VwGH vom 29.05.1990, 89/11/0207
Betreff
H gegen Landeshauptmann von Wien vom , Zl. MA 70-8/325/89, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von drei Jahren (beginnend ab ) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides liegt der gegenständlichen Entziehungsmaßnahme zugrunde, daß der Beschwerdeführer - wie auf Grund rechtskräftiger Bestrafungen für die belangte Behörde bindend feststand - am und am jeweils eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen habe. Weiters stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer am eine weitere Übertretung nach den zitierten Gesetzesstellen begangen habe. Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorgenommenen Wertung hob die belangte Behörde die besondere Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der Alkoholdelikte hervor und führte zu Lasten des Beschwerdeführers ins Treffen, daß dieser bei dem Vorfall vom "Widerstand gegen die Staatsgewalt" geleistet und bei dem Vorfall vom einen Verkehrsunfall verschuldet habe. Ferner sei ihm bei einem Vorfall vom "vorsätzliche Gemeingefährdung" anzulasten, da er mit seinem Kraftfahrzeug in eine Personengruppe gerast sei und dabei eine Person zu Boden gestoßen habe. Das den Vorfall vom betreffende "Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 mußte aus formalen Gründen - unrichtig angelastete Tatzeit - eingestellt werden". Da seit der letzten Übertretung noch keine so lange Zeit verstrichen sei, daß mit Sicherheit auf eine Änderung seiner Sinnesart geschlossen werden könne, müsse der Beschwerdeführer als verkehrsunzuverlässig angesehen werden. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers sei auf eine Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten zu schließen. Die Änderung dieser Neigung und die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit sei erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zu erwarten, wobei der Fristbeginn gemäß § 73 Abs. 4 KFG 1967 mit dem , dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, festzusetzen gewesen sei.
Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe zu dem von ihm im Berufungsverfahren vorgebrachten Argument der Tilgung der den Vorfall vom betreffenden Bestrafung keine Feststellungen getroffen.
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Die vom Beschwerdeführer offenbar angezogene Bestimmung des § 66 Abs. 3 lit. b KFG 1967 - die im übrigen auf die Tilgung im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz abstellt - ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 12. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 375/1988, auch schon bei einmaliger Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt. Außerdem ist sowohl im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 bei der Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit vorzunehmenden Wertung strafbarer Handlungen - im vorliegenden Fall sind das die am 3. Jänner und am begangenen Übertretungen gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 - als auch bei der Festsetzung der Frist gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit., bei deren Bemessung die Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 leg. cit. zu berücksichtigen sind (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 87/11/0229), auf alle (auch länger zurückliegende und getilgte) Straftaten der betreffenden Person Bedacht zu nehmen (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 88/11/0077).
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, daß er gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom betreffend die Bestrafung wegen des Vorfalles vom Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, ist ihm zu erwidern, daß im Hinblick auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung die belangte Behörde daran gebunden war. Eine selbständige Beurteilung dieser Vorfrage, ob eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, war ihr daher verwehrt (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom , Zl. 89/11/0102).
Die Feststellungen über die am begangene Übertretung hat die belangte Behörde auf Grund des ihr vorliegenden Verwaltungsstrafaktes getroffen, insbesondere auf Grund der in diesem Verfahren abgelegten Zeugenaussagen. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen im Rahmen der Beweiswürdigung sind schlüssig. Die Tatsache, daß die Angaben der drei Sicherheitswachebeamten übereinstimmen, spricht für ihre Richtigkeit. Gegen die Richtigkeit der Darstellung des Beschwerdeführers in jenem Verfahren spricht, daß er die Person, die seinen Pkw angeblich gelenkt hatte, anläßlich seiner Anhaltung und Festnehmung nicht bekanntgab und mehrere Monate später eine Person nannte, jedoch keine Anschrift, unter der diese geladen werden konnte. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nicht die Ansicht vertreten, daß die Aussagen von Sicherheitswachebeamten "absolute Priorität" haben, sondern hat ihre Schlußfolgerungen in tatsächlicher Hinsicht auf Grund der im konkreten Fall gegebenen Beweislage in einer Weise gezogen, die weder den Denkgesetzen noch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widerspricht. Der angefochtene Bescheid hält daher in diesem Punkte der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053) stand.
Der Beschwerdeführer hält die Heranziehung des Vorfalles vom (gemeint offenbar vom ) für rechtswidrig, weil ihm der "nunmehr entzogene Führerschein" am "erteilt" worden sei.
Diese Ausführungen sind schon deshalb verfehlt, weil dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage die Lenkerberechtigung am erteilt wurde. Bei dem am ausgestellten Führerschein handelt es sich um ein Duplikat (§ 71 Abs. 4 KFG 1967).
Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß ihm die belangte Behörde im Rahmen der Wertung, ohne entsprechende Feststellungen getroffen zu haben, angelastet hat, er habe bei dem Vorfall vom "Widerstand gegen die Staatsgewalt" geleistet. Diesbezüglich gibt es zwar in der Anzeige vom entsprechende Hinweise. Die belangte Behörde hat jedoch dazu keine Beweise aufgenommen und daher auch keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Da der Beschwerdeführer zudem nach der Aktenlage nicht wegen des Verbrechens nach § 269 StGB verurteilt wurde, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde eine solche dem Beschwerdeführer im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 angelastete Tat als erwiesen angenommen hat.
Richtig ist ferner, daß die belangte Behörde betreffend den Vorfall vom keine Beweise aufgenommen und keine Feststellungen getroffen hat und daß auch diesbezüglich keine Verurteilung vorliegt, auf Grund deren die belangte Behörde von einem bestimmten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers im Sinne des § 176 StGB hätte ausgehen können. Die im Rahmen der Wertung berücksichtigte "vorsätzliche Gemeingefährdung" findet daher in den Ermittlungsergebnissen keine Deckung. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift dazu ausführt, gegen den Beschwerdeführer sei "offensichtlich" ein Verfahren wegen des Verdachtes des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB eingeleitet worden, ist nicht zu erkennen, inwiefern dieser Hinweis den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Vorwurf vorsätzlicher Gemeingefährdung begründen kann.
Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, daß die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen hat, aus denen sein Verschulden an dem Verkehrsunfall vom abgeleitet werden könnte. Es kann daher im Hinblick auf die rechtskräftige Bestrafung (auch) wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 nur von einem ursächlichen Zusammenhang seines Verhaltens mit dem Verkehrsunfall ausgegangen werden. Das im Zusammenhang mit der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer angelastete Verschulden an dem Verkehrsunfall entbehrt daher einer entsprechenden Grundlage in den Sachverhaltsfeststellungen.
Der Beschwerdeführer würde aber, selbst wenn man die zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel berücksichtigt und sohin nicht davon ausgeht, daß er am Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet, am das Verbrechen der vorsätzlichen Gemeingefährdung begangen und am einen Verkehrsunfall verschuldet hat, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt. Auch wenn man nämlich nur die unbedenklichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde berücksichtigt, ist die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers berechtigt. Für die Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 sind bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß sich bereits aus dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 unmittelbar deren besondere Verwerflichkeit ergibt, die auf eine dem § 66 Abs. 1 lit. a leg. cit. entsprechende Sinnesart schließen läßt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/11/0264). Die seit den strafbaren Handlungen vom 3. Jänner und verstrichene Zeit ist zu kurz, um auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers schließen zu können, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer von den Verwaltungsstrafverfahren wußte und ihm bereits am der die Entziehung der Lenkerberechtigung aussprechende Mandatsbescheid der erstinstanzlichen Behörde vom zugestellt wurde. Im Rahmen der Wertung war ferner zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer am auch eine Übertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 begangen hat. Außerdem war ihm nach der Aktenlage mit dem am zugestellten Mandatsbescheid der erstinstanzlichen Behörde vom die Lenkerberechtigung auf Grund des Vorfalles vom entzogen worden. Auch wenn dieser Bescheid laut Niederschrift vom "auf Grund der am eingebrachten Vorstellung gemäß § 68/2 AVG 1950 behoben" und dem Beschwerdeführer der Führerschein ausgehändigt wurde, muß doch - unabhängig von der Frage, ob die Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG 1950 in diesem Fall rechtswidrig war - im Hinblick darauf, daß die Aufhebung des Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 nicht zurückwirkte (siehe Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1512/A), davon ausgegangen werden, daß dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung in der Zeit vom bis entzogen war. Auch diese Entziehungsmaßnahme hat beim Beschwerdeführer keinen dauernden Sinneswandel herbeigeführt. Er hat vielmehr im Jahre 1988 zwei weitere Alkoholdelikte begangen, woraus die belangte Behörde mit Recht auf eine besondere Neigung zur Begehung derartiger Delikte geschlossen hat. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang weiters, daß den Beschwerdeführer auch die vorläufige Abnahme des Führerscheines am nicht davon abhalten konnte, wenige Monate später ein weiteres Alkoholdelikt zu begehen, ist die Prognose der belangten Behörde, die Verkehrszuverlässigkeit sei nicht vor Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab , zu erwarten, nicht verfehlt und damit die auf dieser Prognose beruhende Bestimmung der Frist gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 nicht rechtswidrig.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 206/1989.
Fundstelle(n):
XAAAE-41316