VwGH vom 30.05.2001, 97/21/0102
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der am geborenen S in Sri Lanka, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in New Delhi vom , Zl. 555.469/3/96, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der angefochtene Bescheid hat folgenden Wortlaut:
"ÖSTERREICHISCHE BOTSCHAFT
NEW DELHI
NEW DELHI, am
Zl.: 555.469/3/96
S;
Sichtvermerksangelegenheit
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!
Als ausgewiesenem Vertreter von Frau S teilt Ihnen die Botschaft gem. § 69 Fremdengesetz mit, dass dem Sichtvermerksantrag von Frau S auf Grund § 10 Fremdengesetz nicht stattgegeben werden konnte.
Mit freundlichen Grüßen
(unleserliche Unterschrift)
i. A. G 2. Botschaftssekretär (VA) & Vizekonsul"
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die §§ 10 Abs. 1 bis 3 und 69 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, lauten:
"Sichtvermerksversagung
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,
wenn
1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges
Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, dass die Voraussetzungen
für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;
2. der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende
eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder nicht über einen alle
Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt;
3. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers zu einer
finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es
sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines
gesetzlichen Anspruches;
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die
öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
5. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die
Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat
beeinträchtigen würde;
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen
Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier
Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;
7. sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der
Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält.
(2) Die Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn die Wiederausreise des Fremden nicht gesichert ist.
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines
Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 oder gemäß
Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,
1. in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus
humanitären Gründen oder
2. wenn auf Grund der Verpflichtungserklärung einer
Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint.
...
Verfahren vor österreichischen
Vertretungsbehörden
§ 69. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zweckdienlichen Urkunden und sonstige Beweismittel selbst vorzulegen; die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Über schriftlichen oder niederschriftlichen Antrag der Partei ist die Entscheidung gemäß Abs. 1 auch schriftlich auszufertigen; hiebei sind außer der getroffenen Entscheidung die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Behörde oder auf postalischem Wege zu erfolgen.
(4) Ergeht die Entscheidung in der Sache nicht binnen sechs Monaten nach Einbringung des Antrages, in den Fällen des Abs. 2 die schriftliche Ausfertigung nicht binnen zwei Monaten nach Einbringung des Antrages gemäß Abs. 2, so geht die Zuständigkeit zur Entscheidung oder Ausfertigung auf schriftlichen Antrag auf den Bundesminister für Inneres über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei ihm einzubringen. Er hat für die Entscheidung oder Ausfertigung die Abs. 1 bis 3 und 5 anzuwenden. Der Antrag ist jedoch abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Vertretungsbehörde zurückzuführen ist.
(5) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde, in den Fällen des Abs. 4 der Bundesminister für Inneres ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Sichtvermerksversagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Fremdengesetz (692 BlgNR 18. GP, 57) wird u.a. wie folgt ausgeführt:
"... Die Regelung hat sich von den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Prinzip leiten lassen und die Grundsätze nun ausdrücklich festgelegt. Es sind dies die Mitwirkungsverpflichtung des Antragstellers bei gleichzeitiger Manuduktionspflicht der Behörde, die freie Beweiswürdigung, das Parteiengehör sowie die Möglichkeit zur Behebung von Formgebrechen, die Schriftlichkeit der Entscheidung und die Begründungspflicht, die Ausfertigung und die Zustellung der Entscheidung sowie letztlich die Devolution zum Bundesminister für Inneres."
Bei der in Beschwerde gezogenen Erledigung der Österreichischen Botschaft in New Delhi vom handelt es sich - anders als die belangte Behörde meint - um einen Bescheid. Sie ist nämlich an eine bestimmte Person gerichtet, enthält die Bezeichnung der Behörde und eine Unterschrift. Auch wenn die Erledigung die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid und eine Rechtsmittelbelehrung nicht enthält, geht aus der Formulierung "teilt Ihnen die Botschaft gem. § 69 Fremdengesetz mit", dass "auf Grund § 10 Fremdengesetz nicht stattgegeben" werden konnte, doch mit ausreichender Klarheit hervor, dass die belangte Behörde mit diesem Schreiben der Beschwerdeführerin über deren schriftlichen Antrag gemäß § 69 Abs. 2 FrG eine schriftliche Ausfertigung nach dieser Gesetzesstelle über die Versagung des von ihr begehrten Sichtvermerkes erteilen wollte. Es handelt sich sohin um einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung und damit um einen Bescheid im Sinne des Art. 131 B-VG.
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid zusammengefasst deswegen für rechtswidrig, weil ihr Ehegatte seit September 1987 in Österreich lebe und seit November 1989 ständig bei einem österreichischen Unternehmen in Österreich beschäftigt sei. Er sei Inhaber eines österreichischen Fremdenpasses. Konkrete Versagungsgründe lägen nicht vor.
Mit der in § 69 Abs. 2 FrG normierten Anführung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen wird im Sinne des Grundsatzes eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien ein Mindestmaß an Begründung im Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde festgelegt. Dieser Begründungspflicht entsprechend ist die angewendete Gesetzesbestimmung daher derart präzise anzuführen, dass der Adressat des Bescheides daraus den Rechtsgrund für die in seinem Fall erlassene Entscheidung ersehen kann. Die Partei darf durch den Mangel einer Begründung nicht an der zweckmäßigen Verfolgung ihrer Rechte vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes und diese dürfen nicht an der Überprüfung der von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gehindert werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0074, m.w.N.).
Die belangte Behörde hat dieser Begründungspflicht nicht entsprochen, indem sie zur Versagung des von der Beschwerdeführerin begehrten Sichtvermerkes im angefochtenen Bescheid bloß auf "§ 10 Fremdengesetz" hinwies ohne zu präzisieren, welchen Absatz und welche Ziffer dieser Bestimmung sie als Grund für die Versagung des begehrten Sichtvermerkes heranzog. Derart ist nämlich nicht nachprüfbar, auf welchen konkreten Versagungstatbestand der angefochtene Bescheid gegründet wurde und ob diese Entscheidung dem Gesetz entspricht.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mangels konkreter Begründung einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am