VwGH vom 16.09.2003, 2001/14/0039

VwGH vom 16.09.2003, 2001/14/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des HS in L, vertreten durch Dr. Herbert Grünberger, Wirtschaftsprüfer in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom , Zl. RV694/1-7/2000, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb bis Ende 1997 ein Zivilingenieursbüro. Am schloss er mit seinem Sohn einen Vertrag ab, wonach er diesem das Büro übergab. Im Vertrag wird unter Punkt II festgehalten, dass die Übergabe insbesondere die beweglichen Anlagegüter (lt. Anlageliste) umfasse, weiters würden die Dienstverhältnisse der Dienstnehmer mit allen erworbenen Ansprüchen (wie sie sich aus der Dauer der Dienstverhältnisse ergeben) sowie die Wertpapiere zur Deckung des steuerfreien Betrages für Abfertigungen im erforderlichen Ausmaß "übergeben". Nicht erfasst von der Übergabe seien ausdrücklich neben dem Gebäudeteil, in welchem sich die Büroräume befinden, einer Dienstwohnung und zwei PKW die zum Übergabestichtag bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die laufenden Bauprojekte würden zum Übergabestichtag () abgerechnet und vom Übergeber den Auftraggebern in Rechnung gestellt. Lt. Punkt III des Vertrages erfolge die Übergabe "ohne Gegenleistung unentgeltlich". Unter Punkt V wird festgehalten, dass der Übergeber und der Übernehmer beabsichtigten, für die Nutzung der Räume, in welchem das Zivilingenieursbüro untergebracht sei, einen Mietvertrag abzuschließen.

Zum ermittelte der Beschwerdeführer u.a. einen Übergangsgewinn von rd. S 9 Mio., sowie hinsichtlich der entnommenen Wirtschaftsgüter einen Veräußerungsgewinn von rd. S 1,5 Mio., für welchen er den begünstigten Steuersatz gemäß § 37 EStG 1988 geltend machte.

Anlässlich einer beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass der begünstigte Steuersatz hinsichtlich des erklärten Übergangsgewinnes nicht zustehe, weil das "zu untersuchende" Kriterium der Außerordentlichkeit nicht erfüllt sei. Die im Jahr 1997 entstandenen Forderungen stellten den überwiegenden Anteil (96, 3 %) an den gesamten Forderungen zum Übergabestichtag dar. Anzuerkennen seien begünstigte Einkünfte im Ausmaß von rd.

S 2,1 Mio.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ

für 1997 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.

In der dagegen erhobenen Berufung stellte der

Beschwerdeführer den Zeitablauf von Leistungserbringung, Leistungsverrechnung und Zahlungseingang in seinem ehemaligen Betrieb dar und leitete daraus ab, dass es durch die Betriebsaufgabe zu einer wesentlichen Zusammenballung von Einkünften im Jahr der Betriebsaufgabe gekommen sei. Er erwähnte dabei auch, dass sein Sohn, der mit am selben Standort ein eigenes Statikbüro eröffnet habe, begonnene Projekte mit seinen Teilleistungen fortgesetzt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und änderte den Einkommensteuerbescheid für 1997 darüber hinaus insofern ab, als sie auch den Hälftesteuersatz für den (vom Prüfer errechneten) Veräußerungsgewinn nicht mehr anerkannte. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, gegenständlich handle es sich um einen so genannten "Pensionsfall". Der Beschwerdeführer habe mit Ende des Jahres 1997, also im Alter von 69 Jahren, seine Tätigkeit als Zivilingenieur beendet und damit seine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 5 EStG eingestellt. Voraussetzung für die Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 37 Abs. 5 EStG sei jedoch, dass eine Betriebsaufgabe oder -veräußerung im Sinne des § 24 EStG vorliege. Die Veräußerung eines Betriebes im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung setze die Übereignung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes voraus. Die Aufgabe eines Betriebes liege immer dann vor, wenn sich im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges in einem Zuge mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit der bisherige Betriebsinhaber aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entweder begebe oder sie in sein Privatvermögen überführe. Beide Tatbestände orientierten sich am Schicksal der wesentlichen Betriebsgrundlagen, die Zurückbehaltung unwesentlicher Wirtschaftsgüter ändere nichts an der Beurteilung des Vorganges. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um eine unentgeltliche Betriebsübergabe. In der Folge ging die belangte Behörde davon aus, dass die Übergabe sämtliche beweglichen Anlagegüter, wie sie bisher im Betrieb Anwendung gefunden haben, sämtliche Dienstverhältnisse mit Arbeitnehmern einschließlich der bereits erworbenen Rechte, und die zur Deckung des steuerfreien Betrages für Abfertigungen erforderlichen Wertpapiere umfasst hätte. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, dass für jene Projekte, die vom Beschwerdeführer begonnen und auch mit Teilrechnungen abgerechnet worden seien, vom Sohn die Fertigstellung übernommen worden sei. Vor allem der letzte der angeführten Punkte lasse auf die Übernahme des Kundenstockes schließen. In einem Zivilingenieursbetrieb sei als wesentliche Betriebsgrundlage der Kundenstock zu sehen. Dieser sei implizit durch die Fortsetzung sämtlicher noch offener Projekte durch den Sohn "gegeben". Weiters werde als wichtiger Punkt auch die Übernahme der Arbeitnehmer und der gesamten Büroeinrichtung gewertet. Die dem Sohn übergebenen Wirtschaftsgüter machten es abstrakt möglich, den Betrieb mit diesen fortzuführen. Es könne kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer seinem Sohn die wesentlichen Betriebsgrundlagen habe übergeben wollen und auch übergeben habe. Es liege daher eine unentgeltliche Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes vor. Diese Einstufung schließe gleichzeitig aber eine "Subsumtion unter den Tatbestand der Betriebveräußerung oder -aufgabe" aus. Da dies aber eine Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 37 Abs. 5 EStG darstelle, sei eine Besteuerung mit dem Hälftesteuersatz nicht zulässig. Dies betreffe nicht nur den als Übergangsgewinn geltend gemachten Betrag von rd. S 9 Mio., sondern auch den in der Einkommensteuererklärung für 1997 geltend gemachten Veräußerungsgewinn. Die ins Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter seien als Entnahme mit dem Teilwert anzusetzen und im Zeitpunkt der Entnahme wie Betriebseinnahmen dem Gewinn zuzurechnen. Diese Form der Gewinnerhöhung sei nicht durch die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes begünstigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Zutreffend rügt der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde im Beschwerdefall (gegenständlich habe eine unentgeltliche Betriebsübergabe und damit weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe stattgefunden), dass die Besteuerung eines Übergangsgewinnes verfehlt sei, weil in diesem Fall ein solcher gar nicht zu ermitteln gewesen wäre. Die belangte Behörde räumt zu der diesbezüglichen Beschwerderüge in ihrer Gegenschrift zwar ein, dass im Fall einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebes des Beschwerdeführers keine Verpflichtung zum Wechsel der Gewinnermittlungsart bestanden habe, sie meint aber, dass im Beschwerdefall - wie den Beilagen zur Einkommensteuererklärung für 1997 zu entnehmen sei - mit ein freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart erfolgt sei. Die Grundfrage des Vorliegens eines Übergangsgewinnes ergebe sich daher "eindeutig aus der Beilage zur Einkommensteuererklärung und der Möglichkeit, freiwillig Bücher zu führen". Mit dieser Argumentation übersieht die belangte Behörde aber, dass der freiwillige Wechsel der Gewinnermittlungsart nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nur zu Beginn eines Wirtschaftsjahres zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0110, mwH). Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund einer von ihm angenommenen Betriebsaufgabe zum zu diesem Zeitpunkt einen Übergangsgewinn ermittelt und seinen Einkommensteuererklärungen zugrunde gelegt hat, ist daher für die belangte Behörde unter Zugrundelegung ihrer Sachverhaltsannahme, dass eine Betriebsaufgabe nicht erfolgt ist, nichts zu gewinnen.

Da die belangte Behörde insofern in Verkennung der Rechtslage einen nicht zu ermittelnden Übergangsgewinn der Besteuerung unterzogen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Ob die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhaltsannahme allerdings zutrifft, dass eine Betriebsaufgabe nicht stattgefunden hat, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilt werden. Im Ergebnis zutreffend rügt der Beschwerdeführer nämlich auch, dass der belangten Behörde bei dieser Sachverhaltsannahme Verfahrensfehler unterlaufen sind. Zwar ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die vertragliche Vereinbarung einer Abrechnung laufender Projekte einer von der belangten Behörde - gestützt auf ein ausdrückliches Vorbringen in der Berufung - angenommenen Übergabe begonnener Projekte durch den Sohn des Beschwerdeführers ungeachtet des darin enthaltenen Widerspruches nicht zwingend entgegensteht. Bei einem bestehenden Widerspruch zwischen einer vertraglichen Vereinbarung und einem dieser Vereinbarung entgegenstehenden Vorbringen, hätte die belangte Behörde diesen Widerspruch mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln aufklären müssen. Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde aber ohne weitere Ermittlungen und ohne jede Begründung von einer der beiden widersprüchlichen Varianten - nämlich der Übernahme begonnener Projekte durch den Sohn des Beschwerdeführers - ausgegangen. Hinzu kommt, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall aus dieser Sachverhaltsannahme auf ein weiteres Sachverhaltselement, nämlich die "Übernahme des Kundenstockes" durch den Sohn des Beschwerdeführers geschlossen und dieses Sachverhaltselement ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, ohne dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör einzuräumen. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch aus diesem Grund als rechtswidrig.

Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eines Bescheides einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I 72/2000.

Wien, am