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VwGH vom 22.09.1989, 89/11/0184

VwGH vom 22.09.1989, 89/11/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des GD in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70-8/158/89, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde unter Punkt I der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom keine Folge und wies in Bestätigung dieses Bescheides seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vom ) gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 als unbegründet ab. Unter Punkt II wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den zuletzt genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, mit welchem dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend entzogen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen.

In der Begründung des Spruchpunktes I ging die belangte Behörde vom Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Dort habe er im wesentlichen geltend gemacht, daß er erstmals auf die Abholung eines "Behördenstückes" vergessen habe, und dies damit begründet, daß er von 3.30 Uhr morgens bis zum späten Nachmittag arbeite und oft erst um 18.00 Uhr nach Hause komme. Das Zustellpostamt sei nach der erfolgten Hinterlegung baustellenbedingt kaum erreichbar gewesen. Einige Tage später wäre ihm die Abholung möglich gewesen, er habe sich daher fix vorgenommen, den hinterlegten Bescheid zu diesem Zeitpunkt abzuholen. Im Laufe dieses Zuwartens habe er aber dann die Hinterlegungsanzeige völlig vergessen. Am Freitag dem habe er beim Zustellpostamt ein amtliches Schriftstück behoben, dessen Zustellung ihm am Vortag angekündigt worden sei. Anläßlich dieser Abholung habe ihm die zuständige Postbeamtin mitgeteilt, daß für ihn ein weiteres Schriftstück erliege, und ihm dieses ausgehändigt. Dabei habe es sich um den gegenständlichen Bescheid (gemeint: vom ) gehandelt. Er sei völlig überrascht gewesen und habe sich dies im ersten Moment nicht erklären können. Bei genauer Nachsicht zu Hause habe er dann die Hinterlegungsanzeige vom gefunden.

Dieses Vorbringen beurteilte die belangte Behörde wie folgt:

Damit, daß der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen den Bescheid am letzten Tag der Rechtsmittelfrist beim Postamt behoben habe, habe auch das geltend gemachte Hindernis an der Behebung des hinterlegten Bescheides geendet und sei der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, noch am letzten Tag der Frist das Rechtsmittel zu verfassen und einzubringen. Weder aus dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch aus den Berufungsausführungen gehe hervor, was den Beschwerdeführer daran gehindert hätte. Er sei daher durch das von ihm geltend gemachte Ereignis an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gar nicht gehindert worden. Im übrigen könne der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf den Umstand, daß er auf die Tatsache der Zustellung eines Schriftstückes an ihn vergessen habe, nicht das Fehlen eines Verschuldens dartun. Weder der Umfang seiner beruflichen Belastung noch die Entfernung des Arbeitsortes vom Zustellpostamt könne ihm verborgen geblieben sein. Ein Vergessen, das nicht auf vom Beschwerdeführer nicht vertretbare und von ihm nicht einkalkulierende Umstände beruhe, begründe Verschulden, zumal mangelnde Aufmerksamkeit nie unverschuldet sei.

Die Zurückweisung der Berufung (Punkt II) begründete die belangte Behörde damit, daß die Sendung nach zwei erfolglos gebliebenen Zustellversuchen (am 18. und am ) am beim Zustellpostamt hinterlegt und dort ab zur Abholung bereitgehalten worden sei. Die Berufungsfrist habe daher am begonnen und am geendet. Trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung sei die (mit datierte) Berufung erst am - sohin nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG 1950) - zur Post gegeben worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:

Der Ansicht der belangten Behörde, er hätte am letzten Tag der Frist () Berufung erheben können, hält der Beschwerdeführer entgegen, er habe den Bescheid erst kurz vor 18.00 Uhr (Schließung des Postamtes) behoben und daher weder rechtzeitig Akteneinsicht nehmen noch Kontakt mit seinem Rechtsvertreter aufnehmen können; auch sei die Besorgung der erforderlichen Stempelmarken für die Berufung völlig ausgeschlossen gewesen. Dies alles stelle für ihn als juristischen Laien sehr wohl ein Hindernis dar, das ihn an der rechtzeitigen Erstattung einer Berufung gehindert habe. Im übrigen treffe ihn kein Verschulden an dem ihm unterlaufenen Vergessen. Er habe nämlich die vom stammende Hinterlegungsanzeige sorgsam verwahrt und nur auf Grund einer besonders ungünstigen Konstellation auf die Abholung der Sendung vergessen, was ihm bisher noch nie passiert sei. Er arbeite "täglich oft" von 3.30 Uhr morgens bis nach 18.00 Uhr abends, und zwar weit vom Zustellpostamt (im 22. Wiener Gemeindebezirk) entfernt, nämlich im

3. Bezirk. Gerade im Abholzeitraum habe er besonders viel zu tun gehabt. Gleichzeitig sei das Zustellpostamt baustellenbedingt mit dem Pkw kaum zu erreichen gewesen. Diese Baustelle sollte aber nach wenigen Tagen geräumt werden. Er habe sich daher vorgenommen, zu diesem noch innerhalb der Abholfrist gelegenen Zeitpunkt den Bescheid zu beheben. Im Zuge dieses Zuwartens habe er dann auf die Hinterlegungsanzeige vergessen. Mangelnde Aufmerksamkeit oder Schlamperei seinerseits lägen sicher nicht vor. Er habe ja die Hinterlegungsanzeige aufbewahrt und am bei der Nachschau zu Hause auch sofort wiedergefunden. Das Vergessen sei für ihn völlig unvorhersehbar und unabwendbar, selbstverständlich auch unverschuldet gewesen. Derartiges sei ihm noch niemals passiert, sodaß er auch im gegenständlichen Fall unmöglich vorher damit habe rechnen können.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung darzutun. Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist unter anderem gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Es kann dahinstehen, ob dem Beschwerdeführer in der ihm verbliebenen Zeit die Einbringung der Berufung möglich und zumutbar gewesen wäre. Denn selbst wenn man dies verneinte und entgegen der Meinung der belangten Behörde annähme, daß der Beschwerdeführer durch sein Vergessen an der rechtzeitigen Einbringung einer Berufung gehindert war, ist damit im Ergebnis für ihn deshalb nichts gewonnen, weil der Auffassung der belangten Behörde, sein Vergessen sei nicht als unverschuldet anzusehen, beizupflichten ist. Der Entschluß des Beschwerdeführers, die hinterlegte Sendung erst nach einiger Zeit zu beheben, brachte nämlich die Gefahr des Vergessens mit sich. Sie wurde durch die vom Beschwerdeführer geschilderte berufliche Inanspruchnahme noch wesentlich gesteigert. Das war dem Beschwerdeführer schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung erkennbar und hätte ihn daher dazu veranlassen müssen, der Gefahr des Vergessens in geeigneter Weise vorzubeugen. Der Beschwerdeführer hat dies offensichtlich unterlassen und damit die ihn als Verfahrenspartei, und zwar auch als "juristische Laien", treffende erhöhte Sorgfaltspflicht in bezug auf die Wahrnehmung von Fristen (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/11/0145) verletzt.

Die belangte Behörde hat ihrer rechtlichen Beurteilung - von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt - ausschließlich das Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt. Damit erübrigte sich die Vernehmung der vom Beschwerdeführer zur Untermauerung dieses Vorbringens angebotenen Zeugen und die Gewährung von Parteiengehör. Im Hinblick darauf liegt auch der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

Zur Zurückweisung der Berufung:

Angesichts der - unbestritten gebliebenen - verspäteten Einbringung der Berufung und unter Bedachtnahme auf die gleichzeitig ergangene negative Entscheidung der belangten Behörde über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist entspricht die Zurückweisung der Berufung als verspätet dem Gesetz.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen (zur hg. Zl. AW 89/11/0039 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am