VwGH vom 23.10.1990, 89/11/0226
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 238.566/1-3/89, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/11/0137, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein im Instanzenzug ergangener Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit diesem Bescheid war der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für behauptete offene Ansprüche (an Gehalt für die Zeit vom bis im Gesamtbetrag von S 88.000,-- netto, an Sonderzahlungen für die Zeit vom bis im Betrag von S 20.000,-- netto, an Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 16. Mai bis im Betrag von S 40.000,-- netto) gegen die T-Ges.m.b.H., hinsichtlich deren mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , AZ Sa, das Ausgleichsverfahren eröffnet worden war, abgewiesen worden. Die damalige belangte Behörde war davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer nicht Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft gewesen sei, weil er auf Grund seiner Beteiligung mit 5 % am Stammkapital und einer umfassenden Vollmacht seiner Mutter, welche die übrigen Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft besessen habe, einen überwiegenden Einfluß in dieser Gesellschaft gehabt habe.
In dem zitierten Erkenntnis legte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Rechtsprechung dar, daß der dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz zugrunde gelegte Arbeitnehmerbegriff jener des Arbeitsvertragsrechtes sei, weshalb zufolge des verschiedenen Regelungszweckes auf andere Rechtsgebiete, insbesondere auch den sozialversicherungsrechtlichen Dienstnehmerbegriff des § 4 Abs. 2 ASVG, nicht zurückgegriffen werden könne. Entscheidend für den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechtes sei die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber. Die festgestellte Minderheitsbeteiligung des Beschwerdeführers schließe seine Arbeitnehmereigenschaft nicht aus. Nur bei einer Mehrheitsbeteiligung könne er über Weisungen an den Geschäftsführer wirksam den Inhalt seiner Arbeitsbedingungen beeinflussen. Auf Grund der Bevollmächtigung durch den Mehrheitsgesellschafter könne das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen werden. Ob der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft gestanden sei, könne mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden.
Mit Bescheid vom hob der Bundesminister für soziale Verwaltung, auf den die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 übergegangen war, in Stattgebung der Berufung vom den den Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld vom abweisenden Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste-Wien auf.
Mit Bescheid vom wies dieses Arbeitsamt den Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld vom neuerlich ab.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Arbeit und Soziales, auf den wiederum die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 übergegangen war, mit Bescheid vom als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid nur damit, sie habe mit rechtskräftigem Bescheid vom entschieden, daß der Beschwerdeführer in der angegebenen Zeit in keinem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur genannten Gesellschaft gestanden sei. Dieser Bescheid sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 87/08/0258, bestätigt worden.
Diese Begründung ist verfehlt, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zitierten Erkenntnis vom , Zl. 83/11/0137, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung (siehe insbesondere das grundlegende Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10140/A) ausgeführt hat - für den Bereich des IESG der Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechtes maßgebend ist. Von dieser Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof seither nicht abgegangen (vgl. u. a. das Erkenntnis vom , Zlen. 87/11/0133, 0134). Die Frage, ob ein die sozialversicherungsrechtliche Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis bestanden hat, ist für den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für sich allein nicht von Bedeutung. Da es die belangte Behörde auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterlassen hat, Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, auf Grund deren das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1 IESG beurteilt werden könnte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Der in der Gegenschrift unternommene Versuch, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen nachzutragen, vermag an der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts zu ändern, weil der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde (im angefochtenen Bescheid) angenommenen Sachverhaltes zu prüfen hat und nicht auf Grund eines Sachverhaltes, der erst im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dargestellt wird (vgl. zum "unzulässigen Nachschieben von Gründen" die Erkenntnisse vom , Zl. 83/11/0075, und vom , Zl. 89/18/0170).
Aus den aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Fundstelle(n):
PAAAE-41336