zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 08.05.1990, 89/11/0137

VwGH vom 08.05.1990, 89/11/0137

Betreff

N gegen Bundesminister für Landesverteidigung vom , Zl. 670.412/4-2.5/88, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes für die Zeit bis gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der am geborene Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner im Jahre 1978 erfolgten Stellung für tauglich befunden. Auf Grund wiederholter Anträge wurde ihm gemäß § 37 Abs. 6 lit. b Wehrgesetz 1978 der Antritt des Grundwehrdienstes mehrmals aufgeschoben, zuletzt mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom bis . In seinem diesbezüglichen Antrag vom hatte der Beschwerdeführer behauptet, daß er bis sein Studium nicht abschließen könne. Falls er sein Studium vor dem Sommersemester 1988 abschließe, werde er das Militärkommando davon verständigen.

Am trat der Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärter in die Kanzlei des Beschwerdevertreters ein. Nach den Angaben des Beschwerdevertreters in seinem Antrag auf befristete Befreiung des Beschwerdeführers vom Präsenzdienst vom war der Beschwerdeführer vor seinem Eintritt in die Kanzlei des Beschwerdevertreters bereits bei einem anderen Rechtsanwalt in Wien als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer, ihn von der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes für die Dauer von zwei Jahren zu befreien, sodaß seine Einberufung nicht vor dem erfolge. Er führte aus, daß er noch Rechtswissenschaften sowie Publizistik und Politologie studiere. Am sei er in die Kanzlei des Beschwerdevertreters eingetreten. In ca. zwei Jahren werde er die vorgeschriebene Praxiszeit absolviert haben. Es sei schwierig, einen Ausbildungsplatz als Rechtsanwaltsanwärter zu finden, insbesondere einen solchen, an dem man eine gute, praxisorientierte Ausbildung bekomme. In der Kanzlei des Beschwerdevertreters habe er einen solchen Ausbildungsplatz gefunden, da ihm die Möglichkeit geboten werde, viel bei Gericht zu verhandeln. Außerdem handle es sich dabei um eine "nahezu reine Familienrechtskanzlei", was seinen Interessen entgegenkomme. Die Kanzlei des Beschwerdevertreters biete daher einen idealen Ausbildungsplatz, auf den er nahezu ein halbes Jahr gewartet habe. Die Kanzlei habe nur einen einzigen Ausbildungsplatz zu vergeben. Es sei daher mit Sicherheit damit zu rechnen, daß er bei Ableistung seines Präsenzdienstes ab seinen Ausbildungsplatz verlieren werde, da der Beschwerdevertreter einen anderen Rechtsanwaltsanwärter anstellen werde. Der Verlust dieses Ausbildungsplatzes hätte für den Beschwerdeführer zur Folge, daß er "ca. ein halbes Jahr keinen Ausbildungsplatz hätte, und nach dem Präsenzdienst nach Ablauf der Kündigungsfrist ca. ein halbes Jahr arbeitslos wäre". Nach zwei Jahren sei er mit seiner Praxiszeit fertig, könnte sich in die Liste der Rechtsanwälte eintragen lassen und finde leichter eine neue Stelle in einer anderen Kanzlei bzw. könne seine eigene Kanzlei eröffnen.

Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer ergänzend mit, daß ihn Ende 1987 seine Ehefrau verlassen habe, sodaß er für sämtliche Fixkosten seiner Wohnung aufkommen müsse, die rund S 11.000,-- monatlich betragen. Da die "Mietzinsbeihilfe", die er bei Ableistung des Präsenzdienstes erhalte, betraglich begrenzt sei, müsse er ca. die Hälfte der monatlichen Fixkosten für die Wohnung aus eigenen Mitteln bezahlen. Auf Grund der Auflösung des gemeinsamen Haushaltes habe er diverse Anschaffungen tätigen müssen und seine Ersparnisse dafür aufgebraucht. Da der Haushalt noch nicht vollständig "adaptiert" sei, werde er in der nächsten Zeit sein Einkommen dafür benötigen und erst ab wieder über Ersparnisse verfügen, um die Differenz zu den Fixkosten abdecken zu können. Im Hinblick auf die nach der Ableistung des Präsenzdienstes zu erwartende "längerfristige Arbeitslosigkeit" würde er in eine schwere wirtschaftliche Krise geraten.

Mit Bescheid vom wies das Militärkommando Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom ab. Es vertrat die Auffassung, daß im Hinblick auf die Bestimmungen des Arbeitsplatz-Sicherungsgesetzes keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers gegeben seien. Die Möglichkeit, nach Ablauf der Behaltefrist vom Dienstgeber "entlassen" zu werden, bestehe für alle unselbständig erwerbstätigen Wehrpflichtigen. Die Tatsache, daß durch die Ableistung des Präsenzdienstes die Ausbildung zum Beruf des Rechtsanwaltes unterbrochen werde, begründe ebensowenig die besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen wie die wirtschaftliche Belastung des Beschwerdeführers durch die Trennung von seiner Ehefrau. Im übrigen wisse der Beschwerdeführer seit seiner Stellung, daß er spätestens nach Ablauf des bewilligten Aufschubes seinen Grundwehrdienst leisten müsse, weshalb es seine Aufgabe gewesen wäre, seine wirtschaftlichen und beruflichen Dispositionen entsprechend zu treffen.

In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß ihm das Scheitern seiner Ehe erst seit Ende 1987 bekannt sei. Es sei geplant gewesen, nach Ableistung des Präsenzdienstes und der Behaltefrist als Rechtsanwaltsanwärter in die Kanzlei seiner Ehefrau einzutreten, die im Juni 1989 die Eintragungsfähigkeit erlangt hätte. Die unerwartete und von ihm nicht verschuldete Trennung von seiner Frau habe diese Dispositionen über den Haufen geworfen. Die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Präsenzdienst eine Unterbrechung seiner Berufslaufbahn zur Folge hätte. In Wahrheit handle es sich nicht "um eine Zeit der Berufslaufbahn, sondern um eine Zeit, die Ausbildung zugerechnet werden muß. Die Unterbrechung einer Berufsausbildung ist aber in rechtlicher Hinsicht anders zu beurteilen, als die Unterbrechung einer Berufslaufbahn. Einem Antragsteller, der bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, ist eine Unterbrechung derselben zweifellos eher zuzumuten, als einem Antragsteller, der sich noch in Ausbildung befindet".

Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach Wiedergabe des Akteninhaltes die Auffassung, es lägen keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen vor, weil der Beschwerdeführer auf Grund des Ergebnisses der Stellung und des gewährten Aufschubes gewußt habe, daß er ab seiner Präsenzdienstpflicht nachkommen müsse. Er habe daher in ausreichendem Maße Gelegenheit gehabt, seine wirtschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten dementsprechend zu regeln. Die Unterbrechung der Ausbildung zum Rechtsanwalt stelle kein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse dar. Dieses Ergebnis folge auch aus der Überlegung, daß der Beschwerdeführer nicht aus dem in der Zeit des Aufschubes erfolgten Aufbau einer Berufsstellung Interessen ableiten könne, die eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes begründen. Die Vernehmung der Ehegattin des Beschwerdeführers sei nicht erforderlich gewesen, weil der Behörde ein geschlossener Sachverhalt vorliege. Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen seien nicht geltend gemacht worden und ergäben sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Bei der Beurteilung des Beschwerdefalles ist von der Bestimmung des § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 auszugehen. Nach dieser Gesetzesstelle können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. Voraussetzung für die besondere Rücksichtswürdigkeit von wirtschaftlichen Interessen ist u.a., daß die durch die Leistung des Präsenzdienstes verursachten wirtschaftlichen Nachteile so schwerwiegender Natur sind, daß die wirtschaftliche Existenz des Wehrpflichtigen durch sie gefährdet würde (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 1929/71, und vom , Zl. 87/11/0092, sowie das zur vergleichbaren Bestimmung des § 13 Abs. 1 Z. 2 Zivildienstgesetz ergangene Erkenntnis vom , Zl. 88/11/0017).

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände vermögen keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen in diesem Sinne zu begründen. Selbst wenn der Beschwerdeführer nämlich nach Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes und Ablauf der Behaltefrist gemäß § 6 Abs. 1 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz genötigt sein sollte, mit einem anderen Rechtsanwalt einen Dienstvertrag abzuschließen, kann darin kein unzumutbarer wirtschaftlicher Nachteil im Sinne der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz erblickt werden, abgesehen davon, daß es sich bei dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und der vom Beschwerdeführer angenommenen nachfolgenden "längeren Arbeitslosigkeit" um ungewisse, in der Zukunft liegende Ereignisse handelt, die zur Begründung von wirtschaftlichen Interessen nicht herangezogen werden können (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/11/0153). Mit der Möglichkeit, nach Ablauf der Behaltefrist gemäß § 6 Abs. 1 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz gekündigt zu werden, muß jeder wehrdienstpflichtige Arbeitnehmer rechnen. Insoweit unterscheidet sich die Situation des Beschwerdeführers nicht wesentlich von der anderer Arbeitnehmer (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom ).

Auch durch die finanzielle Belastung des Beschwerdeführers auf Grund der Trennung von seiner Ehefrau werden die von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen nicht besonders rücksichtswürdig. Im Falle der Präsenzdienstleistung hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe gemäß § 30 Abs. 3 Heeresgebührengesetz 1985. Soweit diese nicht ausreichen sollte, die gesamten Kosten für die Beibehaltung der Wohnung abzudecken, kann der Beschwerdeführer die Differenz aus Ersparnissen begleichen, deren Anlegung ihm auf Grund des festgestellten Monatseinkommens von netto S 16.954,-- bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls möglich und zumutbar war. Soweit der Beschwerdeführer dazu in seiner Stellungnahme vom - allerdings ohne Nennung konkreter Zahlen - ausgeführt hat, er benötige sein Einkommen in nächster Zeit zur "Adaptierung seines Haushaltes", ist er darauf hinzuweisen, daß kein Hindernis besteht, den Haushalt erst nach Ableistung des Grundwehrdienstes vollständig "zu adaptieren".

Aus diesen Gründen kann aus der Tatsache, daß die belangte Behörde trotz eines diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers seine Ehefrau nicht als Zeugin vernommen hat, kein relevanter Verfahrensmangel abgeleitet werden. Auch dann, wenn diese Zeugin die Angaben des Beschwerdeführers bestätigt hätte, hätte sich an der Entscheidung nichts geändert.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte ihn anleiten müssen, ein Vorbringen zu erstatten, daß besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen vorliegen.

Diese Ausführungen gehen - abgesehen davon, daß § 13a AVG 1950 der Behörde nicht die Pflicht auferlegt, einer Partei Ratschläge über den Inhalt erfolgversprechenden Vorbringens zu geben - schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer auch nicht andeutungsweise darlegt, worin allenfalls besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen gelegen sein können. Solche sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren kann, und als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/11/0087, mit weiteren Judikaturhinweisen). Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht der geringste Anhaltspunkt für die Annahme, daß ein Familienangehöriger des Beschwerdeführers der Unterstützung durch diesen bedarf.

Richtig ist zwar der Hinweis des Beschwerdeführers, daß die Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Unrecht davon spricht, daß es sich bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 um eine Ermessensentscheidung handelt, doch ist dadurch für den Beschwerdeführer im Ergebnis deshalb nichts gewonnen, weil die belangte Behörde ohnedies begründet hat, warum die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben sind.

Der Beschwerdeführer meint, die Behörde habe die Tätigkeit des Rechtsanwaltsanwärters zu Unrecht unter den Begriff der Berufslaufbahn subsumiert. Bei richtiger Auffassung handle es sich um eine Zeit, die der Ausbildung zum Beruf des Rechtsanwaltes zugerechnet werden müsse.

Diese Ausführungen vermögen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil - abgesehen davon, daß die Berufsausbildung im Rahmen des Aufschubes des Antrittes des ordentlichen Präsenzdienstes gemäߧ 37 Abs. 6 Wehrgesetz 1978 zu berücksichtigen ist - unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärter Dienstnehmer des Beschwerdevertreters ist und damit den Kündigungs- und Entlassungsschutz nach § 6 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz genießt. Auch wenn die Zurücklegung entsprechender Dienstzeiten bei einem Rechtsanwalt eine Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte darstellt, können aus der Unterbrechung eines derartigen Dienstverhältnisses keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen abgeleitet werden, weil ein derartiges Dienstverhältnis ohne weiteres auch nach Ableistung des Grundwehrdienstes fortgesetzt oder neu begründet werden kann.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 206/1989.