VwGH vom 23.02.2005, 2001/14/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der T Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Herbert Heigl KEG und Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in 4614 Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Gem-524132/7-2001-Wa/Gdl, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: Stadt Wels, vertreten durch den Bürgermeister, Stadtplatz 1, 4600 Wels), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden GmbH Kommunalsteuer für die Jahre 1994 bis 1998 vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit einem vom datierten Schriftsatz Berufung, die vom Magistrat der Stadt Wels mit Bescheid vom gemäß § 202 Z. 2 O.ö. Landesabgabenordnung (im Folgenden O.ö. LAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen wurde. Der Kommunalsteuerbescheid sei (gemeinsam mit dem Prüfungsbericht) vom Geschäftsführer der beschwerdeführenden GmbH, Herrn L, am im Anschluss an die Prüfungsschlussbesprechung nachweislich persönlich übernommen worden. Die erst am erhobene Berufung sei somit nicht innerhalb offener Rechtsmittelfrist eingebracht worden.
In ihrer gegen den Zurückweisungsbescheid gerichteten Berufung vom brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Kommunalsteuerbescheid ihrem Geschäftsführer L ausgefolgt worden sei und keinerlei aktenmäßig dokumentierter Hinweis vorliege, wann der Bescheid der beschwerdeführenden GmbH zugekommen sei. Dieser Zeitpunkt sei jedenfalls nach dem gelegen. Sollte der Berufung dessen ungeachtet kein Erfolg beschieden werden, werde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gestellt.
Der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid wurde im Instanzenzug keine Folge gegeben. Bestimme die Behörde ein Organ der juristischen Person als Empfänger im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustellG, sei nicht die juristische Person, sondern das betreffende Organ Empfänger. Im Beschwerdefall habe der zur Empfangnahme von Schriftstücken befugte Geschäftsführer L die Ausfolgung des Bescheides durch Datum und Unterschrift bestätigt, womit die Zustellung an die Beschwerdeführerin bewirkt worden sei.
Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom , 2000/14/0161, als unbegründet abgewiesen.
In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte die Beschwerdeführerin vor, der Bescheid vom sei dem steuerlichen Vertreter am zur Erhebung eines Rechtsmittels übermittelt worden. Da auf den übermittelten Unterlagen das Zustellungsdatum nicht vermerkt gewesen sei, habe Frau H mit dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, Herrn L, auftragsgemäß Rücksprache gehalten und sich nach dem Tag der Zustellung erkundigt. Daraufhin habe sie "den Termin des Fristablaufes am eingetragen". Erst auf Grund des Bescheids vom , mit dem die Berufung als verspätet zurückgewiesen worden sei, habe die Beschwerdeführerin von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt. In der Kanzlei des Steuerberaters werde seit Jahrzehnten ein Fristenbuch geführt, wobei Frau H, eine besonders sorgfältige und vertrauenswürdige Angestellte, seit Juli 1997 mit dessen Führung betraut sei. In den gesamten Jahren sei keine Fristversäumnis vorgekommen. Ein Rechtsvertreter dürfe auf die Richtigkeit des vorgenommenen Fristenvermerks grundsätzlich vertrauen. Entscheidend sei, dass ein ordnungsgemäß eingerichteter Kanzleibetrieb vorliege. Dem Antrag wurden Kopien des Fristenbuchs und eidesstättige Erklärungen von Frau H und den Geschäftsführern der Steuerberatungsgesellschaft beigelegt.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wels vom wurde auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung keine Folge gegeben. Begründend wird in dem Bescheid ausgeführt, gemäß § 230 O.ö. LAO dürfe die Partei kein Verschulden an der Fristversäumnis treffen, wobei ein Verschulden des Vertreters der Partei zuzurechnen sei. Bereits leichte Fahrlässigkeit genüge. Ein Verschulden liege im Beschwerdefall vor, weil entweder "die Partei" der Kanzleikraft nicht das richtige Datum der Zustellung bekannt gegeben oder Frau H das falsche Datum errechnet habe.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wels als unbegründet abgewiesen. Es könne nicht mehr geklärt werden, ob der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin das falsche Zustellungsdatum bekannt gegeben oder Frau H die Frist falsch berechnet habe. Da erfahrungsgemäß Personen, die Fristenbücher in Kanzleien führten, sehr sorgfältig arbeiten würden, sei es wohl wahrscheinlicher, dass Herr L über den Tag der Zustellung geirrt habe. Eine Nachfrage bei der Behörde hätte das richtige Datum zu Tage gebracht. Diese Nachfrage wäre jedenfalls zumutbar und bei offensichtlicher Unklarheit auch geboten gewesen. Das Verhalten von Herrn L bzw. Frau H sei jedenfalls kausal für die Fristversäumnis und der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Eine Vernehmung der Personen könne unterbleiben, weil ohnehin ausführliche Schriftsätze und eidesstättige Erklärungen beigebracht worden seien.
In der dagegen erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass Frau H nach erfolgter Rücksprache mit Herrn L von der Zustellung per habe ausgehen dürfen und deshalb kein Anlass für eine Nachfrage bei der Behörde bestanden habe. In der Regel würden Zustellungen erst einige Tage nach dem im Bescheid ausgewiesenen Ausstellungsdatum erfolgen. Solcherart habe der Kanzleikraft die (angenommene) Zustellung einen Tag nach Bescheiddatum nicht bedenklich erscheinen müssen. Damit treffe weder den Rechtsvertreter noch die Partei ein Verschulden, was die Behörde bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Beweisverfahren hätte feststellen können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Gemäß "§ 71 AVG" sei unter anderem gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Minderer Grad des Versehens sei als leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Ein Verschulden des Parteienvertreters treffe die vertretene Partei. Ein dem Parteienvertreter widerfahrendes Ereignis stelle nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt oder Steuerberater selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn höchstens ein minderer Grad des Versehens treffe. Zu beurteilen sei somit das Verhalten des Rechtsanwalts oder Steuerberaters selbst. Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht komme es somit nicht darauf an, ob der Kanzleikraft ein minderer Grad des Versehens unterlaufen sei, sondern auf den Verschuldensgrad des Rechtsanwalts oder Steuerberaters. Für die richtige Berechnung der Rechtsmittelfrist sei stets der Rechtsanwalt oder Steuerberater und nicht jene Kanzleiangestellte verantwortlich, die den Termin weisungsgemäß in den Kalender eintrage. Im vorliegenden Fall sei die Berechnung der Berufungsfrist unstrittig einer besonders verlässlichen Kanzleikraft in Eigenverantwortung überlassen und damit der entsprechenden Sorgfaltspflicht nicht entsprochen worden, wobei es sich nicht nur um einen minderen Grad des Versehens handeln würde.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Erhebung der Kommunalsteuer erfolgt durch die Gemeindebehörden nach den Vorschriften der einzelnen Landesabgabenordnungen. Im Beschwerdefall sind auf das Verfahren daher die Bestimmungen der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung anzuwenden (vgl. § 1 Abs. 2 O.ö. LAO in Verbindung mit § 2 BAO, und das hg. Erkenntnis vom , 96/13/0018).
Nach § 230 Abs. 1 O.ö. LAO ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Gemäß § 80 Abs. 2 des Statuts für die Stadt Wels, LGBl. Nr. 8/1992, sind auf das Verfahren vor den Gemeindeaufsichtsbehörden die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) anzuwenden. Dies gilt allerdings nur für die im Verfahren vor der Aufsichtsbehörde zu setzenden Verfahrenshandlungen. Geht es - wie im Beschwerdefall - um die Frage, ob im gemeindebehördlichen Verfahren Parteienrechte verletzt wurden, ist die von den Gemeindebehörden anzuwendende Rechtslage maßgebend. Solcherart hätte die belangte Behörde den Bescheid des Stadtsenats unter Heranziehung der von den Gemeindebehörden anzuwendenden Verfahrensbestimmungen, somit der O.ö. LAO, prüfen müssen. Dass die belangte Behörde die strittige Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist anhand der Bestimmung des § 71 AVG und nicht vor dem Hintergrund des § 230 Abs. 1 O.ö. LAO geprüft hat, verletzt die Beschwerdeführerin im Ergebnis jedoch nicht in subjektiven Rechten, weil der Inhalt dieser beiden Bestimmungen betreffend die Wiedereinsetzung übereinstimmt, soweit nicht ohnedies § 71 AVG für die Beschwerdeführerin insoweit günstiger war als die Partei nach § 230 O.ö. LAO überhaupt kein Verschulden an der Versäumung der Frist treffen darf, während nach § 71 AVG ein minderer Grad des Versehens nicht schadet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Parteienvertreter für die Beachtung der Rechtsmittelfrist grundsätzlich selbst verantwortlich. Er hat die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seiner Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Wird in einer Kanzlei eines Parteienvertreters die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen einlangender Schriftstücke von einer - wenn auch verlässlichen und umsichtigen - Kanzleikraft vorgenommen, entspricht dies nicht der in der Judikatur geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters und erlaubt es nicht mehr, auf Seiten des Parteienvertreters nur einen minderen Grad des Versehens anzunehmen. Ein Parteienvertreter, der sich aus welchen Gründen immer völlig auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verlässt, tut dies auf die Gefahr, dass das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert wird (vgl. mit weitern Nachweisen den hg. Beschluss vom , 2003/13/0076, sowie das Erkenntnis vom , 2001/20/0402).
Es trifft zu, dass eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Parteienvertreter nicht zuzumuten ist, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich jedoch bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist nicht. Wenn der Parteienvertreter die Bestimmung der Rechtsmittelfrist nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren der Kanzleiangestellten überließ, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang zu kontrollieren (vgl. etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/16/0057, mit weiteren Nachweisen).
Ausgehend vom Vorbringen im Verwaltungsverfahren war es dem Parteienvertreter im Beschwerdefall gar nicht möglich, die richtige Bestimmung der Berufungsfrist durch die Kanzleiangestellte zu kontrollieren, weil auf den von der Partei übermittelten anzufechtenden Bescheid das Datum der Zustellung nicht vermerkt war und die mit entsprechenden Erkundigungen beauftragte Kanzleikraft auch keinen Aktenvermerk darüber angefertigt hat, welche telefonische Auskunft ihr seitens der Partei zu den Zustellungsmodalitäten gegeben worden war. Solcherart war es dem Parteienvertreter selbst im Nachhinein nicht möglich festzustellen, ob eine unzutreffende oder unvollständige Mitteilung der Partei, ein Hörfehler oder Irrtum der Angestellten oder etwa die im Verfahren zur hg. Zl. 2000/14/0161 vertretene unzutreffende Rechtsansicht über den Beginn der Berufungsfrist bei persönlicher Aushändigung des Bescheides für den falschen Terminvormerk kausal war.
Davon abgesehen stellt es auch ein sorgfaltswidriges Verhalten dar, wenn bei der telefonischen Übermittlung des Zustelldatums eines Bescheids, gegen den ein Rechtsvertreter Berufung erheben soll, weder der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei - welcher das Datum mitteilt - noch die Kanzleiangestellte des Vertreters - welche das Datum übermittelt bekommt - Maßnahmen zur unmittelbaren Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums treffen, weil bei der telefonischen Übermittlung von Daten Hörfehler oder andere Fehler und Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden können. Dies hätte etwa durch Einholung einer schriftlichen Bestätigung des telefonisch durchgegebenen Zustelldatums seitens der Kanzleiangestellten oder durch eine Anfrage der Partei, ob das übermittelte Datum auch richtig verstanden worden sei, geschehen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/03/0029).
Im Verwaltungsverfahren wurde mit der auf die Vorgangsweise der Kanzleiangestellten eingeschränkten Sachverhaltsdarstellung nicht aufgezeigt, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin in einer seiner Verantwortung zur Fristwahrung entsprechenden Weise tätig geworden wäre, er die Kanzleiangestellte etwa - allgemein oder konkret im Beschwerdefall - angewiesen hätte, die maßgeblichen Daten zur Beurteilung des Beginnes der Berufungsfrist in Erfahrung zu bringen und schriftlich festzuhalten. Solcherart durfte die belangte Behörde von einem der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Verschulden des Parteienvertreters ausgehen. Ein (weiteres) Verschulden des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin war daher nicht zu prüfen.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Verfahrensrügen - die belangte Behörde habe die beantragten Zeugenvernehmungen zum Thema Organisation der Kanzlei und Verlässlichkeit der Kanzleiangestellten zu Unrecht unterlassen - nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am