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VwGH vom 06.05.1998, 97/21/0843

VwGH vom 06.05.1998, 97/21/0843

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des NK in Istanbul, geboren am , vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in 4813 Altmünster, Marktstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 668.316/11-III/16/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung eines Bescheides, mit welchem die Zustimmung zur Bewilligung der Wiedereinreise versagt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Inhalt der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, von diesem an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen und rechtzeitig ergänzten Beschwerde ergibt sich folgendes:

Gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, wurde im Jahr 1994 ein rechtskräftiges, auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Im Februar/März 1995 wurde er in Linz wegen Tuberkulose an der Lunge operiert und befand sich daran anschließend mehrere Wochen in stationärer Behandlung. Ende April 1995 reiste er aufgrund des verhängten Aufenthaltsverbotes in die Türkei aus.

Am beantragte der Beschwerdeführer bei der Österreichischen Botschaft in Ankara, ihm die Wiedereinreise nach Österreich zu bewilligen. Diesen Antrag begründete er damit, daß hinsichtlich seiner Lungentuberkulose im Laufe des Jahres 1995 eine wesentliche Verschlechterung eingetreten und daher eine neuerliche Operation dringend erforderlich sei. Nur in Österreich bestehe jedoch ein aufrechtes Sozialversicherungsverhältnis, sodaß diese Operation mangels Einkommens und Vermögens nur hier durchführbar sei. Auch die im Anschluß daran notwendige Pflege sei nur in Österreich - durch die im Inland lebende Ehegattin - gewährleistet. Es lägen damit wichtige private Gründe im Sinn des § 23 FrG vor.

Mit Erledigung vom versagte die Österreichische Botschaft in Ankara die begehrte Wiedereinreisebewilligung. Sie könne "nicht gegeben werden, da das Bundesministerium für Inneres gemäß § 66 Abs. 1 FrG nicht zugestimmt hat, weil hiefür keine wichtigen öffentlichen oder privaten Gründe vorliegen".

Am beantragte der Beschwerdeführer hierauf die Zustellung des Bescheides, mit welchem die Zustimmung zur Bewilligung der Wiedereinreise versagt worden war. In einer weiteren Eingabe vom begehrte er überdies die Erlassung eines Bescheides, in welchem ausgesprochen werden möge, daß das Bundesministerium für Inneres über die Frage der Zustimmung zum Antrag auf Wiedereinreisebewilligung nicht in Bescheidform abspricht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Anträge sowie darauf bezugnehmende Urgenzen des Beschwerdeführers zurück. Sie begründete dies damit, daß "der gegenständliche § 23 FrG Antrag" durch die Österreichische Botschaft Ankara rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Eine Zustimmung nach § 66 Abs. 1 FrG sei jedoch untrennbar mit einem Verfahren nach § 23 FrG verbunden und nur innerhalb eines solchen Verfahrens möglich. Es sei bereits mitgeteilt worden, daß die Zustimmung bzw. Nichtzustimmung des Bundesministers für Inneres nicht in Form eines Bescheides erfolge und daß daher eine Übermittlung der erfolgten Zustimmung mangels gesetzlicher Bestimmungen nicht vorgesehen sei. Bezüglich des in abstracto gestellten Antrages auf bescheidmäßige Feststellung, daß die Zustimmung bzw. Nichtzustimmung durch den Bundesminister für Inneres in Bescheidform zu ergehen hätte, sei eine bescheidmäßige Erledigung gesetzlich nicht vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat deren Behandlung abgelehnt und sie an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, vor dem nunmehr die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdefall liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes eine Wiedereinreise in das Bundesgebiet beabsichtigte. Hiezu normiert § 23 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992 folgendes:

"(1) Während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes darf der Fremde ohne Bewilligung nicht wieder einreisen.

(2) Die Bewilligung zur Wiedereinreise kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen notwendig ist, die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt. Mit der Bewilligung ist auch die sachlich gebotene Gültigkeitsdauer festzulegen.

(3) Die Bewilligung wird in Form eines Sichtvermerkes erteilt."

Gemäß § 65 Abs. 2 und 3 FrG sind für die Erteilung von Wiedereinreisebewilligungen ausschließlich die diplomatischen und die von Berufskonsuln geleiteten österreichischen Vertretungsbehörden oder - sofern sie vom Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten nach Anhörung des Bundesministers für Inneres damit betraut worden sind - die von Honorarkonsuln geleiteten österreichischen Vertretungsbehörden zuständig. Unter dem Titel "Besondere sachliche Zuständigkeiten" sieht § 66 Abs. 1 FrG weiters folgendes vor:

"Die Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Inneres."

§ 69 FrG enthält Bestimmungen über das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden. Dabei wird unter anderem normiert:

"(1) ... Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Über schriftlichen oder niederschriftlichen Antrag der Partei ist die Entscheidung gemäß Abs. 1 auch schriftlich auszufertigen; hiebei sind außer der getroffenen Entscheidung die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht.

...

(5) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde, in den Fällen des Abs. 4 der Bundesminister für Inneres ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Sichtvermerksversagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muß auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein."

Diese hier auszugsweise wiedergegebene Regelung des Verfahrens vor österreichischen Vertretungsbehörden hat sich laut den Gesetzesmaterialien (692 BlgNR 18. GP, 56f) von dem vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Auslegungsergebnis leiten lassen, daß für dieses Verfahren "die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung" gelten, und diese Grundsätze nun ausdrücklich festgelegt. Die "Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens" erfordern jedoch auch, daß der für eine Entscheidung maßgebliche Sachverhalt, wenn er schon nicht in der Begründung des Bescheides darzulegen ist, zumindest im Akt nachvollziehbar sein muß, wie dies im letzten Satz des die Versagung eines Sichtvermerkes aufgrund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit regelnden § 69 Abs. 5 FrG verlangt wird. Aus der in dieser Bestimmung enthaltenen Wendung "auch in diesen Fällen" ergibt sich, daß das Erfordernis der Nachvollziehbarkeit des maßgeblichen Sachverhaltes im Akt über die Fälle des § 69 Abs. 5 FrG hinaus, also in Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden nach dem Fremdengesetz schlechthin, zu gelten hat. Damit ist die Überprüfbarkeit von Bescheiden österreichischer Vertretungsbehörden aber gewährleistet, weshalb der Verwaltungsgerichtshof gegen die Verfassungsmäßigkeit des letzten Halbsatzes des § 69 Abs. 2 FrG ("einer weiteren Begründung bedarf es nicht") keine Bedenken hegt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0870, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zlen. B 966/93 und B 1089/93, Slg. Nr. 13.723).

Einer besonderen Erwähnung bedarf der Umstand, daß das Gesetz keine ausdrücklichen Regeln darüber enthält, nach welchen Kriterien der Bundesminister für Inneres bei seiner Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung nach § 66 Abs. 1 FrG vorzugehen hat. Es stellt sich damit vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips die Frage, ob die Entscheidung des Bundesministers für Inneres ausreichend determiniert ist (zum Bestimmtheitserfordernis in einem vergleichbaren Fall siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 14.318, und die zugrundeliegenden Anfechtungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. A 26/95 (94/18/0762) u.a.). In diese Richtung gehen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeschriftsatz, wonach unklar bleibe, welche Prüfungsbefugnis der jeweiligen Behörde zukomme bzw. nach welchen inhaltlichen Kriterien die jeweilige Behörde die Entscheidung zu treffen habe. Es läßt sich ein verfassungskonformes Ergebnis jedoch dadurch erzielen, daß man die gesetzliche Regelung so versteht, der Bundesminister für Inneres habe bei seiner Entscheidung - wie die Österreichische Botschaft in Ankara - die in § 23 Abs. 2 FrG zum Ausdruck gebrachten Gesichtspunkte wahrzunehmen (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Der zustimmungsbedürftige Bescheid im österreichischen Rechtssystem, JBl 1983, 583).

Wendet man sich nach diesen Erwägungen der Kernfrage des gegenständlichen Beschwerdefalles zu (nämlich der Frage, ob die Zustimmung des Bundesministers für Inneres bzw. deren Verweigerung in Bescheidform zu erfolgen hat), so hat - durchaus im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen - im Mittelpunkt der Überlegungen zu stehen, daß dem Rechtsschutzbedürfnis einer die Wiedereinreise beantragenden Partei ungeachtet der "Zustimmungskompetenz" des Bundesministers für Inneres in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden muß. Eine Situation, wie sie in der Beschwerde als Konsequenz der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung dargestellt wird, daß nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung nach § 23 Abs. 2 FrG einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen sei, würde einem Unterlaufen des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzkonzeptes gleichkommen (vgl. allgemein zu Fällen zustimmungsbedürftiger Verwaltungsakte Kucsko-Stadlmayer, aaO., 579). Allerdings ist die Beschwerde nicht im Recht, wenn sie vermeint, diese Konsequenz könne nur durch die Erlassung eines selbständig anfechtbaren Bescheides über die Verweigerung der Zustimmung zur Erteilung der Wiedereinreisebewilligung seitens des Bundesministers für Inneres vermieden werden. Im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Dienstrechtsangelegenheiten ließe sich ausreichender Rechtsschutz für den einzelnen nämlich ebenso dadurch gewinnen, daß die in Frage stehende Zustimmung, sei sie auch Tatbestandsmerkmal, inzidenter im Zuge der verwaltungsgerichtlichen Prüfung des Bescheides der österreichischen Vertretungsbehörde einer Kontrolle unterzogen wird. Der Annahme, bei der Zustimmung handle es sich um einen selbständigen, an die Partei des Verwaltungsverfahrens gerichteten Bescheid, bedarf es also vor dem Hintergrund dieser Judikatur nicht (siehe zu dieser Rechtsprechung die Darstellung bei Thienel, Der mehrstufige Verwaltungsakt, 16 ff; illustrativ das Erkenntnis vom , Zl. 87/12/0056; vgl. aus jüngerer Zeit etwa auch das Erkenntnis vom , Zl. 95/12/0033).

Es ist nicht zu sehen, warum nicht auch im vorliegenden Fall der Verweigerung der Zustimmung zur Bewilligung einer Wiedereinreise mit der dargestellten mittelbaren Kontrolle das Auslangen gefunden werden kann. Erweisen sich aus Anlaß einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der österreichischen Vertretungsbehörde die Gründe für die Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesminister für Inneres als rechtswidrig, so schlägt dies eben auf den Bescheid der österreichischen Vertretungsbehörde durch. Freilich setzt dies - wie vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/12/0252, m.w.N.) - voraus, daß die Gründe für die versagte Zustimmung in den Bescheid der österreichischen Vertretungsbehörde einfließen und dort wiedergegeben werden. Dem möglichen Einwand, dem stünde § 69 Abs. 2 letzter Halbsatz FrG entgegen, wäre zu erwidern, daß diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach keinesfalls ausschließt, daß eine Begründung gegeben wird, wenn es im Einzelfall für erforderlich erachtet wird oder aus besonderen Gründen geboten sein sollte. Im übrigen sieht § 69 Abs. 2 letzter Halbsatz FrG

- verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe eingangs) - eine allgemeine Erleichterung der Begründungspflicht vor, also auch für den Fall, daß eine Befassung des Bundesministers für Inneres deswegen unterbleibt, weil die österreichische Vertretungsbehörde schon von sich aus die Wiedereinreise nicht gestatten möchte; vor diesem Hintergrund reduziert sich auch die Pflicht zur Wiedergabe der für die Versagung der Zustimmung maßgeblichen Gründe auf das Maß der Begründungspflicht, das der Gesetzgeber für die federführende Behörde (die österreichische Vertretungsbehörde) festgelegt hat.

Dem Beschwerdeführer sei zugestanden, daß seine Auffassung, die Verweigerung der Zustimmung einer Verwaltungsbehörde zu einem Verwaltungsakt einer anderen Verwaltungsbehörde bedürfe eines selbständigen Bescheides, in jüngerer Zeit auch in der Lehre vertreten worden ist (Kucsko-Stadlmayer, aaO., 584; Thienel, Der mehrstufige Verwaltungsakt; vgl. demgegenüber aber auch Muzak, Die Aufenthaltsberechtigung im österreichischen Fremdenrecht, 96 ff, der für den Bereich des § 66 FrG der Zustimmung des Bundesministers für Inneres bloß interne Bedeutung - im Sinne eines "verstärkten" Weisungsrechtes - beimessen will). Die Ansicht Kucsko-Stadlmayers hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch schon im Erkenntnis vom , Zl. 87/12/0056, abgelehnt. Die vorliegende Konstellation bezüglich der Wiedereinreisebewilligung ist im übrigen insofern eine besondere, als zwei Behörden (Bundesminister für Inneres und österreichische Vertretungsbehörde), die zueinander in einem - fachlichen - Weisungsverhältnis stehen, ein und dieselbe Sache nach völlig deckungsgleichen Kriterien (§ 23 Abs. 2 FrG; so das Ergebnis der oben angestellten verfassungskonformen Interpretation) zu beurteilen haben. Unterstellte man, daß die Verweigerung der Zustimmung seitens des Bundesministers für Inneres in Form eines selbständigen Bescheides zu erfolgen hätte, so führte das zu einer Doppelgleisigkeit, die weder sinnvoll noch aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes geboten erschiene.

Insgesamt erweist sich daher die Ansicht der belangten Behörde, ein gesonderter Bescheid betreffend die Verweigerung der Zustimmung nach § 66 Abs. 1 FrG sei nicht zu erlassen, als frei von Rechtsirrtum.

Daß der am ergänzend gestellte (Eventual-)Antrag, die belangte Behörde möge bescheidmäßig aussprechen, "daß das Bundesministerium für Inneres über die Frage der Zustimmung zum Antrag auf Wiedereinreisebewilligung nicht in Bescheidform abspricht" - mangels eines Feststellungsinteresses - unzulässig ist, wird in der Beschwerde gar nicht in Frage gestellt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.