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VwGH vom 18.12.1995, 95/16/0195

VwGH vom 18.12.1995, 95/16/0195

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Z Immobilien Leasing Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 9-402/93, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, daß die E. GmbH, Alleingesellschafterin der beschwerdeführenden GmbH, dieser ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von S 119,000.000,-- gewährt hatte. Der Prüfer vertrat den Standpunkt, daß die unentgeltliche Nutzung dieses Kapitals eine gemäß § 2 Z. 3 lit. b KVG gesellschaftsteuerpflichtige Leistung sei. Die Höhe dieser Leistung ermittelte er für den Zeitraum vom bis zum mit 6,5 % des Darlehens, das sind S 13,686.652,78. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und schrieb Gesellschaftsteuer in Höhe von 2 % des letztgenannten Betrages vor.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, daß ein von vornherein unverzinslich vereinbartes Darlehen nicht zu einer Gesellschaftsteuerpflicht führt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, die unverzinste Hingabe einer Darlehensvaluta sei als Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung anzusehen. Dazu komme, daß im Falle einer Insolvenz der Beschwerdeführerin mit der Geltendmachung dieser Darlehensforderung hinter den anderen Gläubigern zurückgestanden werde.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 2306/94-3, insbesondere im Hinblick darauf, daß Besteuerungsgegenstand der Gebühr das Darlehen, jener der Gesellschaftsteuer hingegen der hingegebene Zinsvorteil sei, abgelehnt. Mit Beschluß vom , B 2306/94-5, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird von der Beschwerdeführerin die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 3 lit. b KVG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 629/1994 unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, wobei das Gesetz dafür unter anderem den Verzicht auf Forderungen und die Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung ausdrücklich als Beispiele benennt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , 93/16/0104, und vom , 92/16/0065, - auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird -, ausgesprochen hat, ist ein unverzinsliches Darlehen als Überlassung eines Gegenstandes an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung anzusehen. Der Nutzung der Darlehensvaluta steht im Fall der Unverzinslichkeit keine Gegenleistung gegenüber; der Rückzahlungsanspruch der Darlehensgeberin ist kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals. Die Gesellschaftsteuerpflicht ergibt sich somit aus § 2 Z. 3 lit. b KVG.

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin können den Verwaltungsgerichtshof nicht veranlassen, von dieser Auffassung abzugehen:

Der Umstand, daß ein Darlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft nach § 33 TP 8 GebG einer Rechtsgebühr unterliegt und dabei im Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hinsichtlich solcher Gesellschafterdarlehen eine Ersatzbeurkundung als die Gebühr auslösendes Tatbestandsmerkmal vorgesehen ist, ist für die Frage der Gesellschaftsteuerpflicht der in Rede stehenden Leistungen nicht von Bedeutung. Insbesondere ist die Auffassung, § 33 TP 8 Abs. 4 GebG stelle eine Ersatzregelung für den durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg. 1969/5993 aufgehobenen Teil des § 3 KVG dar, unzutreffend. Abgesehen davon, daß § 33 TP 8 Abs. 4 GebG auch Darlehen an Personengesellschaften betrifft, stellt diese Regelung nur eine Spezialbestimmung zum Beurkundungsprinzip nach § 15 Abs. 1 GebG dar, während der Tatbestand der Darlehensgebühr selbst im § 33 TP 8 Abs. 1 GebG geregelt ist. Auch die Erläuternden Bemerkungen zur GebG-Novelle 1976, mit der die Ersatzbeurkundung von Gesellschafterdarlehen eingeführt wurde, enthalten keinen diesbezüglichen Hinweis (338 Blg. NR XIV. GP.).

Dem von der Beschwerdeführerin angestellten Vergleich mit der Darlehensgebühr ist ferner entgegenzuhalten, daß selbst die Anwendung unterschiedlicher Steuergesetze auf denselben Sachverhalt grundsätzlich nicht ausgeschlossen wäre (vgl. das Erkenntnis vom , 92/16/0010, 0036). Tatsächlich unterliegt der Gebühr aber die tatsächliche Zuzählung des dargeliehenen Betrages, während bei der Gesellschaftsteuer nicht die Begründung der freiwilligen Übernahmsverpflichtung, sondern erst deren Erfüllung, also das tatsächliche Bewirken der Leistung (hier: die fortlaufende Überlassung der Darlehensvaluta zur Nutzung) den Steuertatbestand auslöst (vgl. das Erkenntnis vom , 94/16/0121, 0122). Abgesehen davon, daß die Frage einer allfälligen Doppelbesteuerung im Hinblick auf § 15 Abs. 3 GebG im Gebührenbemessungsverfahren zu lösen wäre, ist eine - für das Eingreifen der Abgrenzungsvorschrift des § 15 Abs. 3 GebG vorausgesetzte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 87/15/0082) - Identität des Rechtsvorganges somit nicht gegeben.

Auch aus dem von der Beschwerdeführerin angestellten Vergleich mit an eine Personengesellschaft unverzinslich überlassenen Gesellschafterdarlehen ist für sie nichts zu gewinnen, weil zwischen solchen Sachverhalten derartige Unterschiede im Tatsächlichen liegen, daß sich die unterschiedlichen Vorschriften einer vergleichenden Wertung verschließen.

Der Einwand, die Zinsenlosigkeit des Darlehens (gemeint: das Recht auf Nutzung der Darlehensvaluta) sei kein "Gegenstand" im Sinne des Klammerausdrucks im § 2 Z. 3 lit. b KVG, geht auch deswegen ins Leere, weil die in diesem Klammerausdruck angeführten Sachverhalte ausdrücklich als Beispiele bezeichnet sind. Somit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein solches Recht als Sache im Sinne des § 285 ABGB anzusehen ist.

Nicht verständlich ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei denkunmöglich, "die Verpflichtung zur unverzinsten Rückzahlung der Darlehensvaluta als eine den Wert nicht erreichende Gegenleistung zu bezeichnen": Eine solche Aussage ist in dem das Erkenntnis vom , 93/16/0104, wörtlich zitierenden angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof dort darauf hingewiesen, daß der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals ist.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin wird vom Verwaltungsgerichtshof das Darlehen nicht als Gesellschaftseinlage behandelt. Die gesellschaftsteuerpflichtige Leistung liegt vielmehr - wie ausgeführt - in der Berechtigung zur unentgeltlichen Nutzung eines Kapitalbetrages.

Die Frage, in welchem Verhältnis der in der Stammfassung des KVG enthaltene Tatbestand nach § 3 Abs. 1 KVG (vor der Aufhebung durch Verfassungsgerichtshof Slg. 1969/5993) und § 2 Z. 3 lit. b KVG standen, konnte im Hinblick auf die im Beschwerdefall anzuwendende Fassung des Gesetzes dahingestellt bleiben.

Schließlich ist für die Beschwerdeführerin auch daraus nichts zu gewinnen, daß bei entsprechend langer Laufzeit des Darlehens die Bemessungsgrundlage höher sein kann als der Kapitalbetrag. Eine solche Rechtsfolge beruht auf dem grundlegenden Unterschied zwischen der Sache selbst und dem Nutzungsrecht an dieser Sache, wobei auch hier im Falle eines Geldbetrages nicht anders zu verfahren ist, als bei der Nutzung an einer anderen - körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen - Sache.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, das von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht von einem verstärkten Senat beschlossen worden, ist ihr entgegenzuhalten, daß ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur dann vorliegt, wenn die Rechtsanschauung des Gerichtshofes, von der abzugehen Anlaß bestünde, explizit in der Begründung eines Erkenntnisses oder Beschlusses ihren Niederschlag gefunden hätte und nicht nur stillschweigend vorausgesetzt worden ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 163 und die dort zitierte Rechtsprechung). Gerade eine explizite Aussage zur (von vornherein) unentgeltlichen Überlassung eines Kapitalbetrages enthält aber das bezogene Erkenntnis vom , 2620/77, mit dem der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war, eben nicht. Im Falle dieses Erkenntnisses war der Sachverhalt hinsichtlich der Frage ergänzungsbedürftig geblieben, ob die Darlehen ohne Anspruch auf Verzinsung gewährt wurden oder ob es - wie die Behörde gemeint hatte - zu einem Verzicht auf Zinsen gekommen sei. Ob die Voraussetzung, daß bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschriften die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, vorgelegen war, kann dabei dahingestellt bleiben.

Auch der Umstand, daß ein Teil des Schrifttums (anderer Auffassung Dorazil, Kapitalverkehrsteuergesetz, S. 68, Rz. 6.1) aus dem Erkenntnis vom , 2620/77, ableitete, bei von vornherein vereinbarter Unentgeltlichkeit eines Darlehens sei keine Gesellschaftsteuerpflicht gegeben, ist nach dem Gesagten nicht von wesentlicher Bedeutung.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei es sich erübrigte, auf die Auseinandersetzung der Beschwerde mit der von der belangten Behörde weiters vertretenen Auffassung, die "Rückstehungserklärung" sei für die Erfüllung der Gesellschaftsteuerpflicht maßgebend, näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.