VwGH vom 25.02.1993, 92/18/0462

VwGH vom 25.02.1993, 92/18/0462

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom , Zl. 124.259/92, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg (der belangten Behörde) vom wurde der dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, von der BH Feldkirch am mit einer Gültigkeitsdauer bis erteilte Sichtvermerk gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 1 und 2 des Paßgesetzes 1969 (PG) für ungültig erklärt.

Der diese Entscheidung tragende Teil der Begründung lautet:

"Der gegenständliche Sichtvermerk war Ihnen am aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung für die Firma K erteilt worden, wo Sie jedoch kaum zwei Monate beschäftigt waren.

Nach sorgfältiger Abwägung der vorhandenen Fakten ist die Behörde zu der Ansicht gekommen, daß der oa. Sichtvermerk für ungültig zu erklären ist, da Sie bei der Firma K nicht mehr beschäftigt sind und somit der Grund für die Erteilung dieses Sichtvermerkes weggefallen ist.

Es sind somit nachträglich Tatsachen eingetreten und in weiterer Folge bekannt geworden, die die Versagung dieses Sichtvermerkes gerechtfertigt hätten."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechtes "auf Aufenthalt in Österreich aufgrund des ihm am von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erteilten Sichtvermerkes" behauptet.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß ihm der bekämpfte Bescheid unmittelbar bei der belangten Behörde ausgehändigt worden sei, er jedoch eine schriftliche Übernahmebestätigung verweigert habe. Damit sei es im Grunde des § 24 des Zustellgesetzes nicht zu einer rechtsgültigen Bescheidzustellung gekommen.

2. Nach Ausweis der vorgelegten Akten hat der Beschwerdeführer das "Original" des angefochtenen Bescheides am unmittelbar bei der belangten Behörde übernommen, jedoch - dem handschriftlichen und eigenhändig gefertigten Vermerk des Sachbearbeiters auf der im Akt befindlichen Durchschrift des bekämpften Bescheides zufolge - die "Unterschrift verweigert". Daß ihm der angefochtene Bescheid am unmittelbar bei der belangten Behörde tatsächlich ausgefolgt worden ist, bleibt in der Beschwerde unbestritten. Da aber das Fehlen einer schriftlichen Übernahmebestätigung nur die Frage des Nachweises der - vom Beschwerdeführer, wie erwähnt, außer Streit gestellten - Ausfolgung berührt, nicht aber zur Rechtsunwirksamkeit der Zustellung durch Ausfolgung führt (vgl. auch RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 921, Anm. 5; WALTER-MAYER,

Das österreichische Zustellrecht, S. 124 Anm. 7), ist von der Erlassung des bekämpften Bescheides dem Beschwerdeführer gegenüber am auszugehen. (Die davon abweichende, im Erkenntnis vom , 2169/76, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes wurde zu einer anderen Vorschrift, nämlich § 30 AVG, geäußert, weshalb die hier vertretene Auffassung kein "Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes" i.S. des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bedeutet - vgl. DOLP, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 162 unten.)

3. Was die in der Beschwerde behauptete örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde anlangt, so ist auf § 29 Abs. 4 PG, wonach sich die örtliche Zuständigkeit zur Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes nach dem Anlaß zum Einschreiten richtet, hinzuweisen. Da nach der Aktenlage in Verfolg einer fremdenpolizeilichen Kontrolle des Beschwerdeführers in Salzburg für die belangte Behörde "Anlaß zum Einschreiten" i.S. dieser Bestimmung bestand, erweist sich die Unzuständigkeitsrüge als verfehlt.

4. Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Dies aus nachstehenden Erwägungen:

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge ergeben sich die Gründe zur Versagung eines Sichtvermerkes allein aus der im § 25 Abs. 3 PG enthaltenen Aufzählung von Tatbeständen; anders als im Fall der Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 25 Abs. 2 PG ist der Behörde bei der Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes durch das Gesetz (§ 27 Abs. 1 leg. cit.) Ermessen (unter Bedachtnahme auf die im § 25 Abs. 2 leg. cit. genannten Gesichtspunkte) nicht eingeräumt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0096, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom , Zl. 1993/79).

Indem sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung weder im Spruch noch in der (tragenden) Begründung auf einen der Tatbestände des § 25 Abs. 3 PG stützte, vielmehr ausdrücklich und ausschließlich auf (§ 27 Abs. 1 iVm) "§ 25 Abs. 1 und 2 Paßgesetz 1969" abstellte, verkannte sie die Rechtslage.

5. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.