VwGH vom 22.02.1995, 95/17/0037
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Wi(Ge) - 6545/1 - 1992/Pö/Ra, betreffend Interessentenbeitrag nach dem O.ö. Tourismus-Gesetz 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom setzte die Interessentenbeitragsstelle (§ 27 Abs. 5 des
O.ö. Tourismus-Gesetzes 1990, BGBl. Nr. 81/1989 - im folgenden:
Oö TourismusG 1990) gegenüber dem Beschwerdeführer den Interessentenbeitrag für das Kalenderjahr 1991 "aufgrund Ihres beitragspflichtigen Gesamtumsatzes in Höhe von S 120800.91, der Ortsklasse C, Beitragsgruppe 3, 0,10 %, gemäß Paragraph 41 Abs. 3" leg. cit. mit dem Mindestbeitrag in Höhe von S 400,-- fest.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er besitze für den Standort X 6, Gemeinde L, eine Konzession zur Beförderung von Schülern, Kindergartenkindern und deren Begleitpersonen mit einem PKW (Konzessionsdekret der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom ). In den Erläuterungen zum Oö TourismusG 1990 werde zum Ausdruck gebracht, daß Wirtschaftsbereiche, die aus dem Tourismus überhaupt keinen Vorteil erzielen KÖNNTEN, von der Beitragspflicht befreit sein sollten. Im Falle des Beschwerdeführers könne von einem wirtschaftlichen Vorteil keine Rede sein, da er im Rahmen seiner Gewerbeausübung durch den Tourismus nicht einen Groschen an Mehreinnahmen verzeichnen könne.
1.2. Mit Bescheid vom wies die Oberösterreichische Landesregierung die Berufung als unbegründet ab. Im Spruch dieses Bescheides wird die Beitragsermittlung wie folgt dargestellt:
Wirtschaftstätigkeit: Schülertransport
Berufsgruppe: Mietwagenverkehr
Beitragsgruppe (Ortsklasse C)/Hebesatz: 3/0,10 %
Beitragspflichtiger Umsatz: S 120.800,-- Interessentenbeitrag (Mindestbeitrag): S 400,--.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, ob ein Unternehmer der Beitragspflicht unterliege, müsse auf Grund einer Zuordnung seiner konkreten Wirtschaftstätigkeit zu einer der in der Beitragsgruppenordnung angeführten Abteilungen, Klassen, Gruppen und Arten festgestellt werden. Die Wirtschaftsabteilung 8 fasse alle Tätigkeiten im Bereich "Verkehr" und "Nachrichtenübermittlung" zusammen. Hiezu gehöre auch die Klasse "Straßenverkehr" und hiezu wieder "Taxi-, Mietwagenverkehr und sonstige Personenbeförderung". Unter "Mietwagenverkehr" sei die Beförderung eines bestimmten Teilnehmerkreises mit Kraftfahrzeugen unter Beistellung des Lenkers auf Grund besonderer Aufträge zu verstehen. Die gewerbsmäßige Beförderung von Schülern und Kindergartenkindern unterliege daher diesem Gewerbe. Die Beitragsgruppenordnung ordne die gesamte Gruppe "Taxi-, Mietwagenverkehr und sonstige Personenbeförderung" in allen Ortsklassen der Beitragsgruppe 3 zu. Die Behörde sei bei der Vollziehung der Beitragsvorschriften an die Einreihung dieser Tätigkeit in die Beitragsgruppe 3 gebunden. Bemerkt werde, daß auf Grund der geänderten Rechtslage für das Beitragsjahr 1992 eine Beitragspflicht entfalle.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichterhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
1.4. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
1.5. In Entsprechung des im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Verordnungsprüfungsantrages sprach der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , V 73/94, aus, daß die in Abteilung 8 (Verkehr; Nachrichtenübermittlung), Berufsgruppe (Wirtschaftstätigkeit) 812, der Anlage 1 zur Verordnung der o. ö. Landesregierung vom , mit der auf Grund des Oö TourismusG 1990 die Beitragsgruppen für die einzelnen Berufsgruppen bestimmt werden (Beitragsgruppenordnung), LGBl. Nr. 41/1991, enthaltene Wortfolge "und sonstige Personenbeförderung" gesetzwidrig war.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Art. 139 Abs. 6 erster und zweiter Satz B-VG lauten:
"Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."
Gemäß § 33 Abs. 1 Oö TourismusG 1990 haben die Tourismusinteressenten (§ 1 Z. 5) für jedes Kalenderjahr (Beitragszeitraum) Interessentenbeiträge zu entrichten.
Nach § 35 Abs. 1 leg. cit. werden zur Berechnung der Interessentenbeiträge die Berufsgruppen der Tourismusinteressenten in die Beitragsgruppen 1 bis 7 eingeteilt. Die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen in die Beitragsgruppen hat die Landesregierung durch Verordnung zu treffen (Beitragsgruppenordnung).
In der Beitragsgruppenordnung, LGBl. Nr. 41/1991, heißt es auszugsweise:
"Auf Grund des § 35 Abs. 1 O.ö. Tourismus-Gesetz 1990, LGBl. Nr. 81/1989, wird verordnet:
§ 1
(1) Zur Berechnung der Interessentenbeiträge nach dem O.ö. Tourismus-Gesetz 1990 werden die Berufsgruppen der Tourismusinteressenten nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Anlage 1 in Beitragsgruppen eingeteilt.
(2) In der Beitragsgruppenordnung sind die Beitragsgruppen (Wirtschaftstätigkeiten) in folgende "Abteilungen" gegliedert:
...
Verkehr; Nachrichtenübermittlung
...
Innerhalb der Abteilungen sind die Berufsgruppen (Wirtschaftstätigkeiten) in Klassen (01-97), Gruppen (011-971) und Arten (011.0-971.9) zusammengefaßt.
(3) Soweit für eine Berufsgruppe (Wirtschaftstätigkeit) eine ausdrückliche Einreihung in der Beitragsgruppenordnung vorgesehen ist, gilt diese.
(4) Berufsgruppen (Wirtschaftstätigkeiten), die in der Beitragsgruppenordnung nicht ausdrücklich genannt sind, sind so eingereiht, wie die ihnen unmittelbar übergeordnete Art, Gruppe, Klasse oder Abteilung der Berufsgruppe (Wirtschaftstätigkeit).
..."
In der Anlage 1 zur zitierten Beitragsgruppenordnung findet sich folgende für den Beschwerdefall relevante Einreihung der Abteilung 8 "Verkehr; Nachrichtenübermittlung":
"Berufsgruppe (Wirtschafts- Beitragsgruppe in den
tätigkeit) Ortsklassen
A B C Statutarstadt
Zone 1 Zone 2
8 VERKEHR; NACHRICHTEN-
ÜBERMITTLUNG
81 STRASSENVERKEHR
811 Straßenbahn-, Obus- und
Autobuslinienverkehr ........ 4 4 4 4 4
812 Taxi, Mietwagenverkehr und
sonstige Personenbeförderung 3 3 3 3 3
813 Lastfuhrwerksverkehr ........ 5 5 5 5 5
819 Hilfseinrichtungen des
Straßenverkehrs
819.1 Garagen ..................... 3 3 3 3 3
819.2 Vermietung und Kraftwagen ... 3 3 3 4 4
819.9 Sonstige Hilfseinrichtungen
des Straßenverkehrs ......... 6 6 6 6 6
- Betreiber von Brückenwaagen 7 7 7 7 7
- Mautstraßen ............... 3 3 3 4 4"
Die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, daß die Worte "und sonstige Personenbeförderung" in dem eben wiedergegebenen Anlagenteil zur Beitragsgruppenordnung gesetzwidrig waren, bedeutet im Sinne des § 1 Abs. 4 der Beitragsgruppenordnung, daß diese Wirtschaftstätigkeit - in den von der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes erfaßten Fällen - nicht (mehr) ausdrücklich genannt ist. Diese Wirtschaftstätigkeit (die bisher als Gruppe genannt war) ist daher so eingereiht, wie die ihr unmittelbar übergeordnete Klasse "81 Straßenverkehr". Diese ist in der Beitragsgruppenordnung - anders als dies bei bestimmten anderen Klassen der Fall ist - nicht in Beitragsgruppen eingeteilt.
2.2. Der Beschwerdefall bildet unbestritten einen der Anlaßfälle für die verfassungsgerichtliche Feststellung, daß die angewendete und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende, eben zitierte Verordnungsstelle gesetzwidrig war.
Dadurch, daß die belangte Behörde den angefochtenen Interessentenbeitragsbescheid auf diese Verordnungsstelle gestützt hat und sich auch aus keiner anderen Bestimmung, insbesondere nicht aus der Anwendung des § 1 Abs. 4 der Beitragsgruppenordnung eine rechtliche Grundlage für den vorgeschriebenen Interessentenbeitrag ergibt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.