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VwGH vom 22.09.2005, 2001/14/0013

VwGH vom 22.09.2005, 2001/14/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des H O in V, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV 1150/1-10/2000, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der A GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss vom das Konkursverfahren eröffnet worden war. Mit Beschluss vom wurde das Konkursverfahren mangels Kostendeckung gem. § 166 KO aufgehoben und die Gesellschaft am im Firmenbuch gelöscht.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes, weshalb er nicht für die Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft gesorgt habe, führte der Beschwerdeführer aus, er habe sämtliche "Abgaben zur Überweisung auf die Hausbank gebracht", diese habe die Überweisungen aber wegen der schlechten finanziellen Lage nicht durchgeführt. Sämtliche Forderungen seien an die Hausbank abgetreten gewesen, sodass keine ausreichenden Mittel zur Entrichtung der Abgaben vorhanden gewesen wären.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der Gesellschaft im Gesamtausmaß von rund S 1,15 Mio zur Haftung herangezogen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, die Globalzession bei der Hausbank habe bereits bei Eröffnung "der Firma" unterzeichnet werden müssen. Dies sei eine Voraussetzung für die Eröffnung eines Geschäftskontos gewesen. Darin liege mit Sicherheit keine Benachteiligung der Finanzverwaltung.

Nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz dahin, dass es zum Zeitpunkt der Unterfertigung der "Generalzession" keine andrängenden Gläubiger gegeben habe, daher könne "dies" auch keine Begünstigung bzw. Benachteiligung einzelner Gläubiger darstellen. Der Abschluss der "Generalzession" bei Betriebseröffnung stelle keine Pflichtverletzung dar, weil es sich dabei "genauso wie ein Grundstück als Besicherung hingegeben wird" um eine Form der Besicherung für die Bank und damit um ein normales Sicherungsinstrument bzw. Rechtsgeschäft handle. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0041, "trifft in diesem Fall nicht zu", weil der Beschwerdeführer durch die Zession keine liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden entzogen habe. Im Beschwerdefall sei sehr wohl Vorsorge zur Berichtigung anderer Schulden getroffen worden. Von der Bank "wurden nämlich nur rund 60 % der Forderungen vorfinanziert, so dass 40 % der ausstehenden Forderungen als Vorsorge zur Bedienung anderer Schulden zur Verfügung gestanden wären". Der Beschwerdeführer betonte nochmals, dass er die "Abgaben zur Überweisung auf die Bank gebracht" habe, die Hausbank die Überweisungen aber auf Grund der Forderungsausfälle nicht durchgeführt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit teilweise Folge, als der Haftungsbetrag geringfügig eingeschränkt wurde, im Übrigen wurde die Berufung aber abgewiesen. Begründend führte sie nach Hinweis darauf, das gegenständlich die Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft, die Stellung des Beschwerdeführers als verantwortlicher Geschäftsführer und die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft unbestritten seien, im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Abschluss eines Globalzessionsvertrages eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung zu erblicken. Der Abschluss des Zessionsvertrages sei dem Vertreter der Körperschaft dann vorzuwerfen, wenn er es durch entsprechende Vertragsgestaltung unterlassen habe, vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten sei, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt würden.

Durch das Vorbringen, die Hausbank habe sämtliche eingehenden Gelder kassiert, aber keine Überweisungen durchgeführt, sei die Begünstigung der Bank offensichtlich. Die Behauptung, für die Berichtigung der anderen Schulden sei ohnehin Vorsorge getroffen worden, weil von der Bank nur 60 % der Forderungen vorfinanziert worden seien und somit 40 % der ausstehenden Forderungen zur Bedienung der anderen Gläubiger zur Verfügung gestanden wären, stehe zum Einen im Widerspruch zur bisherigen Verantwortung, wonach die Bank sämtliche eingehenden Gelder kassiert habe, zum anderen habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, warum diese angeblich zur Bedienung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehender Mittel nicht auch zur - zumindest anteiligen - Abdeckung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet worden seien.

Zur behaupteten Unvorhersehbarkeit der (nicht näher dargestellten) hohen Forderungsausfälle sei zwar zuzugestehen, dass diese nicht in ihrem konkreten Ausmaß vorhersehbar gewesen seien, mit Forderungsausfällen im Wirtschaftsleben erfahrungsgemäß aber immer zu rechnen sei. Es sei daher dafür Sorge zu tragen, dass ein Geschäftsführer über die Gesellschaftsmittel verfügen könne und es nicht allein bei der Bank liege, welche Überweisungen noch durchgeführt und welche Gläubiger noch bedient würden.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Abschluss eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt wird, andererseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung liegen. Der Abschluss eines Mantelzessionsvertrages ist dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt wird (vgl. für viele die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/14/0149 und vom , 2001/14/0176).

Im Beschwerdefall sprach der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zwar mehrfach vom Abschluss einer "Globalzession", betonte allerdings auch, dass bei Abschluss des Vertrages anlässlich der Betriebseröffnung entgegen der Annahme der belangten Behörde insofern sehr wohl "zur Berichtigung anderer Schulden" Vorsorge getroffen worden sei, als "von der Bank nur 60 % der Forderungen vorfinanziert wurden, sodass 40 % der ausstehenden Forderungen als Vorsorge zur Bedienung anderer Schulden zur Verfügung gestanden wären". Mit diesem auch dahin verstehbaren Vorbringen, dass 40 % der Forderungen nicht an die Bank abgetreten, sondern der primärschuldnerischen GmbH zur Abdeckung unter anderem der Umsatzsteuer zur Verfügung gestanden seien, hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nur unzureichend auseinandergesetzt. Allein der Umstand, dass das diesbezügliche Vorbringen im Widerspruch zur bisherigen Verantwortung gestanden sei, wonach die Bank "sämtliche eingehenden Gelder kassiert" habe, zeigt vor dem Hintergrund, dass eine allenfalls vereinbarungswidrige Vorgangsweise der Bank nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, nicht auf, dass das Vorbringen hinsichtlich der nur teilweisen Forderungsabtretung unrichtig sein musste.

Das weitere, dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Behauptung einer ausreichenden Vorsorge entgegengehaltene Argument der belangten Behörde, wonach er auch nicht dargelegt habe, warum die "angeblich zur Bedienung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehenden Mittel dann nicht auch" zur - zumindest anteiligen - Abdeckung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet worden seien, ist insofern nicht stichhältig, als der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausgeführt hat, dass die Bank "sämtliche eingehenden Gelder kassiert" und erteilte Überweisungsaufträge nicht durchgeführt habe. Auch in diesem Zusammenhang ist für das Verschulden des Beschwerdeführers an der Uneinbringlichkeit der Abgaben die Frage einer allenfalls vereinbarungswidrigen Vorgangsweise der Bank von Bedeutung. Es trifft daher der Beschwerdevorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften zu, dass die belangte Behörde verabsäumt hat, Feststellungen zum tatsächlichen Inhalt des mit der Bank im gegebenen Zusammenhang abgeschlossenen Vertrages sowie zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Vorgangsweise der Bank zu treffen.

Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers, nach welcher es ihm obliegt, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspricht der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0220).

Soweit der Beschwerdeführer "der Vollständigkeit halber" rügt, dass "im Haftungsbescheid" Angaben und Feststellungen über die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der GmbH fehlten, ist dieser Vorwurf sowohl im Hinblick auf den erstinstanzlichen, aber auch den im Instanzenzug erlassenen "Haftungsbescheid" unbegründet. Im erstinstanzlichen Bescheid hat die belangte Behörde auf das mangels Kostendeckung aufgehobene Konkursverfahren und auf die daraus geschlossene Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bei der Gesellschaft hingewiesen. Im angefochtenen Bescheid wurde betont, dass unter anderem die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft unbestritten sei. Auch in der Beschwerde wird nicht konkret behauptet, dass zumindest Teile der Abgabenschuldigkeiten, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, bei der Primärschuldnerin einbringlich gewesen wären.

Der weitere Beschwerdeeinwand, dass "zumindest nach der eigenen Begründung der belangten Behörde jene Abgaben, die mit fällig geworden sind, von vornherein nicht mehr Inhalt des Haftungsbescheides bilden können", ist vor dem gleichzeitigen Vorbringen, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Konkursverfahren eröffnet wurde, unverständlich.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am