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VwGH vom 18.12.1995, 95/16/0287

VwGH vom 18.12.1995, 95/16/0287

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des HW in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. 6-6/W/3/1994/Ha, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zum Sachverhalt wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0134, verwiesen, mit dem die Beschwerde gegen die im Instanzenzug ergangene Beschlagnahme eines Personenkraftwagens abgewiesen worden ist. In diesem Beschwerdefall war der Beschwerdeführer einer Eingangsabgabenhinterziehung im Sinne des § 35 Abs. 2 FinStrG, begangen durch die zu Unrecht erfolgte Inanspruchnahme des formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs hinsichtlich eines Personenkraftwagens, verdächtigt worden.

Wie der nunmehrigen Beschwerde sowie dem vom Beschwerdeführer angeschlossenen angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom das (weitere) Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes eingeleitet, er habe im Mai 1990 sowie am weitere Eingangsabgabenhinterziehungen nach § 35 Abs. 2 FinStrG dadurch bewirkt, daß er seinen im Inland gelegenen Wohnsitz nicht erklärt habe, wodurch ihm zu Unrecht für die Motorräder jeweils der Type "Kawasaki VN 750", amtliche Kennzeichen AÖ-n1 und AÖ-n2, die Abgabenbegünstigung des formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs gewährt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Administrativbeschwerde gegen den Einleitungsbescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, daß der Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen vom

11. und selbst eingeräumt habe, die Motorräder zu den angegebenen Tatzeitpunkten in Österreich benutzt zu haben. Daß der Beschwerdeführer im Mai 1990 seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Zollausland gehabt habe, werde von ihm nicht einmal behauptet. Er habe selbst ausgeführt, im Jahre 1981 nach Österreich übersiedelt zu sein und im Jahre 1988 in Braunau am Inn einen Wohnsitz begründet zu haben. Auch hinsichtlich des Tatzeitpunktes ging die belangte Behörde aufgrund der durchgeführten Ermittlungen davon aus, daß der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt nicht im Zollausland gelegen war.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 bis 81 leg. cit. zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.

Ein solcher im Sinne des § 82 FinStrG erforderliche Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, geht es nicht darum - wie es dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebt - schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen. Ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach dem §§ 114 f FinStrG vorbehalten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0159 mwH).

Wenn der Beschwerdeführer dem Vorwurf einer im Mai 1990 begangenen Eingangsabgabenhinterziehung zunächst entgegenhält, Halter des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen AÖ-n2, sei seine Mutter gewesen, so übersieht er, daß die Inanspruchnahme der Zollbegünstigung nach § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG zur Voraussetzung hatte, daß sowohl der Halter als auch der Benützer des Beförderungsmittels den gewöhnlichen Wohnsitz (Sitz) im Zollausland haben. Daß der Beschwerdeführer aber das Motorrad im Inland benutzt hat, wird in der Beschwerdeschrift selbst zugestanden.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Tatverdacht (auch) hinsichtlich der subjektiven Tatseite begründet. Sie hat sich mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich bei der Einreise im Mai 1990 bei zuständigen Organwaltern über die Möglichkeit einer Einreise informiert, auseinandergesetzt. Insbesondere hat sie aus der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit seiner am gegenüber dem Zollamt Braunau gemachten Angaben über seine tatsächlichen Wohnverhältnisse den Schluß gezogen, es liege der Verdacht von Vorsatz vor. Ob tatsächlich das Vorliegen von Vorsatz als erwiesen angenommen werden kann, wird dabei die Finanzstrafbehörde erst nach Abschluß des Untersuchungsverfahrens zu beurteilen haben.

Soweit vom Beschwerdeführer in Abrede gestellt wird, daß er im Zeitpunkt der Verwirklichung des 2. Faktums am seinen gewöhnlichen Wohnsitz bereits nach Deutschland verlegt hatte, so ist auf das eingangs angeführte Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0134, zu verweisen, wonach aufgrund der von Finanzstrafbehörden aufgenommenen Beweise, insbesondere der Aussagen der im gleichen Gebäude (in Braunau) wie der Beschwerdeführer wohnhaften Zeugen über die tägliche Rückkehr des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin, des Ergebnisses der unmittelbaren Beobachtung durch Organwalter des Zollamtes Braunau, die mit diesen Zeugenaussagen über die tägliche Rückkehr übereinstimmten, den Ermittlungen über den Stromverbrauch in der Wohnung des Beschwerdeführers und der Angaben gegenüber den Meldebehörden sowie der Feststellungen anläßlich der (am ) beim Beschwerdeführer vorgenommenen Hausdurchsuchung, die Finanzstrafbehörden unbedenklicherweise den Schluß ziehen konnten, es bestehe der Verdacht, vom Beschwerdeführer sei im Hinblick auf das Vorhandensein seines gewöhnlichen Wohnsitzes im Inland der formlose, sicherstellungsfreie Vormerkverkehr zu Unrecht in Anspruch genommen worden und damit das Finanzvergehen im Sinne des § 35 Abs. 2 FinStrG begangen worden.

Mit den Ergebnissen der Ende Mai 1993 vorgenommenen Ermittlungen durch deutsche Abgabenbehörden wird sich die Finanzstrafbehörde im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in ihrer abschließenden Entscheidung auseinanderzusetzen haben; am Vorliegen maßgeblicher Verdachtsgründe vermag dies aber nichts zu ändern.

Den Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Begründung des Vorliegens ausreichender Verdachtsgründe ist entgegenzuhalten, daß sich die Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof auf ihre Schlüssigkeit beschränkt. Daß die Beweiswürdigung der Behörde mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens übereinstimmt, wurde bereits ausgeführt.

Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die Einleitung des Strafverfahrens gleiche wegen der "vorausgreifenden Beweiswürdigung" bereits einer Verurteilung, ist dabei nicht weiter verständlich, weil die Erlassung eines rechtsmittelfähigen Bescheides bereits im Einleitungsstadium jedenfalls dem Rechtsschutzinteresse des Normadressaten dienlich ist.

Die dabei ausgesprochene Vermutung des Beschwerdeführers, "Ankläger und entscheidende Behörde" seien gleich und es könne daher zu keinem fairen Verfahren kommen, so übersieht er, daß der Beschuldigte gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG die Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat - dem Tribunalqualität im Sinne des Art. 6 EMRK zukommt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 285/85, und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/16/0146 Slg. Nr. 6363, F) - beantragen kann.

Soweit auf einen in Ablichtung der Beschwerde angeschlossenen, als "Verfassungsbeschwerde" bezeichneten Schriftsatz verwiesen wird, ist festzustellen, daß Verweisungen auf den Inhalt eines in einem anderen Verfahren eingebrachten Schriftsatzes keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG darstellen und damit unbeachtlich sind (vgl. Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 250 und die dort dargestellte Rechtsprechung).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.