TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 21.05.1990, 89/12/0020

VwGH vom 21.05.1990, 89/12/0020

Betreff

N gegen Steiermärkische Landesregierung vom , Zl. 13-368/I Ra 198/11-1988, betreffend Festsetzung des Vorrückungsstichtages

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die seit als Vertragslehrerin des Landes Steiermark beschäftigt war, wurde mit dem ihr am zugestellten Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom

"gemäß §§ 9 und 10 des Landeslehrer-Dienstgesetzes, BGBl. Nr. 245/1962, in der geltenden Fassung, im Zusammenhalte mit § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 des Gehaltsüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1947, in der geltenden Fassung, mit Wirksamkeit vom zum provisorischen Lehrer auf einen Dienstposten der Verwendungsgruppe L 2 b 1, Dienstzweig Nr. 56 (Volksschullehrer), bei gleichzeitiger Überleitung gemäß Art. IV Abs. 2 der Gehaltsüberleitungsgesetz-Novelle 1970, BGBl. Nr. 240/1970, auf einen Dienstposten der Verwendungsgruppe L 2 a 1, Dienstzweig Nr. 27, im Personalstand der steiermärkischen Pflichtschullehrer ernannt."

Ferner wurde im Bescheid unter anderem ausgesprochen, daß die Festsetzung der der Beschwerdeführerin in der Verwendungsgruppe L 2 a 1 gebührenden Gehaltsstufe und des Zeitpunktes der nächsten Vorrückung nach Errechnung des Vorrückungsstichtages gemäß § 12 des Gehaltsgesetzes 1956 in der geltenden Fassung (GG) durch einen eigenen Bescheid erfolge.

Mit dem der Beschwerdeführerin am zugestellten Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom wurde gemäß § 12 GG mit Wirksamkeit vom der als Vorrückungsstichtag für die Verwendungsgruppe L 2 a 1 festgesetzt und ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin ab die Bezüge der Gehaltsstufe 5 in der Verwendungsgruppe L 2 a 1 gebührten und als Tag der nächsten Vorrückung gemäß § 8 Abs. 1 und 2 GG der in Betracht kommen werde. Nach der Bescheidbegründung sei der für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages maßgebende Sachverhalt unter Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdeführerin im Erhebungsbogen und aus den aufliegenden Personalunterlagen angenommen und auf Grund der dem Bescheid angeschlossenen und einen festen Bestandteil bildenden Ermittlungen festgestellt worden. Nach dem mit "Ermittlungen" überschriebenen Beiblatt des Bescheides wurde das Gesamtausmaß der dem Tag der Anstellung der Beschwerdeführerin voranzusetzenden Zeiten mit neun Jahren, einem Monat und 16 Tagen errechnet. Dabei wurden nach dem Inhalt dieses Beiblattes die Zeiten vom bis gemäß § 12 Abs. 2 Z. 6 GG und die Zeiten vom bis sowie vom bis gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 GG zur Gänze, die Zeiten vom bis und vom bis gemäß § 12 Abs. 1 lit. b GG zur Hälfte vorangesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid berichtigte die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 1 und 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG in Verbindung mit § 12 GG den für die Beschwerdeführerin mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom festgesetzten Vorrückungsstichtag "vom (mit Wirksamkeit vom ) auf den Vorrückungsstichtag (ebenfalls mit Wirksamkeit vom )" für die Verwendungsgruppe L 2 a 1 und sprach aus, daß der Beschwerdeführerin daher ab die Bezüge der Gehaltsstufe 9 in der Verwendungsgruppe L 2 a 1 gebührten und als Tag der nächsten Vorrückung gemäß § 8 Abs. 1 und 2 GG der in Betracht komme. Begründet wurde der Bescheid im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin nach dem Dienstvertrag vom mit Wirksamkeit vom als Vertragslehrerin im Entlohnungsschema I L, Entlohnungsgruppe L 2 b 1, in den steiermärkischen Pflichtschuldienst aufgenommen worden sei. Laut Nachtrag zum Dienstvertrag vom sei sie mit Wirksamkeit vom in die Entlohnungsgruppe L 2 a 1 des Entlohnungsschemas I L eingereiht worden. Der zweite Satz dieses Vertragsnachtrages laute: "Es gebührt Ihnen daher ab unter Berücksichtigung des gemäß § 42 Abs. 3 Vertragsbedienstetengesetz 1948, in der geltenden Fassung, vorgeschriebenen Überstellungsverlustes von zwei Jahren das Entgelt der Enlohnungsgruppe L 2 a 1 des Entlohnungsschemas I L, Entlohnungsstufe 1 mit nächster Vorrückung vom ." Auch im Nachtrag zum Dienstvertrag vom , womit mit Wirksamkeit vom das Gebühren der Entlohnungsstufe 4 festgelegt worden sei, sei ausdrücklich auf den "vorgeschriebenen Überstellungsverlust von zwei Jahren" hingewiesen worden. Anläßlich der mit Wirksamkeit vom erfolgten Ernennung zum provisorischen Lehrer der Verwendungsgruppe L 2 b 1, unter gleichzeitiger Überleitung auf einen Dienstposten der Verwendungsgruppe L 2 a 1, habe im Ernennungsdekret dieser Hinweis auf den Überstellungsverlust ebenso gefehlt wie im Bescheid vom über die Feststellung des Vorrückungsstichtages. Dieser Umstand, der der Dienstbehörde bei der großen Anzahl der routinemäßig zu bearbeitenden Akten entgangen sei, habe der Beschwerdeführerin bei einem zumutbaren aufmerksamen Durchlesen des Dekretes und des Bescheides auffallen müssen. Sowohl im Ernennungsdekret als auch im Bescheid über die Ermittlung des Vorrückungsstichtages seien nämlich die zugrunde gelegten gesetzlichen Bestimmungen zitiert worden, sodaß die Beschwerdeführerin im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2176/60, habe wissen müssen, daß der Bescheid über die Ermittlung des Vorrückungsstichtages gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen habe. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 13 DVG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses (im folgenden "Dienstverhältnis" genannt) zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden das AVG 1950 mit den nachstehenden Abweichungen anzuwenden.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Abweichungen von § 68 AVG 1950 enthaltenden § 13 DVG lauten:

"(1) In Dienstrechtsangelegenheiten ist eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.

(2) Zur Aufhebung und Abänderung gemäß Abs. 1 und gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 sowie zur Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG 1950 ist die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts zuständig, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht, im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Sinne des § 68 AVG 1950 angehört oder im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand bzw. Dienstverhältnis angehört hat.

...

(4) Die Nichtigerklärung im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 ist jedenfalls innerhalb eines Jahres von dem Zeitpunkt an zulässig, in dem der zuständigen Dienstbehörde der von der unzuständigen Behörde erlassene Bescheid bekanntgeworden ist, längstens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Erlassung des Bescheides.

(5) Die Nichtigerklärung nach § 68 Abs. 4 AVG 1950 reicht auf den Zeitpunkt zurück, in dem der nichtigerklärte Bescheid zugestellt worden ist."

Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst die Auffassung, daß die 10-Jahres-Frist des § 13 Abs. 4 DVG auch für die Abänderung oder Aufhebung von Bescheiden nach § 13 Abs. 1 DVG gelte, da sonst der ohnehin bereits stark eingeschränkte Schutz der Rechtskraft eines Bescheides noch weiter beschnitten bzw. ausgehöhlt würde. Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die 10-Jahres-Frist bereits abgelaufen gewesen sei, sei der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.

Dieser Auffassung steht der klare Wortlaut des § 13 Abs. 4 DVG entgegen, der die Fristbestimmung nur auf eine "Nichtigerklärung im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950", also nicht einmal auf alle nach § 68 Abs. 4 AVG 1950 zulässigen Nichtigerklärungen, geschweige denn auf Aufhebungen oder Abänderungen von rechtskräftigen Bescheiden im Sinne des § 13 Abs. 1 DVG oder § 68 Abs. 2 und 3 AVG 1950, bezieht. Der auf § 13 Abs. 1 DVG gestützten Abänderung des Bescheides des Landesschulrates für Steiermark vom steht daher nicht die behauptete Verfristung entgegen.

Einer Maßnahme nach § 13 Abs. 1 DVG kommt - anders als gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. einer Nichtigerklärung - von Gesetzes wegen keine rückwirkende Kraft zu (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 9937/A, und vom , Zl. 1742/78). Die belangte Behörde durfte daher die Wirksamkeit der auf § 13 Abs. 1 DVG gestützten Abänderung des Bescheides des Landesschulrates für Steiermark vom nicht mit einem vor dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am liegenden Zeitpunkt festsetzen. Dies hat sie aber durch die Berichtigung des Vorrückungsstichtages auf den "mit Wirksamkeit vom " und die darauf ("daher") gestützten Aussprüche des 2. und 3. Satzes des Spruches des angefochtenen Bescheides getan. Der angefochtene Bescheid ist daher schon deshalb (also unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Anwendungsfall des § 13 Abs. 1 DVG vorlag) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Was die Frage der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 DVG betrifft, so setzt diese Bestimmung primär voraus, daß ein Bescheid gegen eine im Zeitpunkt seiner Erlassung bereits bestehende zwingende gesetzliche Vorschrift verstößt (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 7478/A, und vom , Zl. 81/12/0216). Ist dies der Fall, so ist - abweichend vom § 68 AVG 1950 - seine Aufhebung oder Abänderung auch dann zulässig, wenn die Partei von diesem Verstoß wußte oder wissen mußte. Die Worte "oder wissen mußte" im § 13 Abs. 1 DVG (ein Wissen der Beschwerdeführerin vom Verstoß wurde nicht festgestellt) beziehen sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 5797/A, vom , Zl. 2176/60, vom , Zl. 82/09/0136, vom , Zl. 86/12/0093, und vom , Zl. 86/12/0197) nicht darauf, ob dem Bediensteten die Kenntnis der Rechtsvorschriften zugemutet werden kann, sondern darauf, ob der Betroffene - die Kenntnis der Rechtsvorschriften vorausgesetzt - aus dem Bescheidinhalt bei entsprechender Sorgfalt erkennen konnte und daher wissen mußte, daß der Bescheid zwingenden Rechtsvorschriften widerspricht. Der Betroffene muß danach die Rechtswidrigkeit des Bescheides dann nicht wissen, wenn sie sich nicht unmittelbar aus dem Bescheid ergibt oder wenn die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften auch eine den Bescheid bejahende Auslegung denkgesetzlich zulassen (vgl. zu einzelnen Fallgestaltungen außer den bereits zitierten Erkenntnissen jene vom , Slg. Nr. 7397/A, vom , Zl. 1211/72, vom , Zl. 1878/76, vom , Zl. 81/12/0216, vom , Zl. 83/12/0021, vom , Zl. 85/12/0079, und vom , Zl. 86/12/0068).

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid von einem Verstoß des Bescheides des Landesschulrates für Steiermark vom gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen aus, ohne im Erwägungsteil diese Bestimmungen anzuführen. In der Sachverhaltsdarstellung erwähnt sie einen von ihr in der Folge aufgehobenen Berichtigungsbescheid des Landesschulrates für Steiermark, in dem als die zwingende gesetzliche Bestimmung, gegen die der Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom verstoßen habe, § 12a GG angegeben wurde. Diese Bestimmung wurde aber erst durch die insofern am in Kraft getretene

30. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 318, in das Gehaltsgesetz eingefügt. Sollte also auch die belangte Behörde diese Bestimmung als jene gemeint haben, gegen die der Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom verstoßen habe, so wäre dies rechtsirrig. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde in einer sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise darzulegen haben, gegen welche zwingenden gesetzlichen Bestimmungen der Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom im Zeitpunkt seiner Erlassung vom (ausgehend von dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt) ihrer Auffassung nach verstoßen hat und inwiefern die Beschwerdeführerin - vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - diesen Verstoß erkennen konnte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, da es nur der Vorlage von zwei Beschwerdeausfertigungen bedurfte.