VwGH vom 26.01.1996, 95/17/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-08/05/01399/94, betreffend Übertretung nach dem Parkometergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug am um 13.14 Uhr in einer näher bezeichneten gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben. Er habe hiedurch die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Sein Fahrzeug sei am um 13.14 Uhr in der in Rede stehenden Kurzparkzone abgestellt gewesen. Es werde auch eingeräumt, daß es nicht mit einem gültig entwerteten Parkschein versehen war. Der Beschwerdeführer habe sein Fahrzeug jedoch bereits am , vormittags, an diesem Ort abgestellt und es dort bis , nachmittags, belassen. Für diese Verwaltungsübertretung sei er bereits mit Organstrafverfügung vom bestraft worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte sie aus, mit der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, MA 46-VI-2624/92, vom , in Kraft getreten am , betreffend Kurzparkzonen für die Innere Stadt (1. Wiener Gemeindebezirk) sei gemäß § 94d Z. 1a und § 25 Abs. 1 iVm § 43 Abs. 1 lit. b StVO für das gesamte Straßennetz innerhalb des 1. Wiener Gemeindebezirkes Montag bis Freitag von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr die zulässige Parkdauer auf eineinhalb Stunden festgesetzt worden (flächendeckende Kurzparkzone). Der sei auf einen Mittwoch gefallen. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Dauer der Kurzparkzone von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr falle das Abstellen bzw. Abgestelltlassen eines Kraftfahrzeuges außerhalb dieser Zeit nicht mehr unter die Bestimmungen des Parkometergesetzes. Diese zeitliche Unterbrechung der Wirkungsdauer der Kurzparkzonen bedeute weiters, daß das "Abgestelltlassen" eines Kraftfahrzeuges nach 19.00 Uhr bis 09.00 Uhr des nächsten Tages nicht unter die Abgabenpflicht des Parkometergesetzes falle. Ab 09.00 Uhr des Folgetages beginne jedoch die Wirksamkeit der Kurzparkzone abermals, weshalb am ab 09.00 Uhr neuerlich die Abgabenpflicht entstanden sei.
Für die Verkürzung dieser - neuentstandenen - Abgabenpflicht sei der Beschwerdeführer jedoch bislang nicht bestraft worden. Die Verkürzung der Abgabe sei dem Beschwerdeführer als Fahrlässigkeit anzulasten, zumal er durch Unterlassung der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines jene Sorgfalt außer acht gelassen habe, zu der er nach der genannten Verordnungsbestimmung verpflichtet gewesen sei.
Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe schädige in nicht unerheblichem Maße das an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes bestehende öffentliche Interesse, dem die Strafdrohung diene. Der objektive Unrechtsgehalt sei daher im gegenständlichen Fall selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering anzusehen. Bei der Strafbemessung seien die 24 einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vorstrafen zu berücksichtigen gewesen. Mangels Bekanntgabe seiner tatsächlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei im Hinblick auf die berufliche Stellung des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt mit einer Kanzlei im 1. Wiener Gemeindebezirk von günstigen finanziellen Verhältnissen auszugehen. Außergewöhnliche Sorgepflichten seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Aus diesen Erwägungen erscheine die Verhängung der in § 4 Abs. 1 Parkometergesetz vorgesehenen Höchststrafe von S 3.000,-- gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht für eine Verwaltungsübertretung bestraft zu werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Er beantragt, den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes "(in eventu: wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften)" aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 42/1983, kann der Gemeinderat für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 95 StVO 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982) nach Maßgabe der Bestimmungen des Parkometergesetzes die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben. Von dieser Ermächtigung hat der Wiener Gemeinderat mit Beschluß vom , PrZ. 576, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien vom , Heft Nr. 12, S. 99, Gebrauch gemacht.
Gemäß § 1 Abs. 3 zweiter Satz des Parkometergesetzes hat jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Nach § 1 Abs. 5 erster Satz des Parkometergesetzes umfaßt der Begriff "Abstellen" sowohl das Halten als auch das Parken von mehrspurigen Fahrzeugen.
Nach § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 30/1977, sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.
Gemäß § 2 der obgenannten Verordnung beträgt die Abgabe für jede halbe Stunde Abstellzeit 6 S, wobei für angefangene halbe Stunden der volle Abgabenbetrag zu entrichten ist.
Gemäß der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, MA 46-VI-2624/92 vom wurde - von hier nicht gegenständlichen Ausnahmen abgesehen - für das gesamte Straßennetz innerhalb des 1. Wiener Gemeindebezirkes von Montag bis Freitag von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr die zulässige Parkdauer auf eineinhalb Stunden festgesetzt.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer sein Fahrzeug am vormittags in der in Rede stehenden Kurzparkzone abgestellt, ohne die durch die Verwirklichung dieses Abgabentatbestandes entstandene Abgabe in der Höhe von S 6,-- zu entrichten. In der Folge wurde er mit der am um 12.50 Uhr ausgestellten Organstrafverfügung bestraft.
Gemäß § 3 Abs. 1 WAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 3 WAO das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier des Parkometergesetzes) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen. Die Abgabenschuld und der ihr entsprechende Abgabenanspruch entstehen somit, wenn der in der Wirklichkeit vorliegende Sachverhalt die Merkmale des in der Norm enthaltenen Tatbestandes erfüllt. Gemäß § 2 der Verordnung des Wiener Gemeinderates vom knüpft die Abgabe an die Abstellzeit (in einer Kurzparkzone) an, wobei für angefangene halbe Stunden der volle Abgabebetrag zu entrichten ist. Der Begriff der Abstellzeit in der genannten Verordnung ist unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 5 des Parkometergesetzes zu interpretieren, wonach unter "Abstellen" sowohl das Halten als auch das Parken von mehrspurigen Fahrzeugen zu verstehen ist. Aus der Anknüpfung an die Abstellzeit ist unzweifelhaft zu entnehmen, daß mit "Abstellen" auch das Belassen des Fahrzeuges in einem Kurzparkzonenbereich und nicht nur sein faktisches Verbringen in denselben zu verstehen ist.
Von diesen Überlegungen ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof der Annahme der belangten Behörde, wonach - jedenfalls - am Mittwoch, dem um 09.00 Uhr neuerlich ein Anspruch auf Entrichtung einer Parkometerabgabe entstanden ist, nicht entgegenzutreten. Die Beschwerde führt auch keine konkreten Argumente gegen diese Auffassung der belangten Behörde an.
Der Beschwerdeführer bestreitet allerdings die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 VStG auf die vorliegenden Verkürzungstatbestände, zumal diese vermöge der Gleichartigkeit und des zeitlichen Zusammenhanges als fortgesetzte Abgabendelikte einzustufen seien.
§ 22 Abs. 1 VStG lautet:
"Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen."
Nach dieser positiven Gesetzeslage ist für jede selbständige, sei es auch nacheinander gesetzte Handlung, die jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes erfüllt, eine eigene Strafe zu verhängen.
Hievon soll eine Ausnahme bestehen, wenn das von der Strafrechtsdogmatik entwickelte Institut des fortgesetzten Deliktes vorliegt. Darunter ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch (erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten; der Zusammenhang muß sich äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen. Fahrlässige Begehungen scheiden für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes aus. Nur dann, wenn der Täter von vornherein - wenn auch nur mit bedingtem Vorsatz - einen Gesamterfolg mit seinen wesentlichen Merkmalen ins Auge gefaßt hat (Gesamtvorsatz), ist es gerechtfertigt, ihm nur eine einzige Straftat anzulasten (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 818 f mwN).
Die Bestimmungen des Parkometergesetzes dienen nicht primär der Erzielung von Einnahmen der Gebietskörperschaft (vgl. den Stenographischen Bericht über die 9. Sitzung des Wiener Landtages vom ), sondern der zweckmäßigen RATIONIERUNG der Möglichkeiten, Fahrzeuge abzustellen (vgl. EB zum Parkometergesetz, Blg. Nr. 10/1974), also der besseren Aufteilung des zunehmend knapper werdenden Parkraumes auf eine größere Anzahl von Fahrzeugen während des Verbotszeitraumes. Diese Absicht des Gesetzgebers trifft nicht nur für die Abgabepflicht selbst, sondern auch für die verwaltungsstrafrechtliche Sanktion ihrer Verletzung durch § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes zu. Aus dem genannten Zweck der Vorschrift folgt, daß es zwischen ansonsten gleichartigen Übertretungen des Parkometergesetzes, die für verschiedene Abgabenzeiträume gesetzt werden, stets an dem zeitlichen Zusammenhang fehlt, der für fortgesetzte Delikte gefordert wird. Die dem Gesetz zu Grunde liegenden Überlegungen der Parkraumbewirtschaftung schließen es nämlich aus, selbst aufeinanderfolgende Abgabenzeiträume zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen, werden doch in jedem Zeitraum in der Regel verschiedene Parkraumwerber in ihren individuellen Interessen berührt. Es erübrigt sich solcherart eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, käme ein fortgesetztes Delikt doch überhaupt nur in ersterem Fall in Frage.
Diesem Ergebnis steht das - zur Straßenverkehrsordnung 1960 ergangene - hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/02/0262, schon deshalb nicht entgegen, weil der Verstoß gegen das Halte- und Parkverbot des § 24 Abs. 1 lit. c) StVO 1960 ein Dauerdelikt ist, bei dem der einmal geschaffene rechtswidrige Zustand aufrechterhalten wird, während im vorliegenden Fall zum ursprünglichen Hinterziehungstatbestand mit Fälligwerden einer weiteren Parkometerabgabe ein NEUER hinzugetreten ist, die Rechtswidrigkeit der dem Beschwerdeführer hier angelasteten Unterlassung der Entrichtung eines WEITEREN Abgabenbetrages sich also nicht in der Aufrechterhaltung eines ursprünglich rechtswidrigen Zustandes erschöpfte.
Den nicht zu beanstandenden Erwägungen der belangten Behörde zur Höhe der verhängten Strafe tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.
Der von der Erstbehörde festgestellte Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer in der Berufung nicht bestritten. Dem Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wurde in der Berufung nur mit dem rechtlichen Argument juristischer Tateinheit mit einem Delikt des Vortages begegnet, dessen Sachverhaltsgrundlage unbestritten war. In der Berufung wurde daher ausdrücklich nur unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet. Die belangte Behörde durfte deshalb von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung aus dem Grunde des § 51e Abs. 2 VStG in der gemäß § 66b Abs. 4 VStG hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995, absehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/09/0108). Der Beschwerdeführer rügt das Unterbleiben einer öffentlichen mündlichen Verhandlung daher richtigerweise nicht.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.