VwGH vom 26.06.1996, 95/16/0256
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr.Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der N-Stiftung in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-877/95, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb mit zwei Notariatsakten vom einerseits von der X in V und der M-AG in Z die (gesamten) Geschäftsanteile an einer inländischen Gesellschaft m. b.H. (worauf sie die erworbenen, das gesamte Stammkapital repräsentierenden Geschäftsanteile zusammenzog) und andererseits von der N-Anstalt für Finanzierungen in V die restlichen Geschäftsanteile an einer inländischen Gesellschaft m. b.H., deren übrige Geschäftsanteile die Beschwerdeführerin bereits gehalten hatte. Auch in diesem Fall wurden die Anteile daraufhin zusammengezogen.
Zum Vermögen beider inländischen Gesellschaften, deren Anteile solcherart in der Hand der Beschwerdeführerin vereinigt wurden, gehören inländische Liegenschaften.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist in diesem Zusammenhang allein die Frage strittig, ob auf die geschilderten Vorgänge die Befreiungsbestimmung des Art. VIII Abs. 1 Z. 1 und 2 Privatstiftungsgesetz, BGBl. 694/1993, anzuwenden ist. Während die Beschwerdeführerin dies annimmt, vertritt die belangte Behörde in ihrer, die erstinstanzliche Festsetzung von Grunderwerbsteuer (abgesehen von einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr interessierenden Abänderung der Höhe nach) dem Grund nach bestätigenden Berufungsentscheidung folgende Ansicht: Abgabenpflichtiger Tatbestand gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 sei nicht der Grundstückserwerb als solcher, sondern die Vereinigung der Geschäftsanteile in einer Hand. Die Grunderwerbsteuerpflicht knüpfe daher nicht an die Übertragung des inländischen Vermögens (das sind nach Ansicht der belangten Behörde die erworbenen Geschäftsanteile), sondern erst an deren mittelbare Folge an; die zitierte Befreiungsbestimmung, die ihrerseits direkt für die Vermögenszuwendungen an die Stiftung vorgesehen sei, könne daher nicht zur Anwendung kommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß Art. VIII Abs. 1 PSG verletzt.
Der BM für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 Abs. 3 Z. 1 und 3 GrEStG lauten:
"Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches
Grundstück, so unterliegen der Steuer außerdem:
1. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden würden.
3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Gesellschaft begründet."
Gemäß Art. VIII Abs. 1 PSG sind Zuwendungen von inländischem Vermögen an eine Privatstiftung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer und der Grunderwerbsteuer befreit, wenn
1. das zugewendete Vermögen am nachweislich einer Stiftung, einer Anstalt, einem Trust oder einer vergleichbaren Vermögensmasse des ausländischen Rechts zuzurechnen war und
2. die Privatstiftung bis zum nach § 13 des Privatstifungsgesetzes zum Firmenbuch angemeldet wird."
§ 75 Abs. 2 GmbHG normiert:
"(2) Jedem Gesellschafter steht nur ein Geschäftsanteil zu. Übernimmt ein Gesellschafter nach Errichtung der Gesellschaft eine weitere Stammeinlage, so wird sein bisheriger Geschäftsanteil in dem der erhöhten Stammeinlage entsprechenden Verhältnisse erhöht."
Auf Grund der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist davon auszugehen, daß der Geschäftsanteil eines Gesellschafters einer Gesellschaft m.b.H. ein einheitlicher ist. Immer dann, wenn ein Gesellschafter einer G.m.b.H. weitere Geschäftsanteile hinzu erwirbt, bilden diese zusammen mit dem bereits gehaltenen Geschäftsanteil einen einheitlichen Anteil, welcher der Summe der übernommenen Stammeinlagen sowohl des alten als auch des dazu erworbenen Geschäftsanteiles entspricht (sog. Prinzip der Akkreszenz; vgl. z.B. Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 616; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5; 354; Koppensteiner, GmbHG-Kommentar Rz 7 zu § 75 GmbHG).
Die sogenannte Zusammenziehung der Geschäftsanteile ist somit eine gesetzliche Folge der Vereinigung mehrerer Geschäftsanteile an einer Gesellschaft m.b.H. in einer Hand.
Der im Beschwerdefall in Rede stehende Befreiungstatbestand des Art. VIII Abs. 1 Z. 1 und 2 PSG bezieht sich (unter bestimmten, im Beschwerdefall nicht strittigen weiteren Voraussetzungen) auf die ZUWENDUNG INLÄNDISCHEN VERMÖGENS, worunter gemäß Abs. 2 Z. 7 der zitierten Gesetzesstelle BETEILIGUNGEN AN KÖRPERSCHAFTEN zu verstehen sind, die im Inland ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung haben. Der zitierte Befreiungstatbestand betrifft demnach z.B. den im Beschwerdefall vorliegenden Erwerb von Geschäftsanteilen durch eine Privatstiftung an inländischen Gesellschaften m.b.H. mit inländischem Grundvermögen.
Hinsichtlich der in Art. VIII Abs. 1 normierten Befreiung von der Grunderwerbsteuer sind damit jedenfalls die Fälle des grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorganges gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 und 3 GrEStG 1987 gemeint, weil nur diese Erwerbsvorgänge das Rechtsgeschäft betreffen, das den Anspruch auf Übergang eines oder mehrerer bzw. aller Anteile der Gesellschaft begründet (zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört), wenn (abgesehen vom Fall des § 2 Abs. 2 UStG) durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden bzw. ein Anspruch auf Übertragung aller Anteile begründet wird.
Diese Erwerbstatbestände betreffen den sogenannten MITTELBAREN ERWERB einer Berechtigung an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücken (vgl. dazu die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil, Grunderwerbsteuergesetz 1987, unter Rz 292 Abs. 5 referierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).
Ungeachtet des Umstandes, daß die Materialien zu Art. VIII PSG (siehe bei Fellner, aaO, Rz 91 zu § 3 GrEStG) "Anteilsvereinigungen" von der Grunderwerbsteuerbefreiung ausdrücklich ausnehmen wollen, kann eine derartige Einschränkung des Befreiungstatbestandes, die dem Zweck der sogenannten Zuzugsbegünstigung widerspräche, dem Gesetzestext aber nicht entnommen werden (so auch Rief in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG-Kommentar, 511, Rz 16). Dieser bezieht sich - wie gezeigt - vielmehr auf die rechtsgeschäftlichen mittelbaren Erwerbstatbestände gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 und 3 GrEStG, die rechtlich an die Anteilsvereinigung bzw. den Erwerb bereits in einer Hand vereinigter Anteile anknüpfen (vgl. dazu die bei Fellner, aaO, Rz 319 Abs. 2 und Rz 329 Abs. 4 zu § 1 GrEStG, referierte hg. Rechtsprechung).
Damit liegt aber die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides klar auf der Hand, soferne es sich bei den Zuwendern der Anteile um Rechtsträger im Sinne des Art. VIII Abs. 1 Z. 1 PSG handelt, wozu Feststellungen der belangten Behörde fehlen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.