VwGH vom 20.08.1998, 95/16/0298
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des CA in I, vertreten durch Dr. Rudolf Fiebinger, Dr. Peter M. Polak, Rechtsanwälte in Wien I, Grillparzerstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 60.965-6/93, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Innsbruck (im folgenden: Finanzamt) schrieb mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer als Geschenknehmer für fünf von seinem Vater erfolgte Schenkungen in der Zeit vom bis im Gesamtwert (§ 11 ErbStG) von S 6,291.050,-- Schenkungssteuer vor.
In seiner dagegen erstatteten Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß die Schenkung laut Notariatsakt vom bei der Zusammenrechnung keine Berücksichtigung gefunden habe. Nach jenem Vertrag schenkte der Vater des Beschwerdeführers von seinem Kommanditanteil an der B. GesmbH & Co KG in der Höhe von S 11,400.000,-- einen Anteil von S 2,400.000,-- an den Beschwerdeführer. Laut Einheitswertbescheid zum betrug der Einheitswert des Betriebsvermögens der B. GesmbH & Co KG minus S 91,109.000,--, der Wert des geschenkten Geschäftsanteiles wurde mit minus S 18,380.446,-- angegeben. Der Beschwerdeführer begründete in seiner Berufung den negativen Einheitswert damit, daß im Betriebsvermögen sehr hohe stille Reserven enthalten seien, bei deren Auflösung sich mit Sicherheit ein positiver Wert ergeben würde, weshalb grundsätzlich eine Schenkung vorliege. Der Saldo aus allen Schenkungen betrage mehr als minus S 12,ooo.ooo.- .
In seiner Berufungsvorentscheidung lehnte das Finanzamt die Berücksichtigung der negativen Vorschenkung ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die ihr antragsgemäß vorgelegte Berufung als unbegründet ab. Dabei ging sie von einem Einheitswert des mit Schenkungsvertrag vom übergebenen Geschäftsanteiles in der Höhe von minus S 18,380.446,-- aus. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes wurde ausgeführt, daß die negative Schenkung nur dann hätte berücksichtigt werden können, wenn die positiven Schenkungen mit der negativen Schenkung auf denselben Schenkungsvertrag zurückzuführen gewesen wären.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch in seinen Rechten verletzt, daß entgegen einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des § 11 ErbStG bei Festsetzung der Schenkungssteuer unter Anrechnung der Vorschenkungen der letzten zehn Jahre negative Erwerbe nicht berücksichtigt wurden. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und
die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 11 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141 (im folgenden ErbStG) lautet:
"Mehrere innerhalb zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden in der Weise zusammengerechnet, daß dem letzten Erwerbe die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Werte zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, welche für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre."
Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, daß durch Zerlegung einer Schenkung in mehrere aufeinanderfolgende Zuwendungen die Steuerlast vermieden oder verringert werden kann. Es soll erreicht werden, daß durch Hebung des Steuersatzes und nur einmalige Gewährung eines etwa zustehenden Freibetrages ein nahezu gleiches Ergebnis herbeigeführt wird, wie wenn an Stelle der mehreren Schenkungen nur ein einziger Vermögensanfall vorläge. Es soll sichergestellt werden, daß sich die Freibeträge, die das Gesetz zur Entlastung vorsieht, innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraumes nur einmal auswirken und sich der anzuwendende Steuersatz nach dem Gesamtbetrag der Erwerbe bestimmt, sodaß der Progressionseffekt des nach Wertstufen gestaffelten Tarifes durch Aufteilung einer Zuwendung in mehrere Zuwendungen nicht umgangen werden kann (siehe die Nachweise bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Anmerkung 3 zu § 11 ErbStG, Ergänzung 2 E, Februar 1996).
Für die belangte Behörde stellte sich die Frage, ob bei der vom Gesetz geforderten Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe auch Erwerbe mit einem negativen Wert Berücksichtigung finden sollen, deshalb, weil sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers entsprechend von einem negativen Wert des geschenkten Kommanditanteiles ausging.
Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung, soweit nicht im Abs. 2 etwas besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes; dies bedeutet gemäß § 10 Abs. 1 Bewertungsgesetz die grundsätzliche Heranziehung des gemeinen Wertes. Gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG ist für inländisches Land und forstwirtschaftliches Vermögen, für inländisches Grundvermögen und für inländische Betriebsgrundstücke der Einheitswert maßgebend, der nach den Vorschriften des zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes auf den dem Entstehen der Steuerschuld unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt ist oder festgestellt wird.
Aus dieser Gesetzesbestimmung folgt, wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0171, festgestellt hat, daß Betriebsvermögen im Bereich der Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht mit dem Einheitswert des Betriebsvermögens zu bewerten ist. Vielmehr ist der Teilwert aller Wirtschaftsgüter, die am Tag des Erbanfalles dem Unternehmen gedient haben, bei der Besteuerung der Erbschaft zum Ansatz zu bringen.
Die belangte Behörde nahm eine negative Vorschenkung an, weil sie vom Einheitswert ausging. Allerdings konnte durch die Nichtberücksichtigung dieser Vorschenkung nur dann in Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden sein, wenn der Rechtsauffassung der belangten Behörde zu folgen ist, daß die (im Sinne des § 19 Abs. 1 ErbStG richtig) negativ bewertete Schenkung nicht einzurechnen ist. Dabei stellt sich die Problematik von negativen Nachschenkungen nach rechtskräftig bemessenen Vorschenkungen aufgrund des hier gegebenen Sachverhaltes nicht. Die von der belangten Behörde zitierten Urteile des BFH, BStBl. II 1977, 50, und BStBl. II 1981, 532, betrafen Fälle von negativen Nachschenkungen; im zuletzt genannten Urteil wurde ausgesprochen, daß eine Zusammenrechnung erfolgt, wenn beide Schenkungen auf einem einheitlichen Schenkungsvertrag beruhen.
Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung, daß eine negative Vorschenkung nur dann zu berücksichtigen sei, wenn allen Schenkungen ein einheitlicher Schenkungsvertrag zugrunde liegt, auf von ihr zitierte Entscheidungen des BFH. In Deutschland galt bis das dErbStG in der Fassung vom (BGBl. I 1959, 188, 667), dessen § 13 Abs. 1 mit dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 ErbStG wortident war. Bei Kapp, Kommentar zum Erbschaftssteuergesetz4 (1972), Rz 26 zu § 13, findet sich der Hinweis, es sei bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob eine Saldierung zwischen positiven und negativen Erwerb möglich sei, und bejahendenfalls eine Erstattung der für den ersten Erwerb entrichteten Erbschaftssteuer möglich sei. Der Autor fordert (a.a.O., Rz 28) mit Rücksicht darauf, daß der Steuerpflichtige nach dem Sinn und Zweck des § 13 dErbStG bei einer Zusammenrechnung mehrerer Zuwendungen nicht ungünstiger gestellt sein dürfe, als wenn nur eine einheitliche Zuwendung vorliegen würde, daß kein Zweifel daran bestünde, daß die Saldierung von negativen mit positiven Erwerben zulässig sei. Jede andere Entscheidung würde gegen den Bereicherungsgrundsatz verstoßen.
Mit Wirkung vom wurde aber in der Nachfolgebestimmung § 14 Abs. 1 dErbStG 1974 folgender Satz 2 (jetzt: Satz 4) eingefügt:
"Erwerbe, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat, bleiben unberücksichtigt."
Zu dieser Gesetzesänderung hat sich der BFH in seinem Urteil vom , BStBl. II 1981, 269, wie folgt geäußert:
"Die Regel des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 wird durch den Satz 2 dahin eingeschränkt, daß Erwerbe unberücksichtigt bleiben, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat. Hinsichtlich des Anwendungsbereiches dieser einschneidenden Rechtsänderung zum Nachteil der Steuerpflichtigen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß von dieser Vorschrift nur Vorerwerbe erfaßt werden sollen, die nach dem eingetreten sind."
Der BFH sprach in dem in BStBl. II 1976, 785, veröffentlichten Urteil aus, es sei der Einbeziehung früherer Erwerbe in die Berechnung der Schenkungssteuer gemäß § 13 ErbStG 1959 nicht entgegengestanden, daß der früheren Schenkung nach den Maßstäben der in § 23 ErbStG 1959 in Bezug genommenen Bewertungsvorschriften ein negativer Wert zuzumessen war. Im zuvor zitierten Urteil vom wurde ausdrücklich auf jene Vorentscheidung eingegangen und ausgeführt, daß die Berücksichtigung der Vorschenkung negativen Wertes eine logische Folge der Tatsache sei, daß einzelne Erwerbe wegen der Vorschriften des Bewertungsgesetzes einen negativen Steuerwert haben könnten.
Für den hier gegebenen Fall der negativen Vorschenkung bietet der in Österreich nach wie vor geltende Gesetzeswortlaut keinen Anlaß, die Saldierung nicht zuzulassen (vgl. auch die Ausführungen bei Kapp-Ebeling, Erbschaftssteuer und Schenkungssteuergesetz, Kommentar11, Rz 31 zu § 14 dErbStG 1974: Der für Erwerbe bis zum geltende Gesetzeswortlaut, wonach der Steuerpflichtige bei der Zusammenrechnung mehrerer Zuwendungen nicht ungünstiger gestellt sein durfte als bei Vorliegen einer einheitlichen Zuwendung, ließ die Möglichkeit zu, auch steuerlich negative Vorschenkungen in die Zusammenrechnung einzubeziehen). Es ist nicht erkennbar, daß die eingangs wiedergegebene Absicht des Gesetzgebers in § 11 ErbStG, Freibeträge nur einmal wirksam werden zu lassen und den Progressionseffekt zu erhalten, durch die Saldierungsmöglichkeit mit - richtig ermittelten - Negativwerten, hintangehalten wird. Entscheidend ist allein der Nettozuwachs im Vermögen des Bereicherten, der sich nach Saldierung aller Schenkungen innerhalb des Zeitraumes ergibt und die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 ErbStG bildet.
Da die belangte Behörde die von ihr ungeprüft angenommene negative Vorschenkung nicht berücksichtigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings zunächst zu prüfen sein, ob überhaupt eine negative Vorschenkung vorliegt.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Umfang zuzusprechen.
Wien, am