VwGH vom 08.09.1994, 92/18/0521
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
92/18/0522
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1. des A und 2. des G, beide in T, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. VII/2a-V-1.605/0/1-92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren auf Ersatz des Vorlageaufwandes wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom wurden die Beschwerdeführer jeweils wegen sechs Übertretungen des § 12 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz schuldig erkannt, weil sie es als zur Vertretung nach außen Berufene einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten hätten, daß sechs namentlich genannten Arbeitnehmern dieser Gesellschaft zu näher bezeichneten Zeiten im März 1990 nach Beendigung der Tagesarbeitszeit nicht eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden gewährt worden sei. Über die Beschwerdeführer wurden wegen dieser Übertretungen Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer bestritten nur die subjektive Tatseite, nämlich ihr Verschulden, bzw. versuchten ihr strafbares Verhalten mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 20 Arbeitszeitgesetz zu rechtfertigen. Zu den Übertretungen sei es nach den Behauptungen der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Überprüfung von Sterilisatoren in Krankenhäusern gekommen, die wöchentlich durchzuführen seien und deren Unterbleiben für die Patienten in den Krankenhäusern lebensgefährdend gewesen wäre. Die Beschwerdeführer könnten sich nicht mit Erfolg auf § 20 Arbeitszeitgesetz berufen, weil im Unterlassen einer ausreichenden personellen Vorsorge, deren Notwendigkeit den Verantwortlichen bekannt gewesen sei, das Verschulden der Beschwerdeführer zu erblicken sei.
Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden, die wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer stehen auf dem Standpunkt, daß durchwegs außergewöhnliche Fälle im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. a Arbeitszeitgesetz vorgelegen seien, in denen unter anderem die Bestimmung des § 12 Abs. 1 leg. cit. keine Anwendung finde. Sie hätten nicht vorgebracht, die Überprüfung der Sterilisatoren sei wöchentlich durchzuführen, sondern hätten darauf hingewiesen, daß die Techniker jeweils bei akuten Störfällen von den Spitälern angefordert worden seien. Die belangte Behörde hätte daher ein Ermittlungsverfahren darüber durchführen müssen, ob in den inkriminierten Fällen die Techniker tatsächlich in akuten Störfällen tätig gewesen und dabei von ihnen vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. a Arbeitszeitgesetz durchgeführt worden seien. Die Namen, der Dienstgeber und der Dienstort der Techniker seien der Behörde bekannt gewesen.
2.1. Gemäß § 20 Abs. 1 lit. a Arbeitszeitgesetz finden in außergewöhnlichen Fällen unter anderem die Bestimmungen des § 12 leg. cit. keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind außergewöhnliche Fälle im Sinne des § 20 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz Ereignisse, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können. Die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein. Weiters obliegt es dem Arbeitgeber, im Verwaltungsverfahren diesbezüglich konkrete, durch Beweisanbote untermauerte Behauptungen bezüglich der Verwirklichung der im § 20 Arbeitszeitgesetz normierten Tatbestandsmerkmale aufzustellen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/18/0482, und vom , Zlen. 92/18/0118 bis 0125, jeweils mwN).
2.2. Die Beschwerdeführer haben in ihren Rechtfertigungen vom vorgebracht, sie hätten zu im einzelnen genannten Zeitpunkten die Arbeiten dem Arbeitsinspektorat mit der Begründung "Servicedienst in Spitälern" gemeldet.
Das Arbeitsinspektorat vertrat dazu in seiner Stellungnahme vom die Auffassung, die Vornahme von Servicearbeiten in Spitälern diene nicht der Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens und für die Gesundheit von Menschen. Die Servicearbeiten seien vorhersehbar. Die Meldungen bezüglich des Servicedienstes in den Spitälern seien zumindest seit Herbst 1989 mit beinahe wöchentlicher Regelmäßigkeit erfolgt.
In der Ergänzung ihrer Rechtfertigungen vom führten die Beschwerdeführer daraufhin aus, das Arbeitsinspektorat habe die Tätigkeit in den Spitälern zu Unrecht als vorbeugende Instandhaltung eingestuft. In Wahrheit hätten die Servicetechniker ausschließlich auf telefonische Anforderung seitens der Spitäler bei auftretenden Gebrechen Reparaturen an Ort und Stelle an Geräten durchgeführt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem medizinisch-technischen Betrieb eines Spitals gestanden seien. Bei Ausfall dieser Geräte wäre die Gesundheit von Menschen gefährdet gewesen.
In den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse führten die Beschwerdeführer aus, es sei ihnen nicht erklärbar, wieso das Arbeitsinspektorat auf keine der Meldungen reagiert habe und nachträglich bei der Überprüfung der Meinung sei, daß sämtliche Fälle nicht unter § 20 des Arbeitszeitgesetzes fielen.
2.3. Mit diesem Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren haben die Beschwerdeführer keine konkreten, durch Beweisanbote untermauerte Behauptungen im Sinne des unter Punkt 2.1. Gesagten aufgestellt. Dazu hätte es detaillierter Angaben bedurft, und zwar insbesondere über den Zeitpunkt und den Gegenstand der Störungsmeldung, den Zeitpunkt und den Umfang der durchgeführten Arbeiten und das Angewiesensein des Krankenhauses auf ein bestimmtes schadhaftes Gerät. Ferner wäre darzulegen gewesen, warum trotz der großen Zahl von Fällen, in denen die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht möglich gewesen sei, nicht weiteres Personal aufgenommen wurde und warum es trotz der angeblichen Gefahr für die Sicherheit des Lebens und für die Gesundheit von Menschen möglich war, die Arbeiten für die Dauer der tatsächlich gewährten Ruhezeiten in diesen Fällen (7 Stunden und 45 Minuten bis zu 9 Stunden und 30 Minuten) zu unterbrechen.
Mangels eines entsprechenden konkreten Vorbringens der Beschwerdeführer kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angenommen hat, daß die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 lit. a Arbeitszeitgesetz nicht gegeben gewesen seien.
3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Begehrens auf Ersatz des Vorlageaufwandes im Verfahren gegen den Zweitbeschwerdeführer beruht darauf, daß eine Aktenvorlage in diesem Verfahren nicht erfolgt ist.