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VwGH vom 10.03.1998, 95/16/0324

VwGH vom 10.03.1998, 95/16/0324

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der CB in W, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien I, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-7/B-607/1/1/93, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , 6c Vr 3134/90, Hv 2658/90, wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Johann L als Mittäter ca. 30 kg Haschisch in sechs Schmuggelfahrten aus der Bundesrepublik Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt zu haben, wodurch sie das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 und 3 Z. 2 SGG begangen habe. Nach den Entscheidungsgründen sei Thomas K an Johann L herangetreten, worauf dieser einwilligte, als Suchtgiftkurier tätig zu sein. An den Schmuggelfahrten des Johann L habe auch die Beschwerdeführerin zu Tarnzwecken teilgenommen, wobei sie mit deren Organisation nichts zu tun gehabt habe. Zwischen Herbst 1988 und seien Johann L und die Beschwerdeführerin insgesamt sechsmal nach Deutschland gefahren und hätten in Köln und München ca. 30 kg Haschisch übernommen. Die Suchtgifte seien jeweils in einer Reisetasche abgepackt gewesen. Johann L habe das Haschisch zum Großteil in eigens präparierten Suchtgiftverstecken in seinem Personenkraftwagen eingebaut, zum anderen Teil habe er das Suchtgift völlig offen im Kofferraum transportiert. In Wien habe Johann L das Suchtgift seinen Auftraggebern übergeben bzw. habe er es in seiner Wohnung aufbewahrt. Entgegen der Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie habe zunächst den Suchtgiftschmuggel nur geahnt, von ihm aber erst bei späteren Fahrten gewußt, ging das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, daß die Beschwerdeführerin von allem Anfang vom Suchtgiftschmuggel gewußt habe. Ginge man von der Verantwortung der Beschwerdeführerin aus, wäre nichts für sie zu gewinnen, da sie demnach den Schmuggel ernstlich für möglich gehalten habe und sich damit abgefunden habe. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit -10, verworfen.

Mit Bescheid vom schrieb das Zollamt Wien der Beschwerdeführerin gemäß § 174 Abs. 3 lit. a i.Z.m. § 3 Abs. 2 ZollG 1988 Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt S 605.411,-vor, da sie von Herbst 1988 bis 29,5 kg Haschisch als einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware so verfügt habe, als wäre diese im freien Verkehr.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, das (gegen die Beschwerdeführerin ergangene) Strafurteil sei weder hinsichtlich der Menge noch hinsichtlich des bedingten Vorsatzes bindend. Bedingter Vorsatz sei mit dem Tatbestand des Verfügens oder Ansichbringens im Zollverfahren nicht ident. Die Beschwerdeführerin habe die Ware weder eingeführt noch an sich gebracht noch über sie verfügt. Sie sei lediglich als Begleitperson mitgenommen worden. Sie habe weder im Ausland Haschisch erworben noch am Kauf mitgewirkt. Die Beschwerdeführerin habe weder vor noch bei noch nach Übertritt der Grenze noch auch zu einem späteren Zeitpunkt die Ware auch nur gesehen, geschweige denn über sie verfügt. Weiters wurde von der Beschwerdeführerin Verjährung der Abgabenschuld eingewendet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe die in Rede stehenden sechs Schmuggelfahrten mit ihrem damaligen süchtigen Lebensgefährten Johann L in der Absicht unternommen, "beträchtliche Geldsummen" zu verdienen. Es sei auszuschließen, daß sich die Beschwerdeführerin über den Zweck der Reisen, an denen sie zu Tarnzwecken als Begleitperson teilgenommen habe, nicht im Klaren gewesen sei. Als Beifahrerin hätte sie die Möglichkeit gehabt, über die Ware zu verfügen. Verfügen i.S.d. 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG setze sowohl die Absicht einer Person, über eine Ware nach Willkür zu verfügen, voraus, als auch die Möglichkeit hiezu. Beides sei als gegeben anzunehmen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, für eine Zollschuld, für die sie nicht hafte, nicht herangezogen zu werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 174 Abs. 3 lit. a 1. TB ZollG gestützt. Danach entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr.

Eine vorschriftswidrige Verfügung i.S.d. § 174 Abs. 3 lit. a 1. TB ZollG ist schon mit der Wegbringung der Ware vom Amtsplatz des Grenzzollamtes verwirklicht, ohne daß es einer weiteren Verfügung im Zollgebiet bedarf. Die Tatsache des Verfügens über eine Ware, als sei sie im freien Verkehr, kommt nur die Bedeutung zu, daß sich jemand in bezug auf die Ware so verhält, als wäre den zollrechtlichen Vorschriften entsprochen. Es ist dabei der rein tatsächliche Vorgang des vorschriftswidrigen Verfügens über die einfuhrpflichtige zollhängige Ware, der die Zollschuld zum Entstehen bringt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0194, Slg. Nr. 6466/F). Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß ein (verurteilendes) Strafurteil hinsichtlich der vom Gericht durch den Spruch festgestellten Tatsachen eine bindende Wirkung für die Abgabenbehörde entfaltet. Eine solche Wirkung ist dabei aber nur den tatsächlichen Feststellungen beizumessen, auf denen der Spruch des rechtskräftigen Strafurteiles beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/13/0281, und vom , Zl. 94/16/0013). Außerhalb gesetzlich angeordneter Tatbestandswirkungen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa § 11 BAO, auf welche Bestimmung sich die Zollbehörden jedoch nicht gestützt haben) besteht also eine Bindung der Abgabenbehörde an strafgerichtliche Urteile nur im Umfang ihrer Tatsachenfeststellungen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 95/13/0214).

Daraus folgt für den Beschwerdefall, daß die Abgabenbehörde für die von ihr zu treffende Beurteilung, ob der Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. a 1. TB ZollG erfüllt worden ist, an die Beurteilung des Strafgerichtes, wonach die Beschwerdeführerin Mittäterin des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z. 3 SGG war, nicht gebunden war. In den Tatsachenfeststellungen ging das Strafgericht aber davon aus, daß die Beschwerdeführerin bei den Schmuggelfahrten zu Tarnzwecken mitgefahren sei, mit deren Organisation aber nichts zu tun gehabt habe. Im übrigen beschäftigten sich die Urteilsgründe überwiegend mit der Frage, ob der Beschwerdeführerin zumindest bedingter Vorsatz angelastet werden kann. So wurde etwa in den Urteilsgründen festgestellt, die Beschwerdeführerin habe die transportierte Suchtgiftmenge gekannt, da sie die Tasche, in der sich das Suchtgift befunden habe, gesehen habe und deren Größe beschreiben habe können. Über die tatsächliche Manipulation mit dem in Rede stehenden Suchtgift wurde vom Strafgericht festgestellt, daß Johann L das Haschisch in seinen PKW in eigens präparierten Verstecken eingebaut bzw. auch im Kofferraum transportiert habe. In Wien habe Johann L das Suchtgift seinen Auftraggebern übergeben bzw. es in seiner Wohnung aufbewahrt. Mit diesen vom Strafgericht getroffenen Feststellungen wurde damit in keiner Weise dargetan, daß die Beschwerdeführerin selbst über das Suchtgift im Sinne des § 174 Abs. 3 lit. a 1. TB ZollG tatsächlich verfügt hat. Aus den vom Strafgericht getroffenen Feststellungen kann nicht darauf geschlossen werden, daß das Suchtgift in irgendeinem Zeitpunkt in der (Mit-)Gewahrsame der Beschwerdeführerin gewesen ist. Die Verbringung der eingeschmuggelten Waren vom Amtsplatz des Grenzzollamtes kann somit der Beschwerdeführerin nach den Urteilsfeststellungen nicht angelastet werden. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war dabei aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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