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VwGH vom 06.08.1996, 95/17/0109

VwGH vom 06.08.1996, 95/17/0109

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/28/00318/94, betreffend Übertretung des Wiener Vergnügungssteuergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom erkannte der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer schuldig, er habe als Lokalinhaber für den an einem näher bezeichneten Standort gehaltenen Unterhaltungsspielapparat der Type "Funky Jet" für den Monat September 1992 unter Verletzung der Anmeldepflicht die Vergnügungssteuer nicht rechtzeitig entrichtet, diese dadurch in der Zeit vom bis mit dem Betrag von S 11.000,-- verkürzt und hiedurch eine Verwaltungsübertretung begangen. Er habe dadurch die § 14 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Vergnügungssteuergesetz 1987, LGBl. für Wien Nr. 43/87 i. d.g.F., verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von S 5.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. In der Begründung heißt es, gemäß § 1 Abs. 1 VStG könne als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht sei. Als Verwaltungsübertretung könne sohin nur eine Tat bestraft werden, wenn in einem Gesetz Gebote oder Verbote aufgestellt seien und überdies bestimmt sei, daß ein Zuwiderhandeln gegen ein solches Gebot oder Verbot als Verwaltungsübertretung zu ahnden sei. Diesem Grundsatz komme das Wiener Vergnügungssteuergesetz insofern nach, als es sämtliche Handlungen oder Unterlassungen, die eine Verkürzung der Abgabe zur Folge hätten, als Verwaltungsübertretungen qualifiziere und unter Strafe stelle. § 14 Abs. 2 VGSG beinhalte das Gebot, das Halten von Apparaten zu einem bestimmten Termin anzumelden, wobei ausdrücklich auf § 6 VGSG verwiesen werde, was nur bedeuten könne, daß dem Abgabepflichtigen auferlegt werde, die Vergnügungssteuer auf Grundlage der in dieser Bestimmung festgelegten Steuertatbestände zu erklären. Komme der Abgabepflichtige - wie im Beschwerdefall - dieser Verpflichtung nicht nach und folge daraus eine Verkürzung der Abgabe, setze er eine Handlung im Sinne des § 19 Abs. 1 VGSG, welche, sofern ihn daran ein Verschulden treffe, eine Bestrafung nach sich ziehe. Folge man der Darstellung des Beschwerdeführers, wäre der Abgabepflichtige seiner Verpflichtung schon dadurch nachgekommen, eine Steuererklärung ohne Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Steuersatzes einzureichen. Die Abgabenbehörde wäre in der Folge verpflichtet, die Richtigkeit der Erklärungen zu prüfen und gegebenenfalls die gesetzmäßige Abgabenpflicht festzustellen, ohne daß dies irgendeine Sanktion für den Abgabepflichtigen nach sich zöge. Dies widerspreche jedoch eindeutig den Intentionen des Vergnügungssteuergesetzes, wonach die Vergnügungssteuer eine Selbstbemessungsabgabe sei. Die im Gesetz enthaltene Strafbestimmung verfolge demnach den Zweck, den damit verbundenen Verpflichtungen, nämlich daß die Abgabe vom Abgabepflichtigen termingerecht und richtig erklärt sowie vollständig entrichtet werde, ohne Zutun der Abgabenbehörde zum Durchbruch zu verhelfen. Die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe sichere die Feststellung der Abgabepflicht für jene Fälle, in denen der Abgabepflichtige seinen Obliegenheiten nicht ordnungsgemäß nachkomme. Von der Schaffung eines Straftatbestandes mit rückwirkender Anwendung könne daher in diesem Zusammenhang nicht ausgegangen werden. Wenn der Beschwerdeführer vermeine, ihn treffe an der objektiv nicht bestrittenen Verkürzung der Abgabe kein Verschulden, sei dem entgegenzuhalten, daß ihm auf Grund seiner längerfristigen Zusammenarbeit mit Apparatebetreibern die Kenntnis und das Verständnis der Gesetzeslage zumutbar sei, was ihn wiederum in die Lage versetze, eine den Vorschriften entsprechende Steuererklärung abzugeben. Weiters sei der Beschwerdeführer von der Abgabenbehörde aufgefordert worden, die gesetzlich vorgesehene Vergnügungssteuerpflicht anzuerkennen. Das Untätigbleiben des Beschwerdeführers stelle jedenfalls eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt dar, was für eine Bestrafung ausreiche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich aus der Beschwerde erkennbar in seinem Recht auf Nichtbestrafung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz VGSG 1987, LGBl. für Wien Nr. 43/1987 i.d.F. LGBl. Nr. 73/1990, sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300 000 S verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600 000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

Gemäß § 19 Abs. 2 VGSG, LGBl. für Wien Nr. 44/1990, sind Übertretungen der §§ 6 Abs. 9, 14 Abs. 1, 2, 4 und 7 und 17 Abs. 1 und 3 als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 6 000 S zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen.

Das tatbildmäßige Verhalten nach § 19 Abs. 1 VGSG, durch das die Steuer verkürzt wird, setzt die vom Abgabepflichtigen zu vertretende Verletzung der Anmelde- bzw. Anzeigepflicht, wodurch die Abgabenbehörde in Unkenntnis abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen bleibt, und die Nichtentrichtung der im Wege der Selbstbemessung ermittelten Abgaben am Fälligkeitstag voraus. Eine Abgabenverkürzung liegt demnach dann vor, wenn die Abgabe unter Verletzung einer Anmeldepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wird (vgl. zuletzt hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0333).

Nach § 92 Abs. WAO sind vom Abgabepflichtigen die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. dienen der Offenlegung insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstbemessung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.

Hat der Beschwerdeführer mit der abgegebenen "Vergnügungssteuererklärung - Anmeldung eines Apparates" vom seine ihm obliegende Offenlegungs- und Wahrheitspflicht im Sinne des § 92 WAO erfüllt, dann liegt keine Verletzung der Anmeldepflicht und damit auch keine Verwirklichung des im § 19 Abs. 1 VGSG normierten Tatbestandes vor. Kam der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung nach § 92 WAO nicht nach - ist allenfalls eine unvollständige Anmeldung abgegeben worden -, dann trifft ihn der Vorwurf einer Verletzung der Anmeldepflicht.

Der Beschwerdeführer erklärte - wie im Erklärungsvordruck vorgesehen - die Art und Type des Apparates, reihte diesen in die näher bezeichnete Steuerkategorie ein und entrichtete den sich danach ergebenden Abgabenbetrag. Ob nun mit der Bezeichnung "Funky Jet" dieser Apparat damit bereits vollständig und wahrheitsgemäß umschrieben ist, so daß die Abgabenbehörde in Kenntnis vom Halten eines Apparates mit einem bestimmten Spielablauf gesetzt und ihr die Einreihung in eine bestimmte Steuerkategorie ermöglicht war, oder aber dies nicht der Fall ist, stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht fest. Insofern wird kein Vorwurf der Verletzung der Anmeldepflicht erhoben. Der Vorwurf richtet sich vielmehr gegen die "Nichterklärung" der (richtigen) Steuerkategorie und der sich daraus ergebenden Verkürzung der Abgabe infolge Minderentrichtung.

Ihrem Wesen nach sind die Abgabenerklärungen - wie auch die Vergnügungssteuererklärung - vor allem Wissenserklärungen, eben Erklärungen über tatsächliche Ereignisse, Gegebenheiten, Zustände, Veränderungen und Verhältnisse, also Erklärungen über Tatsachen, über die der Erklärende ein Wissen hat oder sich ein Wissen zu verschaffen hat. Die Abgabenerklärungen verlangen aber nicht nur absolut wertfreie Mitteilungen über reale Gegebenheiten, sondern voraussetzungsgemäß auch rechtliche Wertungen. Sachverhalte sind regelmäßig nicht reale Tatsachen für sich und an sich, sondern solche konkrete Gegebenheiten, die von einen Tatbestand erfaßt sind. Eine reale Gegebenheit ist ein rechtlich bedeutsamer Sachverhalt nur dann und erst dann, wenn er unter einem Tatbestand fällt. Insoweit trifft den Erklärungspflichtigen die Last einer rechtlichen (Vor-)Beurteilung und die einer Vorordnung der Sachgegebenheiten nach ihrer Zuordenbarkeit oder nach dem Ausgeschlossensein der Zuordnung der Sachverhalte unter abgabenrechtliche Tatbestände, was aber voraussetzt, daß den Erklärungen über das Wissen tatsächlicher Gegebenheiten die Verschaffung der Einsicht über die Rechtslage (somit eine rechtliche Würdigung) und letztlich Subsumtionen, rechtliche Wertungen und Schlußfolgerungen voranzugehen haben (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1497 und 1498 zu § 133 BAO).

Es ist davon auszugehen, daß der Abgabepflichtige sich mit einer gewissen Freiheit, die die Mehrdeutigkeit der Normen bietet, nur in jenem Raum bewegen kann, der durch die Vertretbarkeit der Deutungs- und Verstehensmöglichkeiten der Rechtsätze gekennzeichnet ist. Es steht dem Abgabepflichtigen frei - und diese Freiheit kann rechtsstaatlich und grundsätzlich nicht eingeschränkt gesehen werden - innerhalb dieses Bereiches Rechtspositionen zu beziehen und die diesen entsprechenden Sachgegebenheiten als Sachverhalte zu betrachten und offenzulegen. Damit hat der Abgabepflichtige seine Offenlegungspflicht erfüllt. Die Grenze ist die Vertretbarkeit des Interpretationsverständnisses von den anzuwendenden Rechtsvorschriften (vgl. Stoll, aaO., 1358 zu § 119 BAO).

Dem Abgabepflichtigen steht es, ohne daß strafrechtliche Folgen eintreten, frei, seine Rechtsansicht in den Abgabenerklärungen zu vertreten, nur muß er den Sachverhalt als solchen wahrheitsgemäß offenlegen. Dem Abgabepflichtigen muß im übrigen subjektiv das Recht zugebilligt werden, eine Ansicht in seinen Steuererklärungen zu vertreten, ohne daß ihm dies als Verletzung der Offenlegungspflicht angelastet werden könnte. Es darf aber nicht so verstanden werden, daß in den Erklärungen jegliche Art von unrichtigen Angaben gemacht werden darf, wenn sie offen ausgewiesen werden. Die Angaben müssen die Abgabenbehörde in die Lage versetzen, deren Richtigkeit anhand der Angaben in der Erklärung zu überprüfen. Es muß der volle und ganze Sachverhalt offengelegt werden und dann kann erst die abweichende Rechtsansicht vertreten werden (vgl. Sommergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar, Band 2, 231 zu § 33 FinStrG).

Die in der Vergnügungssteuererklärung vorgenommene Einreihung des Apparates in eine bestimmte Steuerkategorie ist keine Tatsachenerklärung, sondern Ergebnis einer Subsumtion - einer vom Beschwerdeführer gelösten Rechtsfrage. Wird diese Rechtsfrage unrichtig gelöst und dieses Ergebnis in der Erklärung offengelegt, dann kann dem Beschwerdeführer keine Verletzung der Anmeldepflicht angelastet werden, wenn die sonstigen Angaben in der Vergnügungssteuererklärung die Abgabenbehörde in die Lage versetzen, deren Richtigkeit anhand der Erklärung zu überprüfen. Daß eine solche Überprüfung nicht möglich war, wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Daraus ergibt sich im Beschwerdefall aber, daß eine Verletzung der Anmeldepflicht nicht festgestellt wurde, weil durch die unrichtige Angabe der Steuerkategorie allein die Anmeldepflicht nicht verletzt wird. Wird diese nicht verletzt, dann ist der Tatbestand des § 19 Abs. 1 VGSG nicht verwirklicht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid schon deswegen mit Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenausspruch gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.