VwGH vom 23.02.2005, 2001/14/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des JK in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Klosterstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , RV-048.96/1-7/1996, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb ein Transportunternehmen und schaffte im Jahr 1988 für diesen Betrieb einen Pkw der Marke Mercedes 250 D an. Bei einer im Jahr 1994 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1990 bis 1992 wurde festgestellt, dass dieser Pkw nicht mit mindestens 80 % der gewerblichen Personenbeförderung gedient habe. Das Finanzamt nahm das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1988 wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid, mit dem die im Zusammenhang mit der Anschaffung des genannten Fahrzeuges stehende Vorsteuer nicht anerkannt wurde.
Die belangte Behörde wies die gegen den Wiederaufnahmebescheid erhobene Berufung ab.
Zur Begründung führte sie nach Darlegung der einschlägigen Rechtsprechung aus, im gegenständlichen Fall sei die Aussage des Beschwerdeführers in seiner Berufungsschrift gegen den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom "neu hervorgekommen", dass bereits seit 1988 (dem Jahr der Anschaffung) der genannte Pkw widmungswidrig - das heißt weniger als 80 % zur gewerblichen Personenbeförderung - verwendet worden sei. Es sei nicht richtig, dass es sich deswegen um keine neue Tatsache handle, weil diese Beweismittel dem Prüfer des Finanzamtes im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung des Jahres 1988 bereits vollständig vorgelegt worden seien. Richtig sei, dass dem Prüfer im Zug der Betriebsprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 das Fahrtenbuch des gegenständlichen Pkw vorgelegt worden sei. Der Prüfer habe das vorgelegte Fahrtenbuch jedoch keinerlei Prüfung hinsichtlich der Nutzung des Pkw unterzogen. Es würden sich auch im Arbeitsbogen keinerlei Feststellungen oder Bemerkungen hinsichtlich dieses Pkw befinden. Prüfungsschwerpunkt der Betriebsprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 sei die Entrichtung des Straßenverkehrsbeitrages gewesen. Die Nichtkenntnisnahme des Inhaltes des Fahrtenbuches stehe der Durchführung einer amtswegigen Wiederaufnahme der Umsatzsteuer für das Jahr 1988 nicht entgegen. Es sei nämlich völlig unmaßgeblich, ob die neuen Tatsachen verschuldet oder unverschuldet nicht berücksichtigt worden seien. Wesentlich sei lediglich, dass dem Prüfer die Tatsache der gewerblichen Nutzung von weniger als 80 % nicht bekannt gewesen sei. Dies stehe zweifelsfrei fest. Die im freien Ermessen erfolgte Ausübung des Rechts auf Durchführung einer amtswegigen Wiederaufnahme gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit und auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem Beschwerdeführer sei zumindest im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1988 bereits bekannt gewesen, dass er mit der Geltendmachung der Vorsteuer aus den Anschaffungskosten gegen die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 verstoße.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Unbestritten ist, dass dem Finanzamt bereits bei einer früheren Betriebsprüfung das Fahrtenbuch für das gegenständliche Fahrzeug über das Jahr 1988 vorgelegt wurde. Unstrittig ist weiters, dass im Zug der damaligen Betriebsprüfung keine - mögliche - Auswertung des Fahrtenbuches derart vorgenommen wurde, dass der Anteil der Fahrten mit gewerblicher Personenbeförderung ermittelt wurde.
Strittig ist die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1988.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0192). Es schadet nicht, dass der Prüfer bei gehöriger Aufmerksamkeit mit Hilfe der ihm bereits vorliegenden Urkunden, allenfalls unter Heranziehung der Mitwirkung des Abgabepflichtigen, die maßgeblichen Tatsachen bereits hätte feststellen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0108).
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1988 gemäß § 303 Abs. 4 BAO im vorliegenden Fall nicht als rechtswidrig erkannt werden. Unbestritten wurden nämlich bei der früheren Betriebsprüfung die möglichen Auswertungen des Fahrtenbuches nicht durchgeführt und nicht auf Grund dieses Fahrtenbuches im Zusammenhang mit einer Befragung des Beschwerdeführers eine entsprechende Feststellung über die Richtigkeit der Aufzeichnung und die Art der Nutzung des Pkw getroffen. Ob dies dem Betriebsprüfer als Verschulden zuzurechnen ist, ist nach der dargestellten Rechtslage bedeutungslos. Die Beschwerde ist lediglich darin im Recht, dass die Wiederaufnahme nicht auf die "Aussage" des Beschwerdeführers im zweiten Betriebsprüfungsverfahren als solche gestützt werden darf; diesbezüglich ist nämlich kein Beweismittel "neu hervorgekommen". Wohl aber liegt - von der belangten Behörde in der weiteren Bescheidbegründung auch so gesehen - eine neu hervorgekommene Tatsache im nunmehr auf Grund dieser Aussage festgestellten Ausmaß der gewerblichen Verwendung des Kraftfahrzeuges.
Zu keinem anderen Ergebnis verhilft eine Bedachtnahme auf das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom , 91/15/0152. Dort stellte der Gerichtshof nämlich lediglich darauf ab, dass die belangte Behörde zu Unrecht von der Annahme ausgegangen sei, die Beschwerdeführer hätten anlässlich der Abgabe einer Erklärung kein Anlageverzeichnis vorgelegt. Bereits aus der Unrichtigkeit dieser Annahme schloss der Gerichtshof in jenem Erkenntnis auf das Fehlen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel.
Bei dieser Beurteilung ist der in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrüge die Grundlage entzogen. Es ist nämlich wegen des erst nachträglichen Hervorkommens der tatsächlichen Nutzung des in Rede stehenden Pkw zu weniger als 80 % für Zwecke der gewerblichen Personenbeförderung nicht entscheidend, dass die Umsatzsteuer unter anderem des Jahres 1988 bereits Gegenstand der früheren Prüfung gewesen ist und diesbezüglich die Vorsteuer geprüft und festgestellt wurde; es ist auch die Identität des damaligen Betriebsprüfers nicht relevant. Im Übrigen kommt es nicht auf eine vollständige Sachverhaltskenntnis des Prüfers an, sondern es ist entscheidend, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0036).
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am