnet gewesen sei, nur schwer erstellt werden. Er könne nur sagen, dass die Familie eben mit dem Betrag, den ihr der Beschwerdeführer zur Verfügung habe stellen können, "irgendwie über die Runden" habe kommen müssen, weil ein anderes Einkommen nicht vorhanden gewesen sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die beiden Enkelkinder mit der Begründung ab, dass Familienbeihilfe wegen überwiegender Kostentragung nur gewährt werden könne, wenn der Nachweis der überbrachten Geldmittel vorliege, die überwiegende Kostentragung durch Gegenüberstellung der Lebenshaltungskosten und der Unterhaltsleistungen erkennbar sei, keine andere Person einen Anspruch auf Familienbeihilfe habe und die unterstützten Personen Kinder im Sinne des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 seien. Im Beschwerdefall würden die insgesamt in den Jahren 1992 bis 1996 erbrachten Unterhaltsleistungen nur S 113.975,-- betragen. Dabei handle es sich um Unterhaltszahlungen, die sich die gesamte vier- bzw. fünfköpfige Familie habe teilen müssen. Bei gleichmäßiger Aufteilung sei für ein Enkelkind bis April 1995 nur ein Betrag von S 527,-- und ab Mai 1995 für sodann zwei Enkelkinder jeweils nur ein Betrag von S 422,-- zur Verfügung gestanden. Beide Unterhaltsbeträge würden damit unter dem Betrag der österreichischen Familienbeihilfe liegen, sodass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe "mangels ausreichendem Nachweis der Geldüberbringung und unzureichender Kostentragung" abzuweisen sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung entgegnete der Beschwerdeführer, ein weitergehender Nachweis der Geldüberbringung sei infolge der Kriegswirren nicht möglich. Im Übrigen gehe selbst das Finanzamt davon aus, dass die Familie die Unterhaltszahlungen erhalten habe. Zur vorgehaltenen unzureichenden Kostentragung wurde darauf hingewiesen, dass den einschlägigen Bestimmungen des FLAG 1967 nicht entnommen werden könne, dass eine überwiegende Kostentragung nur vorliege, wenn die Unterhaltskosten mindestens die Höhe der österreichischen Familienbeihilfe erreichten. § 2 Abs. 2 FLAG 1967 verlange nur eine überwiegende Kostentragung. Gegenständlich habe der Beschwerdeführer die Unterhaltskosten nicht nur überwiegend, sondern zur Gänze aus dem eigenen Einkommen bestritten. Auch sei es unrichtig, den Unterstützungsbetrag gleichmäßig auf alle Familienmitglieder aufzuteilen. Sein Sohn habe von Naturalleistungen des Militärs gelebt. Im Übrigen seien Erwachsene imstande, sich mit Gelegenheitsarbeiten gegen Naturalentlohnung selbst zu erhalten, was kleinen Kindern nicht möglich sei.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab auch die belangte Behörde dem Antrag keine Folge.

Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 2 Abs. 1, Abs. 5 und Abs. 6, des § 3 Abs. 1 sowie des § 5 Abs. 4 FLAG 1967 wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer stütze sein Begehren auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine in Bosnien lebenden Enkelkinder auf das für den Berufungszeitraum April 1992 bis September 1996 bestehende Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, welches bis zum Zeitpunkt seiner Kündigung zum auch auf die nunmehrige Republik Bosnien und Herzegowina anzuwenden sei.

Sachverhaltsbezogen folge die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers, monatlich DM 300,-- an Unterhaltszahlungen geleistet zu haben. Rechne man diesen Betrag auf Schilling um und teile ihn auf die damit zu versorgenden Familienmitglieder (das seien Ehefrau, Schwiegertochter und ein bzw. zwei Enkelkinder) ergebe sich für jedes zu versorgende Familienmitglied ein Betrag von ca. S 500,--. Stelle man diesen Betrag der Familienbeihilfe für im Ausland aufhältige Kinder von S 955,-- (ab ) bzw. von S 886,-- (nach Herabsetzung im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 ab ) gegenüber, ergebe sich "ein Mehrbetrag an Familienbeihilfe zu Gunsten des Bw." Die Familienbeihilfe solle aber nicht zur Bereicherung einer Person führen, sondern dem Lastenausgleich in der Familie dienen und ausschließlich den Kindern zugute kommen. Ziehe man "weiters in Analogie zu § 2 Abs. 5 lit. c bzw. zu § 2 Abs. 6 den Schluss, dass die Person die Kosten des Unterhalts nur dann überwiegend trägt, wenn sie hiezu mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind entspricht", könne im Beschwerdefall nicht von einer überwiegenden Kostentragung des Beschwerdeführers gesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Anspruch auf Familienbeihilfe hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person aus dem Titel der Haushaltszugehörigkeit anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nach lit. c leg. cit. dann nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt.

Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, gemäß § 2 Abs. 6 FLAG 1967 von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind entspricht.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, u.a. dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen.

Gemäß § 5 Abs. 4 FLAG 1967 besteht kein Anspruch für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, es sei denn, dass - ab nach Maßgabe des § 50g Abs. 2 FLAG 1967 - Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt ist.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht kein Streit über das Vorliegen eines Staatsvertrages im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG 1967. Sie gehen von der Weiteranwendung des schließlich vom Bundespräsidenten im Namen der Republik Österreich zum gekündigten Abkommens (mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit) zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina aus (Kundmachung der Genehmigung der Kündigung durch den Nationalrat: BGBl. Nr. 347/1996). Auch das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe steht außer Streit.

Strittig ist lediglich, ob der Beschwerdeführer die Unterhaltskosten für seine nicht seinem österreichischen Haushalt angehörigen minderjährigen Enkelkinder im Zeitraum von April 1992 bis zur Kündigung des Abkommens überwiegend getragen hat.

Die belangte Behörde ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers gefolgt, monatlich rund S 2.000,-- für den Unterhalt seiner in Bosnien lebenden Angehörigen aufgewendet zu haben. Sie hat diesen Betrag sodann durch die Anzahl jener Personen geteilt, für deren Unterhalt der Betrag geleistet wurde und kam solcherart zu monatlichen Unterhaltszahlungen für die beiden Enkelkinder von jeweils rund S 500,--. Soweit sich die Beschwerde gegen diese "schematische Betrachtungsweise" der belangten Behörde wendet, gelingt es ihr nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: So ist zunächst daran zu erinnern, dass dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mehrfach Gelegenheit gegeben wurde, die Höhe der Unterhaltskosten für die Enkelkinder zu beziffern. Der Beschwerdeführer hat dies unter Hinweis auf die besonderen Lebensumstände im betroffenen Gebiet als nicht möglich bezeichnet und selbst eine Schätzung der Unterhaltskosten, die er mit den tatsächlichen Unterhaltszahlungen gleich gesetzt hat, für notwendig erachtet. Wenn die belangte Behörde bei dieser Schätzung die tatsächlichen Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers durch die Anzahl der zu versorgenden Familienmitglieder geteilt hat, kann dies nicht als unschlüssig erkannt werden. Dem Umstand, dass - wie in der Beschwerde hervorgehoben wird - Eltern erfahrungsgemäß vorrangig auf das Wohlergehen ihrer Kinder achten, ist nämlich andererseits die Erfahrungstatsache gegenüber zu stellen, dass der Unterhaltsbedarf mit zunehmenden Lebensalter steigt und sich die beiden Enkelkinder im Streitzeitraum im Kleinkindalter befunden haben. Zum Beschwerdevorbringen, Erwachsenen sei es möglich, ihren Lebensunterhalt durch die Annahme von Gelegenheitsarbeiten gegen "Naturalentlohnung" zu bestreiten, ist darauf zu verweisen, dass es der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren diesbezüglich bei bloß hypothetischen Überlegungen belassen hat. Für welches Familienmitglied (abgesehen vom ohnedies nicht in die Berechnung miteinbezogenen Sohn) aus dem genannten Grund geringere Unterhaltskosten zu veranschlagen gewesen wären, wurde im Verwaltungsverfahren in keiner, geschweige denn in nachvollziehbarer Weise dargelegt.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe die Gewährung der Familienbeihilfe zu Unrecht an das weitere Erfordernis geknüpft, dass die monatlichen Unterhaltszahlungen mindestens jenes Ausmaß erreichen müssten, das dem Betrag der Familienbeihilfe entspreche. Sie habe diese zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung durch verfehlten Analogieschluss aus den Bestimmungen des § 2 Abs. 5 lit. c bzw. § 2 Abs. 6 FLAG 1967 gewonnen. "Eine Analogie" würde das genaue Gegenteil der Annahme der belangten Behörde rechtfertigen, weil in den beiden Fällen jeweils Sachverhaltskonstellationen (Anstaltspflege, Bezug steuerfreier Einkünfte durch das Kind) angesprochen würden, in denen zumeist keine überwiegende Kostentragung des den Unterhalt Leistenden vorliegen werde.

Die belangte Behörde hat den Familienbeihilfenanspruch deshalb nicht anerkannt, weil die Gewährung der Familienbeihilfe nicht zu einer "Bereicherung einer Person" führen dürfe. Dies sei gegenständlich der Fall, weil die tatsächlichen (geschätzten) Unterhaltsleistungen jenen Betrag nicht erreicht hätten, den der Beschwerdeführer mit seiner rückwirkenden Antragstellung erlangen würde.

Wie die belangte Behörde selbst einräumt, ist den im Beschwerdefall zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des FLAG 1967 in Verbindung mit den zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht zu entnehmen, dass die vom Unterhaltsleistenden tatsächlich getragenen Unterhaltslasten für ein Kind mindestens dem Betrag der österreichischen Familienbeihilfe erreichen müssten.

Der von der belangten Behörde gezogene Analogieschluss setzt das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, voraus.

Eine solche (planwidrige) Gesetzeslücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung widerspricht; im Zweifel ist das Bestehen einer Rechtslücke nicht anzunehmen. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzesgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/07/0113, Slg. Nr. 14.353/A, mit weiteren Nachweisen, sowie Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 100ff, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Ein allgemeines "Bereicherungsverbot" findet sich in dem, den Lastenausgleich im Interesse der Familie bezweckenden Familienlastenausgleichsgesetz 1967 nicht. Die Gewährung der Familienbeihilfe erfolgt weder mit der Auflage, diese für Zwecke des Kindes zu verwenden, noch ist eine Rückforderung für den Fall der anderweitigen Verwendung vorgesehen. Der bis 1998 in Geltung gestandene § 12 FLAG 1967 (vgl. dessen Aufhebung mit BGBl. I Nr. 79/1998) sah lediglich für den Fall, dass der Anspruchsberechtigte nicht angemessen zum Unterhalt oder zur Pflege des minderjährigen Kindes beiträgt, die Möglichkeit vor, dass das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht eine geeignete Person zum Empfang der Familienbeihilfe an Stelle des Anspruchsberechtigten ermächtigt.

Insgesamt bestehen im vorliegenden Fall daher keine ausreichenden Indizien für die Annahme einer planwidrigen durch Analogie zu schließenden Regelungslücke.

Gegen den Standpunkt der belangten Behörde sprechen schließlich auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , 93/15/0208. Dabei ging es um Unterhaltsleistungen für sieben in der Türkei lebende Kinder, wobei die damals belangte Behörde die Ansicht vertreten hat, die behaupteten Unterhaltszahlungen von S 17.000,-- für den Zeitraum von zehn Monaten würden "zweifellos" nicht ausreichen, um von einer überwiegenden Kostentragung durch den Beschwerdeführer ausgehen zu können. Der Verwaltungsgerichtshof hob den Bescheid mit der Begründung auf, ohne (zumindest schätzungsweise) Feststellung der gesamten Unterhaltskosten für ein Kind lasse sich, wenn dies nicht auf Grund der geringen (absoluten) Höhe der geleisteten Unterhaltsbeiträge ausgeschlossen werden könne, nicht sagen, ob die Unterhaltsleistung in einem konkreten Fall eine überwiegende gewesen sei. Dass sich mit den vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Unterhaltsüberweisungen allein der Unterhalt von in Österreich lebenden Kindern im Streitzeitraum nicht überwiegend bestreiten ließe, bedeute nicht unbedingt, dass dies auch für Lebensverhältnisse von in der Türkei teils auf dem Land lebenden Kindern gelte, zumal auch noch allfällige Sachleistungen des Beschwerdeführers für seine Kinder zu veranschlagen seien. Die geringe (absolute) Höhe der Unterhaltsbeiträge habe die belangte Behörde nicht davon enthoben, die Tatfrage zu klären, wie hoch die Unterhaltskosten für die in der Türkei lebenden Kinder im Jahr 1992 insgesamt gewesen seien und den festgestellten Betrag den anerkannten Geld- und Sachleistungen gegenüberzustellen. Erst auf diese Weise könne beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer die Unterhaltskosten für seine Kinder überwiegend getragen habe.

Würde man der von der belangten Behörde im gegenständlichen Beschwerdefall vertretenen Rechtsansicht folgen, hätten die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vermissten Feststellungen aber schon deshalb unterbleiben können, weil die behaupteten Unterhaltszahlungen für sieben Kinder jedenfalls den Betrag der österreichischen Familienbeihilfe für sieben (in der Türkei aufhältige) Kinder nicht erreicht haben.

Aus den Gesagten ergibt sich, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am