VwGH vom 17.03.1997, 95/17/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S-Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. II-S-26-1993, betreffend Wasserbezugsgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde schrieb der Beschwerdeführerin mit dem "Wassergebühr-Bescheid" vom für den Bauteil II und den Verrechnungszeitraum bis die Wasserbezugsgebühr in der Höhe von insgesamt S 6.108,48 vor. Dieser Betrag ergibt sich aus der vom Wasserverbrauch abhängigen Wassergebühr in der Höhe von S 630,-- sowie der Grundgebühr bestehend aus der Wasserzählermiete in der Höhe von S 108,17 und der Bereitstellungsgebühr für 100 Wohneinheiten in der Höhe von S 4.815,-- zuzüglich 10 % USt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekämpfte die Beschwerdeführerin die Höhe der vorgeschriebenen Grundgebühr.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wies die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab und führte aus, die vorgeschriebene Grundgebühr bestehe aus der Bereitstellungsgebühr von S 48,15 pro Einheit sowie der Wasserzählermiete von S 108,17. Die Bereitstellungsgebühr von insgesamt S 4.815,-- ergebe sich aus § 2 Tabelle B der Verordnung der mitbeteiligten Gemeinde für Saisonwasserbezieher mit nichtordentlichem Wohnsitz in einer der Mitgliedsgemeinden. Die Wassergebührenvorschreibung entspreche der für das Jahr 1992 geltenden Verordnung der Großgemeinde über die Ausschreibung von Wasserbezugsgebühren.
§ 2 dieser Verordnung beziehe sich ausdrücklich auf den Einzelanschluß bzw. die Wohneinheit, sodaß die Berechnung der Bereitstellungsgebühr der bestehenden Rechtslage entspreche.
Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom die Vorstellung gegen den genannten Bescheid des Gemeinderates als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, durch die Verordnung des Gemeinderates vom sei geregelt, daß auch bei Vorliegen nur eines Wasserzählers auf der Anlage Bauteil II für "jede Liegenschaft" für den Bezug bzw. die Bereitstellung von Wasser eine Bereitstellungsgebühr zu entrichten sei. Für "sämtliche 99 Wohneinheiten" sei lediglich eine Zählermiete zu bezahlen. Der Einwand, es sei im Bauteil II der ordentliche Wohnsitz begründet und es handle sich nicht um Saisonalwasserbezieher, gehe ins Leere. Der Bauteil II entspreche in der baulichen Gesamtkonzeption einer Feriensiedlung, die je nach Jahreszeit und Witterung für Erholungszwecke von den Eigentümern frequentiert werde.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom , B 1683/94-8 und B 1684/94-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtentrichtung der Wasserbezugsgebühr verletzt und macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Vorschreibung der Wasserbezugsgebühr bezieht sich auf den Zeitraum bis . Für die Berechnung der Wasserbezugsgebühr ist die in diesem Zeitraum in Kraft stehende Verordnung der mitbeteiligten Gemeinde anzuwenden. Dies war die mit Wirkung vom in Kraft getretene Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom über die Ausschreibung von Wasserbezugsgebühren und nicht die im angefochtenen Bescheid zitierte Verordnung des Gemeinderates vom .
Die genannte Verordnung vom lautet auszugsweise wie folgt:
"Aufgrund der Bestimmungen des § 15 Abs. 3 Z 5 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 687/1988 wird verordnet:
§ 1
Für den Bezug von Wasser aus der öffentlichen Wasserleitung und die Benützung von Wasserzählern im Bereich der Gemeinde Weiden am See werden laufende Gebühren (Wasserbezugsgebühren) ausgeschrieben.
§ 2
Die Höhe der Wasserbezugsgebühr beträgt gemäß § 15 Abs. 2 der Wasserleitungsordnung, Landesamtsblatt für das Burgenland vom , 40. Stück, bei einem Wasserverbrauch
von 0 - 500 m3 pro Quartal und Einzelanschluß bzw. Wohneinheit S 9,-- pro m3 exkl. MWSt. über 500 m3 pro Quartal und Einzelanschluß bzw. Wohneinheit S 8,55 pro m3 exkl. MWSt.
Die Grundgebühr besteht gemäß § 15 Abs. 1 der Wasserleitungsordnung vom aus Wasserzählermiete und Bereitstellungsgebühr und errechnet sich im einzelnen Versorgungsfall wie folgt:
TABELLE A
für Ganzjahreswasserbezieher mit ordentlichem Wohnsitz in einer Mitgliedsgemeinde
...
TABELLE B
für Saisonbezieher mit nichtordentlichem Wohnsitz in einer der Mitgliedsgemeinden.
Wasser- Wasserzählermiete + Bereitstellungsg. = Grundgebühr
zähler- gem. § 15 1.a) der gem. § 15 1.b) d. gem. § 15 1.
dimension Wasserleitungsord. Wasserleitungsord. der Wasser-
... ... ... leitungsord.
...
50 m3/h S 108,17/M. o. MWSt. S 48,15/M. o. MWSt. S 156,32/
... ... ... ...
§ 3
Zur Entrichtung der Wasserbezugsgebühr sind die Eigentümer jener Liegenschaften verpflichtet, die an das öffentliche Wasserleitungsnetz angeschlossen sind, sowie jene Eigentümer, für deren Liegenschaften in sonstiger Weise Wasser aus dem öffentlichen Wasserleitungsnetz direkt oder indirekt bezogen wird. Im Falle des Vorliegens von Miteigentum oder Wohnungseigentum haften sämtliche Miteigentümer bzw. Wohnungseigentümer anteilsmäßig jeweils entsprechend ihrem Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, welche über einen Anschluß verfügt, sowie für die in sonstiger Weise Wasser aus dem öffentlichen Wasserleitungsnetz bezogen wird.
§ 4
Die Gebührenschuld entsteht mit dem Zeitpunkt des Anschlusses an das öffentliche Wasserleitungsnetz oder ansonsten mit dem Zeitpunkt des sonstigen Bezuges.
§ 5
Die Wasserbezugsgebühren werden jeweils quartalsweise zu je einem Viertel des errechneten Jahresbetrages fällig.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom in Kraft."
Die belangte Behörde wendete für die Vorschreibung der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum bis die Verordnung (in der Folge sind die genannten Verordnungen die Wasserbezugsgebührenverordnungen des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde) vom an und verkannte damit, daß die im Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches maßgebende und mit Wirkung vom in Kraft getretene Verordnung vom als Rechtsgrundlage heranzuziehen gewesen wäre. Die beiden Verordnungen vom und (die Verordnung vom ist im gleichgelagerten und mit heutigen Tag entschiedenen Beschwerdefall, Zl. 95/17/0019, auszugsweise wiedergegeben) unterscheiden sich unter anderem bei der Berechnung der Bereitstellungsgebühr. In der Verordnung vom ist die Bereitstellungsgebühr gemäß § 15 Abs. 1 lit. b der Wasserleitungsordnung des Wasserleitungsverbandes Nördliches Burgenland "pro Wohneinheit bzw. Einzelanschluß", in der Verordnung vom ist die Bereitstellungsgebühr "gemäß § 15 Abs. 1 lit. b der Wasserleitungsordnung" vorzuschreiben. Im § 2 der Verordnung vom wird überdies bei der Bemessungsgrundlage für den Wasserverbrauch zwischen Einzelanschluß und Wohneinheit unterschieden, nicht jedoch bei der Bereitstellungsgebühr.
§ 15 der genannten Wasserleitungsordnung lautet wie folgt:
"§ 15
Wasserbezugsgebühr
Die Wasserbezugsgebühr soll sich errechnen aus:
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1. | Der Grundgebühr: | |||||||||
Diese setzt sich aus | ||||||||||
a) | der Wasserzählermiete und | |||||||||
b) | der verbrauchsabhängigen Bereitstellungsgebühr zusammen. | |||||||||
2. | Dem Wasserverbrauch, der in ganzen Kubikmetern in Rechnung gestellt wird." |
Diese Bestimmung trifft keine nähere Regelung über die Bereitstellungsgebühr.
Gemäß § 2 der genannten Wasserleitungsordnung ist die Anschlußpflicht im § 17 des Landesgesetzes vom , LGBl. für das Burgenland Nr. 10/1956, geregelt.
Nach § 17 Abs. 1 dieses Landesgesetzes sind die Eigentümer aller Gebäude, Betriebe und Anlagen im Gebiet der Verbandsgemeinden, die aus der Wasserleitung des Verbandes mit Wasser versorgt werden können, unbeschadet der Bestimmungen des § 32 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes verpflichtet, das für die Benützung dieser Gebäude, Betriebe oder Anlagen erforderliche Trink- und Nutzwasser aus der Wasserleitung zu beziehen und zu diesem Zwecke den Anschluß ihrer Liegenschaften an die Wasserleitung herstellen zu lassen.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Bereitstellungsgebühr für die Bereitstellung des für die Benützung der Gebäude, Betriebe und Anlagen erforderliche Trink- und Nutzwassers aus der Wasserleitung des Verbandes zu entrichten ist. Wird die Liegenschaft an die Wasserleitung angeschlossen und trifft die Verordnung keine weitere Regelung über die Bereitstellungsgebühr, dann ist diese jeweils für die angeschlossene Liegenschaft zu entrichten, für die das Wasser bereitgestellt wird. Befinden sich auf einer Liegenschaft allenfalls mehrere Wohneinheiten, kann für diese Wohneinheiten mangels ausdrücklicher Regelung in der Verordnung vom eine Bereitstellungsgebühr nicht neben oder anstelle der Bereitstellungsgebühr für die Liegenschaft eingehoben werden. Werden aber mehrere anschlußpflichtige Liegenschaften über einen Wasserstrang mit nur einem Wasserzähler versorgt, dann ist die Bereitstellungsgebühr nach der Verordnung vom für jede dieser angeschlossenen Liegenschaften einzuheben. Im angefochtenen Bescheid wird jedoch nicht festgestellt, daß insgesamt 100 anschlußpflichtige Liegenschaften über nur einen Wasserstrang an die Wasserleitung angeschlossen wurden. Vielmehr ist stets die Rede von "Wohneinheiten", für die nach der Verordnung vom allerdings keine Bereitstellungsgebühr zu entrichten ist. Im übrigen besteht ein Widerspruch zwischen der Begründung des angefochtenen Bescheides und dem Bescheidspruch bzw. den Abgabenbescheiden. In den Abgabenbescheiden werden 100 Wohneinheiten der Abgabenbemessung zugrundegelegt und auch in der Begründung angeführt, in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist von "sämtlichen 99 Wohneinheiten" die Rede.
Die Verordnungen vom und regeln jeweils im § 2 welche Abgabenschuld, in welcher Höhe entsteht und woran sie anknüpft sowie im § 4 den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Im § 3 wird normiert, wer die Abgabe zu entrichten hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin enthält § 3 der Verordnung keine Verpflichtung für Wohnungseigentümer oder Miteigentümer eine Abgabe zu entrichten, die nicht ausdrücklich im § 2 der Verordnung vorgesehen ist.
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die belangte Behörde die anzuwendende Rechtslage und daraus folgend weiters verkannte, daß die Verordnung vom keine Bereitstellungsgebühr für "Wohneinheiten" vorgesehen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.