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VwGH vom 22.05.1996, 95/16/0235

VwGH vom 22.05.1996, 95/16/0235

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der S AG in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-1049/94, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Aktiengesellschaft, und Dipl.-Ing. Franz S schlossen am ein Übereinkommen betreffend die Begebung einer Anleihe im Gesamtnominale von S 5 Millionen (SBAG-Anleihe 1994 Tranche A) zu einem Kurs von 100 %. Dabei wurde auf unter Anlage 1 dem Übereinkommen angeschlossene Anleihebedingungen Bezug genommen, die unter dem Titel "Verzinsung" in § 2 Z. 1 folgendes bestimmen:

"1.) Die Verzinsung beträgt 50 % (fünfzig Prozent) des jeweiligen Jahresgewinnes. Jahresgewinn bedeutet den positiven Jahreserfolg des der Zinsfälligkeit vorangegangenen Geschäftsjahres vor Abzug des Anleihezinses und Ertragssteuern."

Ebenfalls am schloß die Beschwerdeführerin mit der Vermögensverwaltung am Stephansplatz GmbH ein Übereinkommen betreffend die Begebung einer Anleihe im Nominalbetrag von S 2 Millionen (SBAG-Anleihe 1994 Tranche B/I) zu einem Ausgabekurs von 95 % (= S 1,900.000,--). Auch dabei wurde auf in der Anlage 1 angeschlossene Anleihebedingungen Bezug genommen, die unter dem Titel "Verzinsung" in § 2 Z. 1 folgenden Wortlaut haben:

"1.) Die Verzinsung besteht aus einer fixen Komponente (Fixzins) und einer vom Gewinn der Gesellschaft abhängigen variablen Komponente (Variozins).


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Der Fixzins für die gesamte Laufzeit beträgt jährlich 6 1/2 % von Nennwert.
b)
Der Variozins beträgt 10 % des jeweiligen Jahresgewinnes. Jahresgewinn bedeutet den positiven Jahreserfolg des der Zinsfälligkeit vorangegangenen Geschäftsjahres vor Abzug des Variozinses und Ertragssteuern."

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien forderte daraufhin Gesellschaftsteuer im Ausmaß von 2 % der Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 KVG) an, indem es die Vereinbarungen als Gewinnschuldverschreibungen qualifizierte.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit dem Argument, Gewinnschuldverschreibungen seien reine Obligationen, die keine Gesellschaftsrechte verkörperten und begehrte eine Herabsetzung der Gesellschaftsteuer auf 0,8 % der Bemessungsgrundlage.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung der Finanzbehörde erster Instanz begehrte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung betreffend das oben erstangeführte Übereinkommen (Wert der Gegenleistung S 5 Millionen) als unbegründet ab und erklärte den Bescheid hinsichtlich des zweiten Übereinkommens (Wert der Gegenleistung S 1,9 Millionen) für vorläufig. Sie qualifizierte die getroffenen Vereinbarungen als die Begründung von Forderungsrechten, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewähren, und vertrat die Auffassung, dies sei betreffend das erste Übereinkommen jedenfalls zu bejahen; hinsichtlich des zweiten Übereinkommens sei noch zu prüfen, ob die fixe Verzinsung oder die Gewinnbeteiligung überwiege, was erst nach dem Vorliegen von zwei bis drei Jahresabschlüssen beurteilt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt insgesamt erkennbar - in ihrem Recht auf Gesellschaftsteuerfreiheit verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, worin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 KVG (in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Nov. BGBl. Nr. 629/1994; vgl. jetzt § 5 Abs. 1 Z. 3 KVG) galten Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewähren, als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften.

Kern der Beschwerdeausführungen zum behaupteten Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist allein das Argument, es müsse sich um eine "wirtschaftliche und echte Beteiligung am Reingewinn" handeln, worunter der sogenannte Bilanzgewinn nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches zu verstehen sei, also der ausschüttungsfähige Gewinn. Nicht hingegen sei es gesellschaftsteuerpflichtig, wenn - wie im Beschwerdefall - nur eine Beteiligung am sogenannten Bruttogewinn vorgesehen sei. Bei einer solchen Beteiligung fehle es nämlich am Gewinnrisiko des Gläubigers, weshalb von einem Gesellschaftsrecht nicht mehr gesprochen werden könne. Überdies vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, Gewinnschuldverschreibungen unterlägen gar nicht der Gesellschaftsteuer.

Zum letzteren Argument der Beschwerdeführerin (die sich dabei auf Dorazil, KVG-Kurzkommentar 107 = II Rz 12 zu § 6 KVG beruft) ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die zitierte Literaturstelle (die sich im Abschnitt II der Erläuterungen zu § 6 KVG befindet und die daher ganz unzweifelhaft nur im Zusammenhang mit der Abgrenzung zum Begriff der Aktie gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zu sehen ist) nur so verstanden werden darf, daß der Gläubiger einer Gewinnschuldverschreibung nicht Gesellschafter wird. Die generelle Aussage des zitierten Autors hingegen, der aaO. für Gewinnschuldverschreibungen die Gesellschaftsteuerpflicht rundweg verneint, kann aber nicht geteilt werden. Dorazil läßt dabei nämlich einerseits die Tatsache unbeachtet, daß Gewinnschuldverschreibungen gemäß § 174 Abs. 1 AktG dadurch ausgezeichnet sind, daß Gläubigerrechte mit Gewinnanteilen von Aktionären in Verbindung gebracht werden, was bedeutet, daß solche Obligationen über die Zahlung der fix verbrieften Kapital- und Zinsschuld hinaus auch noch eine Gewinnbeteiligung verbriefen, die verschieden ausgestaltet sein kann (vgl. dazu z.B. Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, KommzAktG3 Rz 4 zu § 174 AktG). Andererseits führt Dorazil selbst im Abschnitt VI seiner Kommentierung unter Rz 1.1 unter anderem aus, daß unter einer Forderung iSd § 6 Abs. 1 Z. 3 KVG alle Beteiligungen am Gesamtgewinn der Gesellschaft zu verstehen sind, und daß darunter auch jene Fälle fallen, in denen dem Berechtigten neben dem Anspruch auf Gewinn auch ein Anspruch auf Mindestverzinsung eingeräumt wird. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Literaturstelle steht somit einer Subsumtion der vorliegenden Vereinbarung unter den Gesellschaftsteuertatbestand des § 6 Abs. 1 Z. 3 KVG nicht entgegen.

Zum Hauptargument der Beschwerde, es liege im vorliegenden Fall nur eine Beteiligung am sogenannten "Bruttogewinn" vor, bei der das Gewinnrisiko fehle, ist auf folgendes zu verweisen:

In der deutschen Literatur wird im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Begriffe "Beteiligung am Gewinn" bzw. Beteiligung am Liquidationserlös" von Kinnebrock/Meulenbergh (KVG5 Rz 6 Abs. 1 zu § 6 KVG) ausgeführt, daß Reingewinn nicht dem Abwicklungsgewinn gleichgesetzt werden dürfe und daß auch ein Anteil am Rohgewinn grundsätzlich nicht einer Beteiligung am Reingewinn gleichzuhalten sei. Brönner/Kamprad (KommzKVG4 Rz 9 zu § 6 KVG) meinen, die Beteiligung des Gläubigers müsse sich nach dem Reingewinn bestimmen; eine Beteiligung am Bruttogewinn genüge nicht, weil das Gewinnrisiko fehle.

Der Versuch der Beschwerde, diese Literaturstellen für ihre Zwecke nutzbar zu machen, muß jedoch scheitern. Wie insbesondere aus den Ausführungen bei Egly/Klenk (Gesellschaftsteuer Kommentar4 241 Rz 330) und der dort zitierten Entscheidung des BFH vom BFH 105/18, 62 deutlich wird, schreibt § 6 Abs. 1 Z. 3 KVG selbst nicht vor, wie der "Gewinn" zu berechnen ist. Auch kommt es auf Begriffe wie z.B. "Bruttogewinn" nicht an, sondern ist die zitierte Gesetzesstelle so zu verstehen, daß davon jede Beteiligung am Ertrag der Kapitalgesellschaft erfaßt wird. Voraussetzung für die Erfüllung des Steuertatbestandes ist nur, daß die Berechnungsgrundlage nicht eine vom Ertrag der Kapitalgesellschaft unabhängige Größe sein darf. Gerade das kann aber in bezug auf die hier in Rede stehenden Vereinbarungen, die von einer Beteiligung am positiven Jahreserfolg sprechen, keinesfalls gesagt werden. Den demgegenüber im rein Begrifflichen verhafteten Argumenten der Beschwerde kann daher kein Erfolg beschieden sein.

Mit Rücksicht darauf, daß der Inhalt der streitgegenständlichen Vereinbarungen keine Zweifel daran aufkommen läßt, daß die beiden Gläubiger der Beschwerdeführerin iS der oben zitierten Auführungen des BFH und der darauf gestützten Meinung von Egly/Klenk Ansprüche auf Gewinnbeteiligung erworben haben, die vom Ertrag der Beschwerdeführerin abhängig sind, erübrigten sich auch die von der Beschwerde vermißten weiteren Ermittlungen der belangten Behörde darüber, ob es sich bei den hier in Rede stehenden Gewinnansprüchen begrifflich um Ansprüche auf Rein- oder Rohgewinn handelt.

Da sich der angefochtene Bescheid sohin als frei von allen behaupteten Rechtswidrigkeiten erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.